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Re: [ox] Zum Begriff der Herrschaft



Hallo Stefan und alle Freunde langer Mails ...

ich wills jedoch kurz halten. Bei so einem Monster von Mail macht eine
Punkt-für-Punkt Betrachtung IMHO keinen Sinn mehr. Würde ich mich da
dran machen, müsste ich aber tatsächlich bei fast jedem Deiner Punkte
Einspruch erheben - das nur um klar zu machen, dass hier tatsächlich
wirklich grundlegende Differenzen begraben liegen. Gut das die endlich
ans Licht kommen.

Ich will also versuchen, statt dessen einige generelle Einwände gegen
Dein Vorgehen zu bringen:

1) Das ganze ist nichts anderes als die moderne Version der Legende
vom "guten König". Natürlich ist eine Herrschaft, die nur die
Interessen jedes Einzelnen vertritt kein Problem, nur wird es eine
solche eben nicht geben.

2) Das ist der theoretisch wichtigste Punkt: Grundsätzlich zu
kritisieren ist der "Aussenstandpunkt" den Du sehr oft einnimmst und
als "Standpunkt des Sozialsystems" oder gar der "Sozialeinheit" (ein
besonders gruseliges Wort) bezeichnest. Es gibt ihn nicht und seine
einzige Funktion ist und war in der gesammten Geschichte (insbesondere
der Moderne) die Legitimation von Herrschaft. Das betreibst Du jetzt
mit etwas postmodernem Flitter weiter. In "Empire" von Hardt/Negri ist
die Kritisierung dieses Aussenstandpunktes als "Transzendenz" vs. die
"Immanenz" der Multitude ein zentraler Punkt. Deswegen mein Tip: Lesen
(und nicht nur die Rezensionen sondern das Buch selbst).

3) "Repräsentation" ist etwas extrem problematisches. Ich finde es
gibt kaum eine größere Anmaßung als die der Repräsentation. "Wer wagt
es für mich zu sprechen?" antworte ich allen Repräsentanten dieser
Welt. Aus praktischen Erwägungen heraus kann man das Prinzip der
Nicht-Repräsentation sicherlich für sehr eng umrissene Aufgaben
aufheben, aber dann muss man immer sehr genau aufpassen, was da
passiert und es muss immer möglich sein, die Verfahren und
Institutionen zu ändern. 

4) Herrschaft bedeutet immer zeitlich dauerhaft gemachte Macht, sonst
ist sie keine. Herrschaft ist zementierte Macht und somit das
Gegenteil von Freier Kooperation und damit auch von Selbstentfaltung.
Du betrachtest quasi nur ein Foto, aber nicht den Film.

Soweit erstmal. Für mich bewegst Du Dich mit diesem Herrschaftszeugs
auf den ersten Bohlen eines grandiosen Holzwegs an dessen Ende Du
wahrscheinlich Aussenminister wirst :-(

Grüße, Benni

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