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Re: [ox] Freie Software im Empire



Hallo!

On Sat, Jul 06, 2002 at 09:55:23PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
- industrielle Arbeit

In der herkömmlichen industriellen Arbeit werden immer mehr
Tätigkeiten automatisiert, so dass ein Großteil an Tätigkeiten übrig
bleibt, der kommunikativ und abstrakt ist. Fabber bzw. Rapid
Prototyping oder auch Franz global-lokale Eigenarbeit-Netzwerke wären
ein Beispiel dafür.

Verstehe ich es richtig, daß sich der Hardt/Negri'sche Begriff der
industriellen Arbeit vor allem auf solche bezieht, die der materiellen
Produktion dient?

Also ehrlich gesagt, wird der Begriff "industrielle Arbeit" wörtlich
nicht verwendet. Für alle, die selber nachlesen wollen: Seite 300 ff.
Dieser Arbeitstypus wird aus der alten industriellen Arbeit gebildet
durch die Tendenz zur Umkehr des Verhältnisses von Produktion und
Konsumption: "Im angenommenen Extremfall wird die Ware nicht
produziert, solange der Konsument sich nicht entschieden und die Ware
noch nicht bezahlt hat." (S. 301) Das führt zu einer enormen Zunahme
an Kommunikation so dass "instrumentelles und kommunikatives Handeln
aufs Engste miteinander verwoben sind." (S.301) Allerdings geht es da
- im Gegensatz zu den weitergehenden Formen immaterieller Arbeit -
noch um eine sehr eingeschränkte Form von Kommunikation, nämlich die
oure Übermittlung von Marktdaten.

- abstrakte Arbeit

Noch weiter geht die Immaterialisierung bei der abstrakten Arbeit.
Dieser Arbeitstypus ist aufs engste mit dem Computer verbunden. Arbeit
ist nur noch kommunikativ-vernetzte Symbolverarbeitung. Programmieren
fällt sicher darunter.

Kann ich mir was drunter vorstellen ;-) . Machen wir hier so etwas
auch?

Denke schon, ja. Wobei sicher auch affektive Arbeit dabei ist.

- affektive Arbeit

Darunter sind alle Arbeiten zu verstehen, die Gefühle oder Identitäten
produzieren. Darunter fällt Hausarbeit und Krankenpflege genauso wie
Werbung und Showbusiness.

Hmm... Ich würde Werbung und Showbusiness dann aber eher unter die
abstrakte Arbeit zählen, weil es hier letztlich im wesentlichen auch
um Symbolproduktion und -verkauf geht. Ist [füge hier den aktuellen
Pop-Star ein] nicht nur noch ein Symbol und nix weiter? Wie hieß noch
[der aktuelle Pop-Star von vor zwei Jahren]?

Wichtig wäre mir die Unterscheidung - ganz wertkritisch - weil ich die
andere unter diesem Begriff gefaßte "Arbeit" tendenziell eher als
menschliche Tätigkeit bezeichnen würde, die eben keine "Liebesarbeit",
"Trauerarbeit", etc. pp. ist, sondern ein Ausdruck von Gefühlen.

Wird da im Buch differenziert? Oder verstehe ich da was falsch?

Tja, das ist ein Knackpunkt. Ich vermute mal, dass Negri/Hardt einen
anderen Arbeitsbegriff haben als die Wertkritiker. Bei ihnen ist alles
Arbeit, weil alles Produktion ist. Für eine postoperaistische
Sichtweise auf Produktion siehe
http://www.copyriot.com/unefarce/no4/tarde.html.

Am Schluss des Buches gibt es ein Kapitel, das beschreiben soll, wie
das Empire untergehen wird oder vielmehr bereits schon untergeht. Die
Multitude kommt zu sich selbst, wird sich ihrer bewusst und entledigt
sich der parasitären Herrschaft des Empire. Dies geschieht im Prozess
der Durchsetzung dreier Rechte. Der Begriff des "Rechts" ist dabei mit
vorsicht zu geniessen, da es in diesem Fall nicht wirklich einen
Adressaten gibt, von dem man diese Rechte einfordern könnte. Das
Empire taugt ja mangels Zentrum gerade nicht als Adressat. Es geht
also auch hier wohl eher um einen netzwerkartig verlaufenden Prozess.

Dann finde ich diese Diktion sehr unpassend. Bei "Recht auf
irgendetwas" kommen mir sofort Bilder hoch, die zwar sehr gut ins alte
System passen, aber bei einer Keimform nur als Abwehr von
Übernahmeversuchen dienen während das Innere ganz anders funktioniert.

Vielleicht sollten diese drei eher als Ziele beschrieben werden? Das
hätte dann auch mehr den Zungenschlag, das - ganz multitudig - jedeR
selbst was tun kann - und nicht nur Forderungen stellen.

"Ziel" wiederum würde den Aspekt, dass es sich um einen sozialen Kampf
handelt, abwerten. Und darum geht es den Autoren ja gerade. In der
Praxis der Durchsetzung der Rechte gegen das Empire findet die
Multitude zu sich. 

"Das Recht auf Wiederaneignung"

In dieser Perspektive ist Freie Software geradezu _das_ Paradebeispiel
für Wiederaneignung und die Kämpfe um (Software-)Patente und
Intelectual Property Rights sind die zentralen sozialen Kämpfe um
dieses Recht.

Hmm... Das "Wieder" stört mich hier. Oder kann das für Freie Software
untermauert werden?

Natürlich. Software war ja frei bevor sie proprietarisiert wurde.

"Das Recht auf einen sozialen Lohn"

Das finde ich natürlich superschwach. Eine fehlende Orientierung auf
eine Gesellschaft jenseits des Geldes ist für mich heute ein
Kill-Kriterium für eine emanzipatorische Vision.

Die Blickrichtung ist halt eine andere. Man guckt von heute aus und
nicht von der Perspektive aus. Du setzt bestimmte Wahrheiten, nämlich
in dem Fall "Es darf kein Geld geben" und von denen aus beurteilst Du
die Aktionen heute. Negri/Hardt gehen umgekehrt vor. Das ist wieder
der prinzipielle Unterschied zwischen Wertkritik und Postoperaismus.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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