Re: [ox] Re: Doppelt Freie Software
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Mon, 15 Apr 2002 12:39:34 +0200
Hi ThomasB et al,
Thomas Berker wrote:
Ich führe mal den Begriff der Doppelt Freien Software ein um sie von
der kommerziellen / im Auftrag erstellten Freien Software abzugrenzen.
Die Idee finde ich gut, den Begriff aber noch nicht, weil das "doppelt
freie" keine Eigenschaft der Software wie das "einfach freie"
(Copyleft) ist, sondern eine des Produktionsprozesses: man sieht der
FS nicht an, wie sie hergestellt wurde (jedenfalls nicht generell)
Es gaebe noch eine andere Sicht auf den Zusammenhang zwischen "Werk"
(hier also das Stueck Software), Produktion und Konsumption (der
Gebrauch) in der "doppelt freien" Software. Demnach waere die Grenze
zwischen allen drei Bereichen schwaecher, das "Werk" dynamischer (nie so
richtig fertig und stets anpass- und veraenderbar), die Konsumption und
die Produktion enger miteinander verkoppelt. Das ist die Folge aus
Prinzipien, wie "release early, relaese often" und der damit
zusammenhaengenden kontinuierlichen "Peer Review" ebenso wie aus dem
eigenen Bedarf fuer das Produkt ("developer's personal itch"). Und nicht
zuletzt sind offene Quellen natuerlich die Einladung, das Produkt
weiterzuproduzieren.
Dies fuehrt mich zu einer These, die vielleicht sogar zu einer Aufhebung
der zwei von euch genannten Freiheiten fuehrt. Freie Software waere dann
nur noch "einfach" frei.
These:
Die _tendenzielle_ Aufhebung zwischen Produktion und Konsumption
enthaelt Freiheit/Befreiung. Diese These setzt allerdings zweierlei voraus:
Das ich anders: Es ist kein Automatismus.
a) auf der User-Ebene (Konsumption)
dass wir akzeptieren, dass strukturelle Zwaenge in Produkte
eingeschrieben werden koennen. Beispiel: Klagen darueber, dass Microsoft
Office mich _zwingt_, dies und jenes zu tun. Wenn ich das Produkt
ko-produzieren kann (dank offener Quellen z.B.), dann kann ich mich von
den Zwaengen befreien.
b) auf der Produzentenebene (Produktion)
dass wir anerkennen, dass Produktion, die sich nach anderen Interessen
als denen der Produzierenden ausrichtet, tendenziell zwangshaltig ist.
"Interessen" ist hier in seinem weitesten Sinn gebraucht, materiell,
aber von mir aus auch immateriell, das ist diskutabel. Wichtiger ist in
dem Zusammenhang hier, dass die Gefahr einer derartigen "Entfremdung"
minimiert ist je niedriger die Barriere zwischen Produktion und
Konsumption ist.
Dem Produkt, also der Software sieht man diese einfache Freiheit dann
halt doch an, entweder es kommt als geschlossene Blackbox, also als
fertiges Produkt oder es laesst die Box offen und legt die Quellen bei.
Hm, das setzt aber die "Wertfreiheit bzw. "Zeitfreiheit" nicht notwendig
voraus. Das geht auch mit "einfach freier Software (im alten Sinne)".
Mehr noch: Das Absenken der Barriere zwischen Produktion und Konsum
bedeutet IMHO nicht automatisch eine Minimierung der Entfremdung, wenn
der dahinterstehende Zweck ein dritter ist: Geld zu machen. Dann sind
bestimmte Bedürfnisse - in Produktion und Konsum - eben schlicht nicht
realisierbar, weil sie nicht der Rationalität der Warenproduktion
unterliegen.
Ciao,
Stefan
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