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Re: [ox] Was hat Linux eigentlich im Bundestag zu suchen?



Hi Thomas und Liste!

Last week (7 days ago) Thomas Berker wrote:
Nach der zugegeben auch von meiner Seite reichlich verbiesterten
Aufklaerungs- und Machtkritik habe ich  da mal eine voellig unverbiesterte
Frage.

:-) . Wir versuchen's ja jetzt alle wieder im unverbiesterten Modus -
macht mir zumindest auch mehr Spaß.

Ich will dem von Ralf und Benni gesagten noch ein paar Sachen
hinzufügen.

Also: Ist nicht eine wirklich spannende Lehre aus Freier Software, dass im
Zusammenfallen von Usern und Produzenten eine wirklich neue Produktionsform
entstanden ist?

Ich denke, daß du diesen Aspekt zu sehr betonst. Du argumentierst
letztlich in die Richtung, das Spezialisierung in Freier Software
tendenziell aufgehoben ist und die Leute wieder in
(Hi-Tech)-Subsistenz gehen. Das halte ich für völlig daneben.

Wenn ja, dann stellt sich die Frage, ob dies nicht
aufgegeben wird in dem Masze, in dem z.B. GNU/Linux denen nahe gebracht
wird, die den Computer als Black Box sehen wollen, z.B. Parlamentariern.

BTW: Diesen Effekt gibt es m.E. seit der Popularisierung von GNU/Linux
Ende der 90er.

Erklaerung:

Ausgangsthese: Historisch ist Freie Software dadurch entstanden, dass ein
paar Programmierer sich ihre eigenen Werkzeuge gebaut haben und sie
untereinander teilten und kontinuierlich nach ihren Beduerfnissen
verbesserten (mittels _Peer_-Review). Bei Raymond ist das (glaub ich) der
"common itch", der genug Leute motiviert mitzumachen. Dadurch wird
natuerlich ziemlich "gute" Software gebaut, denn wer koennte besser
entscheiden was er oder sie braucht als der User selbst und wer koennte es
besser umsetzen?

Ich denke hier ist dein Denkfehler. Du postulierst, daß Freie Software
deswegen besser ist, weil die EntwicklerInnen das ganze
BenutzerInnenwissen haben - weil sie selbst die BenutzerInnen sind.
Das ist ein Aspekt, halte ich aber für nebenrangig.

Wichtiger scheint mir, daß ein (möglicher) Ausfluß von
Selbstentfaltung ist, eine möglichst hohe Produktqualität zu erzielen.
Im Produktivkraftmodell der letzten Epoche hieß das dann wohl
Handwerkstolz. Im Gesellenstück finden sich noch Anklänge daran.

Die Produktqualität richtet sich aber natürlich nicht nur nach den
eigenen Bedürfnissen sondern denen der realen BenutzerInnen. Und ich
halte es für keinen Widerspruch zur Selbstentfaltung, für andere etwas
möglichst Nützliches zu produzieren, das mensch selbst gar nicht
ausgiebig nutzt.

Wenn GNU/Linux als Server weite Verbreitung findet, dann bleibt das noch
einigermassen im Rahmen dieser Geschichte, Administratoren (die hier die
eigentlichen User sind) werden hauefig ziemlich technisch begabt sein
(hoffentlich). Aber wenn GNU/Linux aufs Desktop im Bundestag (oder sonstwo
in einem nicht-technischen Umfeld) kommt (was es ja jetzt nicht tut), dann
ist die Spaltung zwischen Usern und Programmierern wieder da. Und
ploetzlich muessen dann Features von den Produzenten eingebaut werden, die
sie selbst fuer Bloedsinn halten, was sicher nicht der Selbstentfaltung
Vorschub leistet. Und vielleicht auch nicht der Guete.

Dies geht in die Richtung dessen, was momentan im "Doppelt Freie
Software"-Thread verhandelt wird. Der Knackpunkt ist hier das Müssen.
Wer muß hat ein Problem. Wer es aus Selbstentfaltung tut, hat keins.
Verkürzt aber so in etwa.

Steckt hier also _tendenziell_ ein Problem? Je weiter Freie Software sich
ausbreitet, desto mehr verliert sie ihre eigentliche Staerke? Muss Freie
Software in Sachen Features nun Microsoft-Produkten hinterher rennen, weil
sie um Marktanteile "konkurrieren" will?

Freie Software muß gar nichts. Sie ist selbst der Strom, der breit und
stark dahinfließt.

Wenn einzelne rennen wollen, dann steht ihnen das natürlich Frei.

Wer genau braucht ein
Office-Paket, wo es doch Tex gibt?

Ich z.B. ;-) .

6 days ago Thomas Berker wrote:
Wo hoert nur-Anwenden auf, wo beginnt Produktion im Bereich von Software?
Schliesslich wendet ja noch der/die tollste HackerIn Tools an, ist
Nur-AnwenderIn von bestimmten Maschinen innerhalb der Universalmaschine und
moechte sich nicht mit irgendwelchen Interna dieser Black Boxes herumstreiten.

Diese Frage scheint mir fuer deine Argumentation recht wichtig,
schliesslich meinst du wahrscheinlich nicht, dass z.B. Skins, die das
Aeussere von Programmen veraendern, schon Produktion ermoeglichen. Oder?
Toffler, auf den du dich mit dem ProsumentInnen-Zitat beziehst, wuerde das
allerdings sehr wohl miteinbeziehen.

Gabs das schon mal hier auf der Liste?

Verstreut hatte ich wohl immer mal wieder auf das Phänomen der
Konfiguration hingewiesen. Konfiguration, die mir bei Software ein
viel wesentlicher Aspekt scheint als bei anderen Produkten (vielleicht
liegt das aber auch an deren Warenform?), liegt irgendwo zwischen
Produktion und Konsumtion.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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