[ox] Was hat Linux eigentlich im Bundestag zu suchen?
- From: Thomas Berker <thomas.berker hf.ntnu.no>
- Date: Tue, 02 Apr 2002 13:58:17 +0200
Hallo!
Nach der zugegeben auch von meiner Seite reichlich verbiesterten
Aufklaerungs- und Machtkritik habe ich da mal eine voellig unverbiesterte
Frage. Und wenns das schonmal gab auf der Liste bin ich fuer den Link dankbar.
Also: Ist nicht eine wirklich spannende Lehre aus Freier Software, dass im
Zusammenfallen von Usern und Produzenten eine wirklich neue Produktionsform
entstanden ist? Wenn ja, dann stellt sich die Frage, ob dies nicht
aufgegeben wird in dem Masze, in dem z.B. GNU/Linux denen nahe gebracht
wird, die den Computer als Black Box sehen wollen, z.B. Parlamentariern.
Erklaerung:
Ausgangsthese: Historisch ist Freie Software dadurch entstanden, dass ein
paar Programmierer sich ihre eigenen Werkzeuge gebaut haben und sie
untereinander teilten und kontinuierlich nach ihren Beduerfnissen
verbesserten (mittels _Peer_-Review). Bei Raymond ist das (glaub ich) der
"common itch", der genug Leute motiviert mitzumachen. Dadurch wird
natuerlich ziemlich "gute" Software gebaut, denn wer koennte besser
entscheiden was er oder sie braucht als der User selbst und wer koennte es
besser umsetzen?
Wenn GNU/Linux als Server weite Verbreitung findet, dann bleibt das noch
einigermassen im Rahmen dieser Geschichte, Administratoren (die hier die
eigentlichen User sind) werden hauefig ziemlich technisch begabt sein
(hoffentlich). Aber wenn GNU/Linux aufs Desktop im Bundestag (oder sonstwo
in einem nicht-technischen Umfeld) kommt (was es ja jetzt nicht tut), dann
ist die Spaltung zwischen Usern und Programmierern wieder da. Und
ploetzlich muessen dann Features von den Produzenten eingebaut werden, die
sie selbst fuer Bloedsinn halten, was sicher nicht der Selbstentfaltung
Vorschub leistet. Und vielleicht auch nicht der Guete.
Steckt hier also _tendenziell_ ein Problem? Je weiter Freie Software sich
ausbreitet, desto mehr verliert sie ihre eigentliche Staerke? Muss Freie
Software in Sachen Features nun Microsoft-Produkten hinterher rennen, weil
sie um Marktanteile "konkurrieren" will? Wer genau braucht ein
Office-Paket, wo es doch Tex gibt?
Soziologisch verquaster, aber ausfuehrlicher habe ich das letztes Jahr hier
versucht auszudruecken:
http://www.informatik.uni-frankfurt.de/~berker/publications/software-wissen.html
mgug (mit gaenzlich unverbiesterten Gruessen)
Thomas B
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de