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[ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"



Hallo Petra und andere Aufgeklärte,

On Fri, Mar 08, 2002 at 04:53:54AM -0500, RAUNHAAR aol.com wrote:
 Ausserdem sehe ich auch nicht, wieso ich damit, dass ich die
 Aufklärung nicht komplett verdamme, gleich das bürgerliche Subjekt als
 Emanzipationsträger (was natürlich heute Unsinn ist) mit einkaufen soll.

Lieber Benni,
das mit dem "Bürgerlichen Subjekt" ist in der Tat Tautologie, weil m.E. nur 
in der bürgerlichen Gesellschaft das "Subjekt" existiert. Und "verdammen" 
führt auch nirgends hin, weil die Aufklärung (in Wechselwirkung mit 
gesellschaftlichem Handeln) ja stattgefunden hat und u.a. insoweit auch meine 
Elaborate "hervorbringt". 

Wenn nun aber Emanzipation möglich ist, dann kann sie auch unter
aufgeklärten Bedingungen stattfinden und da Aufklärung heutzutage mit
der Muttermilch aufgesogen wird, _muss_ sie auch _mit_ Aufklärung
funktionieren und nicht _nur_ gegen sie.

Das Emanzipation möglich ist, hat für mich tatsächlich so etwas wie
den Status eines Axioms (buh, schon wieder böse Aufklärung ;-), da
zwar einiges dafür spricht, man es aber nicht beweisen kann.

Wenn ich Dich richtig verstehe (vielleicht liege 
ich völlig daneben), weist Deine teilweise Affirmation der "Aufklärung" in 
die Richtung, daß Du den empanzipatorischen Gehalt darin siehst, daß der 
einzelne Mensch sich nicht mehr ausschließlich/vorrangig als Teil einer 
Gruppe betrachtet, sondern aus seiner jeweils auch für das einzelne 
Individuum geltenden conditio humana heraus - sozusagen naturwüchsig - in der 
Lage ist, den Irrsinn der durch die bürgerliche Vernunft hervorgebrachten 
Verhältnis emanzipatorisch zu wenden. 

Jein :-)

Also ich würde das mit der kritischen Psychologie (Modulo mangelnde
Lektüre) schon so weit mitgehen, dass es eben die _Möglichkeit_ zur
Emanzipation gibt und zwar immer. Naturwüchsig ist daran für mich nix
und die "biologische" Begründung der kritischen Psychologie hab ich
immer noch nicht verstanden und ist mir auch immer noch etwas suspekt.

Letzteres impliziert, daß die Vernunft 
sich gegen die eigene Vernunft richtet, was wiederum bedeutete, daß frau/man 
ihre/seine Subjekthaftigkeit in Frage zu stellen hätte. Mit anderen Worten 
würde das so gehen: Weil ich "aufgeklärt" vernünftig bin, bin ich in der Lage 
zu erkennen, daß meine Vernunft gar keine vernünftige ist. 

Ja, das klingt richtig. Und es ist auch nicht so widersprüchlich, wie
es vielleicht klingen mag, da es immer Prozesse gibt, die an ihrer
eigenen Dynamik zugrunde gehen. Aufklärung ist auch sowas. Worin sich
das dann umwandelt ist eben offen, das kann, muss aber nicht
emanzipatorisch sein.

Wenn ich das 
richtig sehe, wird hier in der Liste diese Problematik oft dahingehend 
entsorgt, daß der Mensch ansich, so wie z.B. von Holzkamp postuliert, dieser 
"eigentliche" (vernünftige?) Emanzipator seiner selbst ist/sein könnte. 

Zwischen "ist" und "sein könnte" liegen da für mich aber Welten.

Ich würde auch nie sagen, dass Vernunft der Antrieb zur Emanzipation
ist, sie kann (und muss hier&heute) ein Mittel dazu sein, dass schon.

Damit 
wird aber m.E. der gesellschaftskonstiuierende "Teil" der politischen 
Ökonomie naturalisiert und ins transhistorisch Ontologische verlegt, 

Wieso das? Individuen sind immer gesellschaftlich und Gesellschaft
immer individuell, also gibt es zwar eine Kraft der "politischen
Ökonomie" auf die Individuen, aber diese können sich immer dazu
verhalten ... und dieses dazu verhalten ist wiederum immer
gesellschaftlich. Wenn es anders wäre, bliebe wieder nur einpacken.

Oder meinst Du damit, dass Gesellschaft doch erst konstituiert werden
müsste und nicht immer schon da ist?

so daß 
man sich frank und frei unverzüglich der eigentlichen materiellen 
(Re-)Produktion zuwenden kann, die damit gleichzeitig als einzige die 
Gesellschaftlichkeit bedingende und tragende Voraussetzung gesetzt ist. 

Öh, den Sprung seh ich jetzt nicht so recht. Kann Dir mal wieder nicht
folgen :-(

Das 
ist aus meiner Sicht dann eine Form von Produktionsmaterialismus, der den 
Materialismus der gesellschaftlichen Beziehungen außer Acht läßt und - unter 
Mithilfe eines ontologischen Menschenbildes - zum Ergebnis kommt, daß sich 
"dann" schon alles irgendwie ziemlich automatisch finden wird. 

Bei Stefan Mn.s Mails hab ich genau diesen Eindruck auch oft. Aber
sonst eigentlich bei niemandem. Und auch bei ihm hab ich den Eindruck,
dass er das so nun auch wieder nicht unterschreiben würde, aber dazu
müssten wir ihn selber fragen. Stefan?

Grüße, Benni
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