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Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"



At 19:38 05.03.02 -0500, RAUNHAAR aol.com wrote:
Advocatus diaboli: Ist die Selbstwahrnehmung als "Subjekt" oder "Individuum"
im modernen Sinne nicht auch genau die Identität mit der vorstrukturierten
sozialen Rolle? Hatten die vorkapitalistischen Gesellschaften keine
"politische Ökonomie" (wenn auch eine andere mit anderen Fetischen)? Gibt es
eine Hierarchie von Vernünften, in welcher unsere irgendwie weiter "oben"
rangiert? Ist sekularisierte Religion keine Religion? Können wir die
Meta-Physik vergangener Zeiten so hautnah denken, daß wir wissen, wie sich
die Leute gefühlt haben?

Advocatus diabolissimi: Sind nicht auch gerade Bereiche, wie "Empathie, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Wut, Haß, Sorge, Fürsorge, alltägliche 'Konsumption' etc. etc." (aus deiner vorletzten Mail) als "das ganz Andere" des Buergers immer nur seine Konstruktion? Er mag es manchmal fuerchten, manchmal sehnsuechtig anschwaermen, aber immer formt er es nach seinem Gegenbilde. Es ist nur, damit er es nicht ist. Er ist nur, damit er es nicht ist. Er sieht es ueberall, die ganze Welt ist ihm entweder er selbst oder das ganz Andere. Was sich nicht dem Schema fuegt, ist unrein und ist zu reinigen, wenns sein muss mit nie, nie dagewesener Gewalt. Wir haben ein paar Jahrhunderte dieser Reinigung hinter uns, viel ist nicht uebrig geblieben, dazu ist des Buergers Kriegsapparat zu effizient. Und er macht ihn immer besser.

Wildekinderfrauen, die sind das ganz Andere. Vor denen graut ihm, zu denen zieht es ihn und nur als das existieren sie. Das Abgespaltene, Unterdrueckte, das Andere freilich kommt so wirklich in die Welt und ist ebenso erbaermlich anzusehen wie der Buerger selbst. Immerhin gesteht der Buerger seinesgleichen einige Rechte zu, Menschenrechte: Insofern lebt es sich deutlich besser wenn man ihm aehnlich ist, sich nach seinem Bilde zu emanzipieren macht durchaus Sinn heutzutage.

Ich schreib das, weil ich gerade an Versuchen rumarbeite, die die alltaegliche Konsumption auf ihr Widerstandspotential abklopfen. Historisch haut das fuer das 18. Jh. noch leidlich hin (wunderschoener Artikel von EP Thompson zu den Englischen Food Riots), danach werden die Beschreibungen immer duenner. Vielleicht weils da nichts zu beschreiben gibt?

Was schade ist.

Thomas

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