Re: [ox] Notizen zur Selbstentfaltung
- From: Benni Baermann <benni obda.de>
- Date: Thu, 14 Feb 2002 16:01:25 +0100
Hallo Stefan und der ganze Rest!
On Thu, Feb 14, 2002 at 12:36:22PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
wie schon deine Befreiungsthesen gefallwn mir die Notizen ziemlich gut -
auch gerade, weil es Aspekte betont, die ich vernachlässige.
Danke für die Blumen. Und insbesondere Danke für das schnelle Repley,
da ich da grad auch noch an meinem Vortrag feile ...
Selbstentfaltung bedeutet nicht Abwesenheit von Konkurrenz.
Macht es nicht Sinn, zwei Formen von Konkurrenz auch sprachlich zu
unterscheiden. Setzt voraus, du siehst es als zwei Formen an:
(a) "Konkurrenz" unter Bedingungen des sich-auf-Kosten-anderer-Durchsetzens
Das ist genau das, was ich als "Kooperation in Konkurrenzatmosphäre"
bezeichne.
(b) "Konkurrenz" unter Bedingungen der kooperativen Selbstentfaltung wie
du sie hier definierst.
Das ist genau das, was ich als "Konkurrenz in Kooperativer Atmosphäre
bezeichne.
Wenn du es nicht unterscheidest, dann bekommt "Konkurrenz" einen
naturalen Touch: Sich konkurrent verhalten als Natureigenschaft des
Menschen.
Ne, bloss nicht. Ich unterscheide es doch gerade.
"Natürlichen" Touch vielleicht nur insoweit, dass ich mich immer im
Spektrum von Kooperation und Konkurrenz - die dabei aber immer
zusammen vorkommen - verhalten muss. Aber das leuchtet ja auch ein,
oder? Es mag natürlich sein, dass im asymptotischen Utopia das dann
beides so sehr ineinander fällt, dass die Unterscheidung uninteressant
wird, keine Ahnung.
Aber ist der Kern der Konkurrenz nicht der Wunsch, die eigenen
Handlungsmöglichkeiten zu erweitern? Und das geht unter unseren
Bedingungen eben nur auf Kosten anderer (was impliziert: auch auf eigene
Kosten), unter Selbstentfaltungsbedingungen nur mit den Anderen, die ich
für meine Entfaltung brauche.
Genau. Konkurrenz _mit_ den anderen ;-)
Kooperation und Konkurrenz stehen immer in einem dialektischen
Verhältnis zueinander, sie bedingen sich gegenseitig, obwohl sie sich
auszuschliessen scheinen. Man kann nicht konkurrieren, wenn man sich
nicht wenigstens vorher darüber geeinigt hat, worum konkurriert wird
und man kann nicht kooperieren, wenn man nicht prinzipiell jederzeit
die Möglichkeit hat, die Kooperation wieder aufzukündigen (siehe dazu
den nächsten Abschnitt). Ich beschreibe es immer so, dass heute
Kooperation in Konkurrenzatmosphäre vorherrscht und das in einer
Selbstentfaltungsgesellschaft Konkurrenz in einer kooperativen
Atmosphäre wirken würde. Und das ist genau das selbe, wie wir es von
Spielen kennen. Man kooperiert in dem man sich gemeinsame Regeln wählt
(nicht: diktiert kriegt!) und konkurriert dann innerhalb dieses
Rahmens. Wenn zwei freie Softwareprojekte im Wettstreit liegen,
passiert genau das. Man ist sich einig darüber, dass Software frei
sein sollte und hat trotzdem unterschiedliche Vorstellungen, die man
in spielerischer Konkurrenz auslebt.
Na, hier nennst du es jetzt schon selbst "spielerische Konkurrenz", was
sich anhört wie "nicht wirklich echt".
Hm, wenn sich das so anhört, dann bedarf der Absatz noch gründliche
Überarbeitung. Es mag vielleicht ein bisschen daran liegen, dass in
der original-lyx-Datei "spielerisch" kursiv gesetzt war, aber das wäre
eine ziemlich flache Ausrede. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist
ein Verständnis von "Spiel" und dann eben auch "spielerisch" im Sinne
meines Lieblingszitat von Schiller: "Denn um es endlich auf einmal
herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des
Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." (Über
die ästhetische Erziehung des Menschen)
Das wäre dann eben gerade sehr "echt".
Die "Echte" wäre dann die
unterbutternde Konkurrenz? Ist aber "echt" bei der Freien Software, denn
es geht um die maximale Entfaltung der eigenen Möglichkeiten,
Kenntnisse, Fähigkeiten usw. - Nur eben nicht auf Kosten anderer.
Womit dann diese Überlegungen hinfällig wären.
1. Beziehungen, die auf Selbstentfaltung basieren, können nicht auf
Zwang basieren, deshalb muss jedem Mitglied der Kooperation zu
jederzeit ermöglicht werden die Kooperation zu verlassen.
Wenn meine Unterscheidung personale vs. gesamtgesellschaftliche
Kooperation zutrifft, und es stimmt, dass man aus letzterer nicht
aussteigen kann,
dann kann man den Zusammenhang doch so formulieren: Die
gesamtgesellschaftliche Kooperation muss so funktionieren, dass jeder
Mensch bedingungslos in ihr leben kann und sie somit die universale
Vorausetzung dafür ist, aus personalen Kooperationen jederzeit
aussteigen zu können.
Ja, meine Rede. Hab ich hier nur nicht hingeschrieben, mach ich aber
noch.
Kürzer: Die GPL-Gesellschaft, in der Geben und Nehmen entkoppelt sind,
als Voraussetzung für die freie Kooperation.
Hm, ja. Wobei die grosse Frage eben gerade ist, ob eine Gesellschaft
auf der Basis von Selbstentfaltung dazu in der Lage ist, diese
Bedingungen zu gewärleisten.
2. Wo Selbstentfaltung herrscht darf es keine sakrosankten Regeln
geben, denn dies würde Aufklärung ganz im oben genannten schlechten
System-Sinne sein. Wer sakrosankte Regeln setzt weil er meint, damit
alle Selbstentfaltungsbedürfnisse abdecken zu können, hat schon
verloren.
Auch gabs ja Dissenz bzgl. der Frage, ob wir nicht doch sakrosankte
Regeln brauchen - v.a. von StefanMn vorgebracht (CMIIW ->
http://coforum.de?Oekonux-Abk%FCrzungen;-)).
Ja, hab ich auch so in Erinnerung.
Ist dieser Dissenz nicht
dahingehend aufhebbar, dass eben auf dieser unhintergehbaren Ebene der
gesamtgesellschaftlichen Kooperation die Voraussetzung, dass jeder gut
leben kann, - faktisch, nicht als "Recht" - sakrosankt ist? Dass es
damit auf der Ebene der personalen Kooperation eben keine sakrosankten
Regeln geben kann.
Ja, könnte man vielleicht so sagen. Von mir aus Ok, wenn Stefan Mn.
jetzt auch noch zustimmt, sind wir am Ende doch noch alle einer
Meinung ;-)
Dies letztlich deswegen, weil es die Selbstentfaltung
und die freie Kooperation ist, die gesamtgesellschaftlich die
Verhältnisse erzeugt, die wir als Bedingung für Selbstentfaltung und
Freie Kooperation brauchen. Selbstreferenziell sozusagen. Kann mir noch
jemand folgen?
Ja. Jetzt schon. Musste es allerdings mehrfach lesen. Kann man das
vielleicht folgendermassen zusammenfassen?
Freie Kooperation ist eine Bedingung für Selbstentfaltung und
umgekehrt!
Das wäre jetzt mal was neues :-)
3. Die dritte Bedingung Freier Kooperation ist der ``faire
Scheidungspreis''. Dies macht sehr wohl Sinn unter den Bedingungen der
Wertverwertung weil nur so innerhalb der Werttotalität Freiraum
geschaffen werden kann. Dies macht allerdings keinen Sinn mehr, wenn
die Vergesellschaftung nicht mehr über Wert organisiert wird. Ganz
ähnlich übrigens, wie die GPL in der GPL-Gesellschaft nicht mehr
gebraucht wird, weil sie ein Mechanismus ist, die Keimform zu
verteidigen. Genauso auch der faire Scheidungspreis.
Genau, das ist es, was ich oben meine. Ob allerdings der faire
Scheidungspreis den gleichen Status hat wie die GPL, bezweifele ich.
Inwiefern? Was unterscheidet sie denn?
Grüße, Benni
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