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Re: Umsonstlaeden (was: Re: [ox] Schenken?)




Hi Benni, Stefan et al,

On Thu, Jan 31, 2002 at 11:05:01PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Eine Ähnlichkeit zu Freier Software besteht offensichtlich in der
Entkopplung von Geben und Nehmen. Allerdings ist die zumindest im
beschriebenen Fall durchaus nicht so stark, wie das in der Freien
Software ist: Nach einem halben Jahr wird sozialer Druck eingesetzt,
damit die Reziprozität und damit das Tauschprinzip wenigstens
symbolisch gewahrt bleibt. Auch wenn in der Freien Software immer mal
wieder Ähnliches gesagt wird, ist das faktisch jedoch nicht so und
läßt m.E. nur auf eine gewisse Kleinmütigkeit schließen.

Na ja, aber in der freien Software sind auch von allem beliebig viele
Kopien zu haben. Stellen wir uns mal vor, wir hätten eine Umsonstfabrik
die massenweise Jeans für Umsonstläden fabriziert (wie das laufen könnte
ist hier wurscht, es ist ein Gedankenexperiment). Es gibt so viele
Jeans, dass immer mehr auf Lager sind, als nachgefragt werden (aber
nicht so viele, dass man sie wegschmeißen müsste). Wenn Anna ein halbes
Jahr lang immer wieder Jeans mitnimmt, würden die BetreiberInnen sie
fragen, ob sie nicht auch mal was mitbringen will? Wohl kaum. Erst wenn
sie auch die sonstigen, nicht massenweise vorhandenen Angebote im
Umsonstladen (Aquarien, Farbfernseher, was nicht alles) nutzt, käme
diese Frage auf. Gedankenexperiment Ende.

Der Punkt ist also, dass viele der im Umsonstladen (hoffentlich)
angebotenen Dinge in unserer Gesellschaft durchaus knapp sind
(wahrscheinlich oft gemacht werden, aber darauf haben die Läden ja
keinen Einfluss). In der Freien Software gibt es keine Knappheit, weil
es keine Begrenztheit gibt. Was bei der FS kleinmütig ist, kann also bei
den Umsonstläden durchaus eine sinnvolle Funktion haben. Das hat nicht
notwendigerweise mit der Verwertungsmöglichkeit zu tun.

Damit meine ich nicht, dass die LadenteilnehmerInnen darauf bestehen
sollten, das Leute genau so viel in den Laden geben, wie sie mitnehmen
(das würde IMHO die Idee negieren). Meine Überlegungskette ist eher so:

1. Weil die angebotenen Güter eine gewisse Knappheit besitzen, nimmt das
Mitnehmen dieser Güter die community, die sie bereit gestellt hat, in
Anspruch. Das ist der Unterschied zur Freien Software: tausend Downloads
nehmen die ProgrammiererInnen-community (egal wie klein sie ist)
überhaupt nicht in Anspruch, es 'geht nichts verloren.' Tausend
Mitnahmen aus einem selbst gut bestückten Umsonstladen schmälern dessen
Angebot doch ganz erheblich. Damit will ich nicht sagen, das sei
grundsätzlich schlimm oder so, nur feststellen: es ist der Fall.

(Und: es liegt nicht an der Materialität der Güter, die im Umsonstladen
vergeben werden. Die Gedankenexperiment-Jeans sind auch materiell, aber
eben im Überfluss vorhanden. Da ist der wichtige Unterschied--
Vorhandensein im Überfluss können die Umsonstläden mit ihrem
Altes-vorbeibringen-Konzept nicht leisten.)

2. Weil das Mitnehmende die Laden-community mit dem Mitnehmen in
Anspruch nimmt, und weil das Ganze auf persönlichem Kontakt beruht (das
Netz nehme ich mal aus), formt sich eine ganz bestimmte soziale
Beziehung zwischen Ladencommunity und Mitnehmendem: jemand tut aktiv
etwas für jemand anders (im Gegensatz zum Downloaden freier Software,
das völlig anonym ist und bei dem das Anbietende nichts unternehmen muss).

3. Es sollte selbstverständlich sein, dass man etwas, was (aktiv) für
eins getan wird, irgendwie anerkennt. Wenn ich eine Website nutze,
schreibe ich dem BetreiberIn nicht automatisch eine Mail, wenn mir die
Seite weitergeholfen hat: es hat ja nichts speziell für mich getan. Wenn
ich auf einer Liste eine Frage gestellt habe, und ich bekomme eine
hilfreiche Antwort, dann schreibe ich sehr wohl automatisch eine
Dankesmail, weil das Antwortende persönlich etwas für mich getan hat. So
ähnlich ist das eben auch im Umsonstladen: Die community hat etwas für
mich getan, und ich tue etwas, um das anzuerkennen.

Das heißt nicht, dass ich wertmäßig etwas zurückgebe. Das heißt auch
nicht, dass ich einzelne Personen be-/entlohne. Das ist einfach ein
sozialer Prozeß, in dem ich, wenn ich eine freundliche Atmosphäre für
alle haben will, darauf achte, dass wenn etwas für mich getan wird ich
zeige, dass ich das zu schätzen weiß-- so dass sich das andere nicht
ausgenutzt fühlen muss. Anderes Beispiel (aus dem Kopf erzählt, über die
Details bin ich unsicher): An einer Schule organisiert eine Lehrerin
regelmäßig Kaffee und Kekse für alle, die kommen; viele KollegInnen
nutzen das Angebot. Es wird nichts 'im Tausch' erwartet. Aber einige der
KollegInnen bringen ein-, zweimal im Jahr eine Tüte Kaffee mit. Das
kompensiert sicherlich nicht für Arbeit und Kosten, aber darum geht es
nicht: Es geht darum, Aufmerksamkeit zu zeigen.

Ich denke, darum geht es letztlich auch bei der Nutzung der
Umsonstläden. Dass manche vielleicht Sachen mitnehmen, um sie zu
verkaufen, mag auch als Problem wahrgenommen werden (habe ich weiter
unten im Text so verstanden), aber bei dem 'nach einem halben Jahr schon
mal fragen' habe ich eher den Eindruck, es geht um die Frage, ob jemand
vermittelt, die 'Leistung' der Laden-community zu schätzen zu wissen.
Das kann man dadurch ausdrücken, selber mal was Altes vorbeizubringen,
aber es gibt durchaus auch andere Möglichkeiten (Kaffee für die
Kaffeemaschine ;-) ).

Quintessenz: Mir scheint gerade auch durch dieses Beispiel die
Wertlosigkeit essentiell zu sein. Gerade nach diesem Beispiel noch
mehr. Nur die Wertlosigkeit beFreit die Menschen wirklich vom Tausch
*und* von der sozialen Enge.

Benni Bärmann schrieb:
Ah. Super. Jetzt hab ichs! Man braucht schlicht eine GPL für
Umsonstläden. Also irgendein rechtliches Konstrukt, dass verhindert,
dass das Zeugs weiterverkauft wird und schon ist man das Problem los.
Vielleicht verschenkt man nicht, sondern gibt nur Dauerleihgaben oder
so. Mal sehn, müsste man mal einen Juristen fragen.

Ja, darüber habe ich letztens auch mal nachgedacht, mit ähnlichem
Resultat. Ich bin mir aber nicht so sicher: Ist 'nicht verkaufen'
wirklich der richtige Weg? Um so eine Regelung findet man ja immer Wege
drumherum... Außerdem: Willst du das wirklich kontrollieren?

Unsicher,
- Benja ;)
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