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Re: [ox] Schenken?



Stefan Meretz schrieb on Sun, 16 Dec 2001

Auch wenn es nerven sollte: Produktionsweise (oder umfassender:
Vergesellschaftungsform) ist ein gesellschafts- und kein
individualtheoretischer Begriff. Wenn ich den auf das unmittelbare
Tun der Leute "runterbreche", dann liege ich von vornherein
schief. Dann ist nämlich auch "abstrakt-entfremdet" als
Chakteristikum der warenförmigen Produktionsweise nicht mehr
begreifbar: schliesslich arbeiten die Leute doch da persönlich und
ganz konkret miteinander, oder? - Also, das führt in die Irre.

Bei gesellschaftstheoretischen Begriffen guckt man immer nur auf die
gesellschaftlichen-durchschnittlichen Resultate, nicht auf den
konkreten Einzelnen. Bei individualtheoretischen Begriffen guckt man
auf eben diese Einzelne; idealerweise sollten es aber
"Vermittlungsbegriffe" sein, das heisst auf den Einzelnen in seinem
gesellschaftlichen Vermittlungskontext zu gucken - und nicht auf den
Einzelnen als scheinhaft isoliertes Wesen.

In einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft ist eine solch
vereinfachende Dichotomie mE nicht mehr angemessen, denn zwischen
Einzelnem und Gesellschaft gibt es eine Vielzahl von Zwischenebenen.
Z.B. die Einbettung einzelner Programmierer in Softwareprojekte, die
Einbettung von Software-Projekten in die Software-Szene etc.  Jedesmal
wird in einen solchen übergeordneten Zusammenhang aber nur je ein Teil
eingebracht, denn Softwareprogrammierer sind ja nebenbei auch
Menschen, Studenten, Familienväter, Oekonuxies etc. (insbesondere bei
FS, wo sie ja nur durchschnittlich 10 h pro Woche dran sitzen),
Software-Projekte sind nicht nur als Teil der Softwareszene
interessant, sondern vielleicht auch betriebswirtschaftlich (wenn in
einer Softwarebude erstellt) usw.  Insofern finden
"Durchschnittsbildungen" in den verschiedensten Richtungen statt, und
zwar Durchschnitte von Projektionen (!), also nur von den Teilen der
Prozesse, die nicht ausgeblendet werden.  So viele "unsichtbare Hände"
... 

Gerade um eine solche genauere Sicht auf die Dinge muss es mE auch
gehen, wenn über Spehrs Freie Kooperationen weiter nachgedacht wird.
Petra hat es neulich hier noch drastischer formuliert.

Bei "abstrakt-entfremdet" vs. "personal-konkret" geht es um die Frage,
wie sich der gesellschaftliche Zusammenhang herstellt: Ist er Resultat
eines abstrakten Verwertungsprozesses oder ist er Resultat des konkreten
Tuns der Menschen? 

Lasse ich hier das (Reiz- und Vernebelungs)-Wort "Verwertung" weg,
dann kann ich nur feststellen, das *jegliche* menschliche Tätigkeit
*beide* Komponenten enthält, sowohl die personal-konkrete als auch die
"abstrakt-entfremdete" - ich sage mal genauer: die kulturell geprägte
- denn der Mensch ist ein Gesellschaftswesen und erst das macht ihn
zum Menschen.  Ich halte es deshalb für unproduktiv, dieses
Begriffspaar als Gegensatz im Sinne einer Alternative zu sehen,
sondern nur als Gegensatz im Sinne von "zwei Seiten einer Medaille".

Wenn die Arbeitsbedingungen in FS-Projekten individuell als deutlich
besser wahrgenommen werden als in "Software-Buden", wie von Stefan Mn
geschildert, dann muss das etwas mit stärkerer Köhärenz der beiden
Medaillenseiten zu tun haben, oder - mit Holzkamp - mit stärkerer
Kohärenz von Partikular- und Allgemeininteressen. Und zwar
"Allgemein"interessen vielleicht erst einmal auf der Ebene der
Softwareszene und nicht gleich mit Blick auf die ganze Gesellschaft,
denn zwischen beiden gibt es auch eine Menge Reibungspunkte. ZB die
Frage der Softwarepatente. 

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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