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Re: [ox] Freiheit



Hallo Lutz, Sabine und Liste,

LutzH schrieb 
* sabine.nuss prokla.de [20011211 15:35 [PHONE NUMBER REMOVED]]:
Dann ist Wissenschaft schon immer "frei", weil es dort Grundlage der
Forschungsarbeit ist, aus anderen Texten zu zitieren (unter
Quellenangabe) und die neuen Texte dann weiterzugeben, usw. 

Ich denke, das stimmt. Allerdings weiß ich nicht, ob diese Rechte nur
geduldete (vgl. "fair use") oder explizit die wissenschaftliche
Gemeinschaft konstituierende sind. 

Ob bzw. wie Rechte, also juristische Konstrukte, Wissenschaft
konstituieren, sei hier einmal dahingestellt. Dass aber die genannte
Freizügigkeit (so nenne ich das), also die barrierefreie Möglichkeit
der Verwendung der von anderen kommunizierten Einsichten im Prinzip
nach den Richtlinien der GPL, für Wissenschaft (im traditionellen
Verständnis) sowohl *faktisch* konstituierend ist als auch heute unter
extremem Druck steht, bin ich inzwischen mehr als überzeugt. Wissen
als gesellschaftliches Phänomen ist ein derart dicht durchwobener
Stoff, dass hier die Schere des Eigentums alles verderben wird.

Wenn ein Wissenschaflter einen von einem anderen Forscher
geschriebenen Aufsatz z.B. elektronisch vom Verlag erwirbt, dieser
aber in einer Form vorliegt, die es unmöglich macht, einfach mit der
Maus aus Abschnitte zu kopieren, so würde ich hier die Freiheit des
Wissenschaftlers eingeschränkt sehen.

Da kann man natürlich argumentieren, dass wenigstens wörtliche
Übernahme größerer Teile nicht erlaubt sein soll.  Die Frage steht
hier aber viel prinzipieller: Kann ich elektronisch vorliegende
Materialien (nicht nur Texte!) nach *eigenen* Gesichtspunkten *frei*
weiter *verarbeiten*? Dann wird es wichtig, dass ich in der Tat zur
*digitalen Quelle* freizügigen Zugang habe. Das reicht deutlich über
die Frage mit der "Maus" hinaus (unter Windows wird dieser Aspekt
etwas verdeckt, weil da die Maus wirklich das Hauptarbeitsinstrument
ist).  FS ist übrigens ein Aspekt dieser Frage.

Hier gilt, denke ich, dasselbe wie für die Wissenschaft. Wie Du ja
selbst sagst: in einem bestimmten Rahmen. Dieser Rahmen ist sicherlich
der Verwertungsanspruch der Urheber. 

Das sind aber keine innerwissenschaftlichen Mechanismen, sondern
welche, die sich aus deren Einbettung in Gesellschaft ergeben.  Wenn
der Urheber aus anderer Quelle genug hat, dann ist er auf die
"Verwertung" schließlich nicht angewiesen; sie ist also nicht
wissenschaftsinhärent.  Siehe wieder FS. Innerwissenschaftlich spielen
höchstens "aufmerksamkeitsökonomische" Aspekte und die in Reputation
akkumulierte Anerkennung eine Rolle. Deshalb wird "fair use" dort
eigentlich immer als "faires Zitieren der Quellen" verstanden und
darauf auch ethisch einiger Wert gelegt.

Ein solcher "Rahmen" ist also immer ein Kompromiss zwischen innerer
Dynamik und äußeren "Zwängen", wo sich die Frage ergibt, wie
zufriedenstellend dieser Kompromiss für die innere Dynamik ausfällt
und was dem ggf. entgegengesetzt werden kann.

So dass also die in der Art und Weise der Entstehung geistiger
Schöpfung bereits angelegte kooperative, gesellschaftliche Produktion
fern gehalten wird von dem Begehren, sich einzelne Ergebnisse
individuell und ausschließlich anzueignen. 

Das halte ich in der Tat für den Punkt, der für das Funktionieren der
Wissenssphäre (damit Beethoven das Musizieren wieder Spaß macht, siehe
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,106278,00.html) heute im
Mittelpunkt der Auseinandersetzungen steht.

Das würde ich dann als neue Quantität von "freier" Musik,
usw. ansehen. Nicht aber als neue Qualität.

In dieser Frage wirklich die strategische Oberhand *gegen*
Verwertungsansprüche zu gewinnen wäre für mich auch eine neue
Qualität. 

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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