Re: [ox] Fetisch (was: Re: Die unsichtbare Flosse der Freien Software)
- From: Horibbeck t-online.de (H.R.)
- Date: Wed, 5 Dec 2001 23:14:37 +0100
Hi Stefan!
Stefan Meretz schrieb:
Hi Petra und Liste,
Nun habe ich ja nicht von einem neuen Fetisch geschrieben, obwohl ich darüber
nachdachte, ob man für die Übergangszeit nicht doch so eine Art
"Entwöhnungsfetisch" bräuchte. Deswegen ja mein Vorschlag, die Börse doch
nach
der Aufhebung von Ware/Geld/Staat einfach weiterbestehen zu lassen. Als
Simulationsspiel eben. Ok, mal das augenzwinkernde Kokettieren beiseite
gelassen
zu deiner IMHO theoretisch spannenden Frage: Was heisst eigentlich Aufhebung,
geht's auch etwas genauer? Braucht's einen Fetisch, damit Vergesellschaftung
funktioniert?
....
....
Die Fetischthese, die ja IIRC
IICR - manchmal verstehe ich nicht, was Du meinst.
von Krisis stammt (oder älter?), macht etwas, was Krisis sonst
vehement kritisiert: Sie ontologisiert eine Erscheinung der
bürgerlichen Gesellschaft.
Na klar, weil es Fetischverhältnisse
zwar auch in unserer bürgerlichen Gesellschaft gibt,
dies aber nicht typisch bürgerlich ist,
wie z.B. der Warenfetisch oder der Arbeitsfetisch.
O.K.?
Da, wo die Menschen nicht über ihre eigenen
Angelegenheiten herrschen, sondern "beherrscht" werden und diese Herrschaft
auch
noch aktiv reproduzieren (und das haben sie noch immer getan), muss ein
Fetisch
zu Gange sein. Sonst würden sie sich das ja nicht gefallen lassen. Tun sie
aber
offensichtlich doch.
Wenn ich das so denke, dann kann die erwünschte "Aufhebung" in der Tat nur
als
eine Serie einfacher Negationen verstanden werden mit dem Kern: kein Fetisch
mehr. Ich bekomme dann aber das gleiche Problem, das Robert Kurz in dem
Artikel
"Antiökonomie und Antipolitik" dem Arbeiterbewegungsmarxismus vorgeworfen
hat:
Die Frage der Vermittlungsschritte, der _Keimformen_ des Neuen kann nicht
beantwortet werden. Denn was man vorher "ontologisiert" (zur Seinsbestimmung
des Menschen erklärt)hat, wird man dann auch nicht mehr los - ausser eben über
diese ziemlich unvermittelte Vorstellung der Negation alles Vorherigen.
Mit "ontologisieren" meinst Du sicher auch überhistorisch und nicht
"Seinsbestimmung des Menschen", denn die würde man auch über die Negation alles
Vorherigen nicht los.
Krisis kritisiert also zweierlei,1. die Behauptung abstrakte Arbeit wäre die
Seinsbestimmung des Menschen und 2. die Ontologisierung des Begriffs Arbeit.
Bitte nicht als Wortklauberei missverstehen :-).
Denn daraus folgt:
Genau so wie Marx, der den Klassencharakter ontologisierte,
ohne dadurch die Aufhebung der kapitalistischen Klassenherrschaft
für unmöglich zu halten,
darf die Aufhebung des kap. Fetischsystems für möglich gehalten werden.
...
...
Meine Anmerkungen zu Horst meine ich so wie dort geschrieben: Auch in einer
freien Gesellschaft stellt sich der gesellschaftliche Zusammenhang "hinter
unserem Rücken" her.
Kann ich nicht erinnern. Das wäre mir sicher aufgefallen,
so falsch wie ich es finde.
Der Diskurs begann mit meinem Hinweis, die unsichtbaren Flossen und Flügel
der FS hätten wie die "invisibe Hand" des Marktes etwas anscheinend
unverzichtbares gemeinsam, nämlich eben dieses unsichtbare.
Ob wir das hinter unserem Rücken dulden sollten.
Und Du behauptest jetzt, "auch in einer freien Gesellschaft stellt sich
der gesellschaftliche Zusammenhang "hinter unserem Rücken" her."
Ich glaube, ich bin im falschen Film :-)!
Oder haben Du oder ich was missverstanden :-(?
Diese Tatsache mit "Fetisch" zu identifizieren, greift
zu kurz. Das Fetischartige ist doch nicht die "Unsichtbarkeit" der Herstellung
des gesellschaftlichen Zusammenhangs, sondern die Tatsache, dass sich diese
Logik gegen die Bedürfnisse der Menschen verselbstständigt durchsetzt.
Ich will jetzt Petra nicht vorgreifen,
aber ich glaube wohl. Beides.
Diese invisible Hand des Marktes ist das prinzipiell
unkontrollierbar wirkende Wertgesetz, welches hinter unserem Rücken
verselbstständigt (automatisch) herrscht.
Und dessen Kern, der Wert ist ein Fetisch.
Oder definieren wir den Begriff Fetisch unterschiedlich?
Oder anders
formuliert: Es gibt immer ein "Drittes" ausserhalb der Menschen
Verstehe ich nicht.
Meinst Du nach der 1. und der "2.Natur" (der menschl.Gesellschaft) außerhalb
noch was drittes?
Oder wie?
- mit Christoph Spehr formuliert: ein alienistisches Programm -,
das die Regeln setzt, nach denen wir leben
Langenscheidts großem Schulwörterbuch übersetzt
"alien" in:
fremdartig-ausländisch-außerirdisch-andersartig-fernliegend.
Aber obiges Fetischverhältnis ist absolut der Kern unserer Gesellschaft,
sozusagen ihr wesentlichstes ureigenstes Charakteristikum.
Da ist absolut nichts fremdartiges.
Es ist auch uns Menschen nicht fremd.
Und weil das Bewußtsein dessen so unerträglich ist wird dieses
unser "Böses" immer wegprojiziert auf etwas uns äußeres -
eben fremdartiges.
Und Spehr projiziert es jetzt sogar ganz von der Erde weg, ins All.
- Terra, die Heimat schlechthin, umzingelt von unendlicher Fremdartigkeit.
- Ein echter Horror.
Aber der ist nur scheinbar weit weg, denn das alienistische ist,
mehr oder weniger, in uns, in jedem von uns, denn viele glauben
ja schon feste an fliegende Untertassen und das wir
alle schon infiziert sind von etwas, das nur in uns schläft.
Wehe, es erwacht!
Worauf es "nur" ankommt, ist, die Regeln selbst zu setzen, also nach eigenen
Regeln zu leben, statt nach fremdgesetzten.
Hört sich erstmal gut an.
Aber wie gesagt, ich glaube nicht an dieses fremdgesetzte.
MfG,
Horst
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