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Re: [ox] WOS2 -- Wohlstand



Hi alle!

Spannende Diskussion! Ich habe auf jeden Fall schon noch mal was über
Knappheit und verwandte Begriffe gelernt :-) .

4 days ago Gregor Zeitlinger wrote:
Hallo ihr Ungäubigen,

Ja, wir sind alle Ungläubige in irgendeinem System :-) . So gesehen
sitzen wir alle im Glashaus und sollten uns alle mit Steinwürfen
vorsehen ;-) .

Ich wollte nochmal kurz was zu dem Wort Ökonomie sagen. Ich hatte
irgendwann mal gelernt, daß das in vorkapitalistischer Zeit die
Bezeichnung für die (gute) Haushaltsführung nach Aristoteles (IIRC)
war. So gesehen ist das *Wort* Ökonomie wohl nicht wirklich festgelegt
auf irgendeine Bedeutung und m.E. müssen wir deswegen auch darum keine
Glaubenskriege führen. Wir müssen uns nur einigen, was wir meinen,
wenn wir "Ökonomie" sagen - d.h. also den Begriff angeben, den wir
hinter dem Wort verstehen. Ein konsensuelles Verständnis - vielleicht
mit einem "Was ist Was?"-Eintrag? - wäre natürlich schön, aber andere
Worte machen die Dinge vielleicht einfacher.

Ich will aber auch nochmal den von Gregor zitierten Ökonomie-Begriff
der VWL zitieren und im Lichte der hiesigen Erkenntnisse reflektieren.

Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft vom Einsatz knapper
Resourcen durch die Gesellschaft zur Produktion vertvoller
Wirtschaftsgüter und von der Verteilung dieser Güter unter ihren
Mitgliedern.

Wenn wir nicht von knappen Ressourcen sondern von begrenzten
Ressourcen reden, dann finde ich diesen Teilaspekt schon mal
überhistorisch von Interesse und also auch für eine GPL-Gesellschaft.
Schließlich hat jeder Stoffwechselprozeß mit der Natur in irgendeiner
Form mit begrenzten Ressourcen zu tun und Überlegungen dazu sind da
nicht a priori sinnlos.

Das betrifft BTW auch einen Einwand, der schon länger nicht mehr
gekommen ist: Wie ist das (z.B.) mit dem Naturverbrauch in der
GPL-Gesellschaft? Die Frage ist ja durchaus berechtigt - Natur bzw.
deren Reproduktionsfähigkeit ist (erstmal) begrenzt. Oder wer kann in
den Weltraum fliegen?

Wenn wir über Knappheit sprechen, sprechen wir aber - wie mir geklärt
scheint - schon über gesellschaftliche Kategorien, die von vielen
Faktoren beeinflußt werden. Stand der Technik war genannt worden, die
aktuell aufgrund irgendwelcher Interessen künstlich erzeugte
Bedürfnislage, etc. pp. Eine Liste von Einflußgrößen wäre hier sicher
interessant.

Unsere Antwort bisher bei Oekonux war wohl in die Richtung, daß die
Bedürfnisse und die Art und Weise ihrer gesellschaftlichen
Befriedigung zunächst getrennt zu betrachten sind. Ein Bedürfnis nach
Mobilität hat erstmal nichts mit dem Bedarf nach einem Auto zu tun.
Und selbst das Bedürfnis nach Mobilität kann z.B. dadurch
hervorgerufen sein, daß ich zum Broterwerb 100km fahren muß anstatt 10
Minuten zu gehen. Und Broterwerb ist uns auch nicht als Bedürfnis in
die Wiege gelegt - im Gegensatz zum Bedürfnis nach Brot BTW. Na ja,
usw.

Kurz: *Wie* der universelle Anspruch auf Selbstentfaltung in einer
GPL-Gesellschaft mit Begrenzungen zusammenhängt ist gesellschaftlich
bestimmt.

D.h. insbesondere, daß solche Fragen einem Diskurs zugänglich sein
müssen und es außerhalb dieses Diskurses gar keine relevanten
"Wert"maßstäbe gegen *kann*. Wie die TeilnehmerInnen des genannten
Diskurses die Welt sehen, kann sich nämlich erst im Verlaufe des
Diskurses ergeben und noch dazu auch in dessen Verlauf ändern. Das ist
eine grundsätzliche Schwierigkeit, die solche Konstruktionen
problematisch macht:

Today Gregor Zeitlinger wrote:
Im obigen Bespiel koennte es ja so sein, dass das Leben fuer alle viel
angenehmer waere, wenn sie unter weniger druck arbeiten wuerden.
Natuerlich musste man doch dagegenrechnen, ob evtl. weniger produziert
worden ist, was das Leben von anderen evtl. weniger angehem macht. Erstens
koennte es aber so sein, das gar nicht weniger produziert worden ist (oder
etwas qualitativ schelchteres) und zweitens koennte der verlorene Nutzten
durch den Produktionsausfall geriger sein als der Zufriedenheitsgewinn
durch angehemeres arbeiten.

Diese ganzen Fragen sind a priori nicht von außerhalb zu beantworten.
Diese grundsätzliche Schwierigkeit hat m.E. jede
"außergesellschaftliche" Herangehensweise.

Aber zurück zu den Begrenzungen. Auch wenn ich denke, daß auf die o.g.
Weise einige wichtige heutigen Knappheitspotentiale beseitigt werden
können, dann wird es auch dann noch Begrenzungen geben. Und da steht
die Frage immer noch, ob wir da irgendetwas aus der VWL lernen können,
oder ob sie so sehr in einem dann obsoleten Bezugssystem liegt, daß
das keinen Sinn mehr macht. Weiß ich wirklich nicht, würde mich aber
sehr interessieren.

Hupps, so weit abschweifen wollte ich eigentlich gar nicht.

nach der berechtigten Kritik an der Warendefinition habe ich darüber
nachgedacht, wie man diese präzisieren könnte, so daß sie sinn macht.
Soweit mir bekannt ist, könnte man als Mindestanforderung sagen:
Wirtschaftsgüter:= Was "comsumer satisfaction" direkt oder indirekt
produziert. Das muß nicht notwendigerweise "tangible" (anfaßbar) sein. Es
muß auch nicht knapp sein und man muß noch nicht mal Geld dafür bekommen
können, sollte man es versuchen zu verkaufen.

Das würde ich schlicht als ein "Gut" bzw. als "Güter" bezeichnen. Das
mit dem consumer hast du ja selbst schon relativiert.

wertvoll ist, was cosumer satisfaction produziert, wobei auch cosumer
satisfaciton sehr weit verstanden werden kann. Beinhaltet z.B. auch ein
angenehmes Arbeitsklima, obwohl man das im umgangssprachlichen Sinne ja
nicht konsumiert. Konsumieren heißt in diesem Zusammenhang also nicht
notwendigerweise aufbrauchen.

Da wird in unserem Oekonux-Diskurs wohl der gute alte (Marx'sche?)
Begriff des Gebrauchswerts verwendet. Wir unterscheiden zwischen dem
Tauschwert, der ein Produkt auf dem Markt hat - und der in der
kapitalistischen Wirtschaft entscheidend ist - und dem Gebrauchswert,
also der konkreten Nützlichkeit eines Gegenstands. Klar, daß hier was
wesentlich auseinanderfällt.

In diesem Sinne habe ich die Definition von VWL interpretiert:

Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft vom Einsatz knapper Resourcen
durch die Gesellschaft zur Produktion vertvoller Wirtschaftsgüter und von
der Verteilung dieser Güter unter ihren Mitgliedern.

Mit anderen Worten: Wie kann man die von Natur aus knappen Resourcen zur
Erzeugung von Konsumentenbefriedigung einsetzen und wie diese an Menschen
verteilen.

Ich versuche mal das oekonuxige Ziel von Ökonomie zu formulieren: Wie
können wir Knappheit abschaffen.

Hmm... Ich habe ein wenig hin und her überlegt, aber darauf scheint es
sich echt zu reduzieren. Der Rest ergibt sich daraus dann. Na, dann
ist ja wenigstens das Ziel einfach ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan
--
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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