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Re: [ox] Der wilde Dschungel der Kooperation



Hallo Stefan und so...

eine kleine formale Anmerkung vorneweg: Deine Mail kam hier mit einem
lästigen "Kammquoting" an (siehe unten). Liegt das an mir oder an Dir?

On Fri, Oct 05, 2001 at 03:09:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
 > Dennoch hab ich eine bisschen andere Sichtweise. Die resultiert 
vielleicht
 > daraus, dass ich die Wertvergesellschaftung als lange nicht so total
 > begreife, wie Du das tust.

Ich greife mal vor: Wenn ich dich richtig verstehe, ist die
Wert-Vergesellschaftung (WVG kürze ich das mal ab) für dich ein
Aspekt neben anderen. 

Puh, also diese Abkürzeritis macht das alles auch nicht leichter ;-)

Ich sehe die anderen Aspekte von
Vergesellschaftung und Herrschaft, die du (und auch Ralf - neue
Koalition!) nennst, auch. 

Ja, ist mir auch aufgefallen. Jetzt müssen nur noch die beiden Stefans
koalieren, dann ist der Kreis perfekt :-)

Es ist also nicht so, dass ich deren Existenz
bestreiten würde. Mein Hauptpunkt ist nur der: Die WVG geht sozusagen
durch alle anderen Aspekte von Vergesellschaftung und Herrschaft
hindurch. Die Logik der WVG dringt überall ein, 

Da bin ich ganz mit Dir einer Meinung. Nur gilt das auch für z.B. Rassismus,
für das Patriarchat, etc... die dringen auch überall ein mit ihrer Logik.

in diesem Sinne
totalisiert sich die WVG "von selbst". Die *ist* also nicht total, 
sondern dieses "subjektlose Subjekt" hat einen "totalen Anspruch" - 
bildlich gesprochen.

Wie total ist denn dieser Anspruch wirklich? Die direkte Verwertung von
menschlichem Leben ist z.B. immer noch Tabu. Dieses Tabu haben die Nazis
nicht gekannt auch wenn ihre Verwertung nur negativ war. Es gibt Grenzen
auch für die Wertherrschaft. Jede Herrschaft hat Grenzen, weil das
Einverständnis der Beherrschten immer nötig ist. Die subjektlose Herrschaft
im demokratischen Zeitalter hat diese Grenzen erweitert aber nicht
abgeschafft.

Was ich also bestreiten würde, ist der eigenständige Charakter der
anderen Formen (sei es Geschlecht, Alter, Ort, Kultur etc.). Vielleicht
sieht man es auch daran, dass ich diesen "Kern" der Vergesellschaftung,
diese Logik, durch eine andere ersetzt habe will - während die anderen
Aspekte bleiben werden (in diesem Sinne auch gar nicht abschaffbar sind)
und sich dann "nur" in ihrer Durchdringung durch den neuen "Kern" der
Vergesellschaftung ändern werden. - Aeh, kann mir noch jemand folgen?

So halbwegs? Das Patriarchat kann also bleiben, solange nur der Wert
abgeschafft wird? Meinst Du das wirklich? Wohl nicht, oder? Oder vertrittst
Du da auch diese gewagte "Abspaltungsthese" oder wie das noch hieß?

Da liegt dann wirklich eine Differenz, da ich die "existenziellen
Bedingungen" als Begriff für viel zu allgemein halte. Damit wird die
zugrunde liegende Dynamik eher verdeckt als sichtbar gemacht. Der
Begriff ist ok für personale Kooperationen, nicht aber für die
gesamtgesellschaftliche.

Vielleicht, ja. Alleine reicht das sicher nicht aus. Ich schreib grad an
einer lineareren Darstellung meiner Sichtweise, da hab ich jetzt bisher
mehrere qualitative Unterschiede bei Kooperationen drinnen:

- Existentielle Bedingungen
- Zwangsmitgliedschafft
- Verdeckte Kooperation
- Entkopplung der Existenzsicherung von der gesamtgesellschaftlichen Kooperation
- Verselbstständigte Regeln

Die Wertverwurstung enthält die alle (im Falle der Entkopplung nur negativ,
da die WVG das nicht zulassen kann). Aber es gibt eben auch Kooperationen
auf allen Ebenen die einzelne dieser Eigenschaften auch haben. Ob es noch
andere als die Wertverwurstung gibt, die sie alle haben, ist mir noch nicht
klar. Am unsichersten bin ich mir da insbesondere mit diesem
Entkopplungsding. 

Das Ziel wäre dann sowas wie eine Neuformulierung von Wertkritik in der
Sprache der FK.

 > Zusätzlich gibt es aber eben auch noch andere Vergesellschaftungen als
 > diejenige des Werts. Historisch ist das natürlich offensichtlich aber 
auch
 > aktuell halte ich z.B. den Faschismus (in der von Christoph im Alienbuch
 > verwendeten Bedeutung, die auch Regimes wie die Taliban oder Massaker 
wie in
 > Ruanda mit einbezieht) als ein _unabhängig_ vom Wertsystem zu 
verstehendes
 > Problem. Was nicht heißen soll, das die nicht Bezüge zueinander haben und
 > das Faschismus oft auch eine Reaktion auf Zumutungen des Wertsystems ist
 > oder sich die Wetlogik oft faschistischer Regimes bedient, aber er folgt
 > eben einer _eigenen_ Logik, also nicht einer Wertlogik. Gerade auch 
im Licht
 > der aktuellen Ereignisse finde ich diese Differenz sehr wichtig.

Differenzierung ja, aber nicht Trennung. IMHO ist das von mir o.g. Bild
der Durchdringung durch den dominanten Mechanismus der WVG angemessener.
Was dabei rauskommt, wenn man das trennt, sieht man an der
Bahamas-Stellungnahme, auf die R.Kurz IMHO mit passender Polemik 
reagiert hat.

Ne, die fand ich extrem unpassend. Bahamas hat Schrott verzapft, aber Kurz
hat mit gleicher Münze zurückgezahlt. Ich fand das einen der schlechtesten
Texte, die er je verfasst hat. Aber das ist vielleicht eine andere
Diskussion, die theoretisch dann ja wohl auf der Krisisliste on-Topic wäre,
aber da kriegen mich keine 10 Pferde mehr hin.

 > So, ein Problem das bleibt, sowohl in Deiner Sichtweise als auch in 
meiner,
 > wäre dann noch, wie man denn nun die FK konkret erweitert um diese 
blinden
 > Flecken mit reinzuholen. Wenn als Ergebnis unserer Bemühungen dann 
sowas wie
 > "Freie Kooperation - extended version" rauskommen würde, wär das ein
 > Riesenerfolg und ich würde einen kleinen Tanz zu unser aller Ehren
 > aufführen. Mir schwebt da momentan so etwas wie eine vierte Bedingung 
für FK
 > vor, aber das kann auch eine ganz andere Form annehmen.

Mir schwebt da eher eine Koexistenz verschiedener "Stories" vor, die
aber potenziell übersetzbar sind. Also eher wie bei deinem
Compiler-Bild. Es bringt wohl nix, eine "Story" als die Richtige
durchsetzen zu sollen. Für mich ist eh klar: Meine Story ist die jetzt
richtige für mich;-) Und morgen bin ich wieder schlauer;-)

Ja, mein in Arbeit befindlicher Text geht wie gesagt auch in die Richtung.

Allerdings ist es ja schon so, dass die Storys sich dann vielleicht auch
gegenseitig befruchten können. Das ist ja das Ziel einer solchen
Übersetzung. Die Übersetzung an sich leistet ja noch nix.

Ist wirklich Off-FK, soviel: sexuelle Aktivitäten erfordern
grundsätzlich keine gesellschaftlich produzierten Mittel. Dennoch wirkt
die Gesellschaft vielfältig da rein, was "gesellschaftlich überformt"
genannt wird. 

Na, Sexualität ohne gesellschaftlich produzierte Verhütungsmittel ist schon
ziemlich problematisch meistens. Ansonsten sehe ich den Unterschied zum
Abwaschen auch nicht so ein. Die letzten beiden Sätze bitte nicht aus dem
Kontext entfernen :-)

Doch. "Selbstähnlich" meint - mindestens in der Chaostheorie, aber ich
glaube, auch Christoph meint es so - "strukturell gleich, aber
inhaltlich und quantitativ unterschiedlich". Also was eine Kooperation
"macht" und wie groß sie ist, ist egal, sie weisen grundsätzlich die
gleiche Struktur auf, weshalb ja auch die FK als Theorie funktionieren
kann. Anders formuliert: "Selbstähnlichkeit" ist ein Apriori von FK.

Die gleiche Struktur bedeutet ja aber nur, dass es eben eine Kooperation ist
und das sie erzwungen oder frei sein kann. 

Und genau das gilt für die gesamtgesellschaftliche Kooperation (GK)
nicht, weil die GK sich qualitativ von PK (personalen Kooperationen)
unterscheidet. 

GK kann doch auch erzwungen oder frei sein. So hab ich Dich bisher
verstanden. Wärend Ralf davon auszugehen scheint, dass sie nur erzwungen
sein kann.

Das ist auch der mir wichtigste Punkt, weil hier wirklich
der Knackpunkt liegt. Deswegen bin ich sehr dankbar, wenn du da
widersprichst und wir das hin und her wenden.

Na gerne. Widersprechen ist mein liebstes. Als Kind war "Nein" das erste
Wort, dass ich konnte, noch vor "Mama" und "Papa" ;-)

 > Aber Du hast wohl schon Recht, dass man in bestimmten Fällen etwas 
genauer
 > hingucken muß. In Deiner Sichtweise wäre das der Unterschied zwischen
 > personaler und gesamtgesellschaftlicher Kooperation, in meiner Sichtweise
 > ist das aber eher der Unterschied zwischen nicht existentieller und
 > existentieller Kooperation. Dabei kann es sehr wohl Fälle existentieller
 > personaler als auch Fälle nicht-existentieller gesamtgesellschaftlicher
 > Kooperation geben. Als Beispiel für ersteres könnte man z.B. einen
 > Ertrinkenden nehmen, dem ich zu helfen habe unabhängig von Aushandlungen.
 > Beispiele für nicht-existentielle gesamtgesellschaftliche Kooperation 
sind
 > schon schwieriger, mir fallen jetzt grad nur abgedrehte
 > Science-Fiction-Szenarien ein, aber vielleicht kann man das auch in der
 > Geschichte finden. Hier und heute wird es damit vielleicht wirklich etwas
 > dünn. Trotzdem denke ich, man sollte das im Auge behalten.

Nee, wirst du nicht finden. Apodiktisch habe ich das in (9) so
formuliert: "Das Ende gesamtgesellschaftlicher Kooperation ist identisch
mit dem Ende der Menschheit." Der "Nicht-/Existenz-Begriff" macht nur
auf der personalen Ebene Sinn.

Ja, vielleicht. Ich hatte da Dein "gesamtgesellschaftlich" missverstanden
als global. Das wäre für mich aber auch nochmal ein wichtiges Thema. Wenn
dann GK etwas unterhalb der globalen Ebene ist, was dann mit der globalen
Ebene ist? Wie ist die Organisiert? Klassisch ist ja die Organisation
zwischen Staaten die einer quasi-personalen Kooperation, aber das zerbröselt
ja immer mehr, politisch (EG), juristisch (Völkerrecht), ökonomisch
(globalisierte Konzerne). Das fände ich schon wichtig, da irgendeinen
Begriff von zu kriegen in diesem Rahmen. Mir leuchtet momentan ein, dass GK
nur global ist.

Nochwas: Wie soll denn, wenn GK nicht global ist, das Ende der Menschheit
damit zusammenhängen? Es müssten doch dann also _alle_ verschiedenen GK
gleichzeitig enden.

 >>- Gesellschaft wird von Menschen gemacht, ist in ihrer Existenz und
 >>Entwicklung aber nicht von konkreten Einzelnen determinierbar: sie
 >>entwickelt sich nach eigenen Gesetzen;
 >
 > Das stimmt zwar taugt aber nicht als Unterscheidungsmerkmal zwischen
 > gesellschaftlicher Kooperation und Kooperation allgemein, denn:
 >
 > Das gilt IMHO für _jede_ Kooperation. Gerade bei Beziehungen passiert es
 > doch immer wieder, dass die ihre eigene Dynamik mit eigenen Gesetzen
 > entwickeln. "Gruppendynamik" wäre ein weitere Stichwort, was in die 
Richtung
 > deutet.

Eine "Gruppendynamik" würde ich nicht als "Gesetz" bezeichnen. Sie ist
auch verschieden, je nach Gruppe. Dass es eine gibt, ist das
Selbstähnliche. Sie ist deswegen kein Gesetz, weil die Handlungen der
Menschen in der PK direkt mit der Dynamik in der Gruppe "verkoppelt"
sind. Von je mir hängt die "Gruppendynamik" ab - wie stark sie abhängt,
ist nur eine Frage der Größe der Koop und meiner Position darin.

Nein, für mich bedeutet Gruppendynamik, dass da etwas entsteht, was mehr ist
als die Summe seiner Teile und von Einzelnen zwar beeinflußbar ist aber eben
gerade nicht mehr direkt in dem Sinne, dass ich Ursache und Wirkung direkt
kalkulieren kann. Das ist in der GK dann natuerlich extrem indirekt, aber
eben nur quantitativ anders. Also es gibt Kooperationen mit
Eigengesetzlichkeit und solche ohne und GK ist eine mit.

Das ist bei der "Dynamik" der WVG grundsätzlich anders: Meine Handlungen
sind hinsichtlich der Logik gleichsam von der GK "entkoppelt", weil die
GK eine überhistorische Einrichtung ist. 

Äh? Ja, GK ist überhistorisch. WVG ist es ja aber gerade nicht. Oder hast Du
Dich da nur in der Abkürzung vertan.

Hm, da fällt mir noch auf, dass "überhistorisch" vielleicht auch eine
Eigenschaft von Kooperationen sein kann in meiner Liste sein könnte. Aber
vielleicht steckt das auch schon in "Zwangsmitgliedschaft" mit drinnen, weiss
nicht.

Ausserdem hab ich da jetzt auch wieder ein Problem. Wenn nämlich GK auf der
Ebene von Staaten funktioniert, ist sie offensichtlich gerade _nicht_
überhistorisch.

Ich kann an ihr teilhaben und
sie reproduzieren, aber ihre "Dynamik", ihre "Funktionslogik" nicht
ändern und zwar unabhängig von der Position: das gilt also auch für die
vorgeblich "Mächtigen".

Du hast beim "Ich" ein "je" vergessen ;-)

Aber mal davon abgesehen: Wir interessieren uns doch aber gerade dafür wie
wir trotzdem ihre Logik ändern können.

Mir fällt auf, dass ich den überhistorischen Charakter noch deutlicher
benennen muss: die GK gibt es solange es Menschen gibt. Keine PK ist
überhistorisch. Selbst wenn du jetzt eine findest (suchst du?), 

Natürlich. Bisher sind mir aber nur Tierwanderungen eingefallen, aber das
ist nicht ganz das wonach ich suche.

dann
kannst du sie auflösen. Das kannst mit der GK nicht machen.

Vorsicht, Begriffsverwirrung. Jede konkrete GK kann man sehr wohl auflösen.
Was nicht geht ist die Existenz von GK an sich abzuschaffen. Das gilt aber
genauso für PK.

Während der Zusammenhang von je mir und einer PK in gewisserweise immer
unmittelbar ist, ist er von je mir und der GK immer mittelbar. Mit "in
gewisserweise" meine ich, dass ich in der PK grundsätzlich personale
Adressaten für meine mögliche Intervention habe, zu denen ich sozusagen
"hingehen" kann. Das habe ich in der GK nicht (weswegen es ja auch so
witzlos ist, irgendwelche Mächtige umzunieten).

Diesen Effekt gibt es aber auch schon unterhalb von GK. Bürokratie ist ein 
schönes Beispiel. Und Bürokratie gibt es oft im kleinsten Tierzuchtverein
und die kann auch da schon den Charakter annehmen, dass ich keinen
Verhandlungspartner habe. FK handelt doch gerade vom Auftreiben von
Verhandlungspartnern.

 >>- die Gesetze beschreiben die Eigenlogik der gesellschaftlicher
 >>Entwicklung, nicht aber ein »Ziel«: die Entwicklungsrichtung ist genuin
 >>offen;
 >
 > Demnach gilt auch das allgemein für Kooperationen.

Nein. Das ist doch auch schon sinnlich ganz anders: Nimm eine beliebige
Gruppe: Wenn die "Eigenlogik" fest und von dir nicht hinterfragbar wäre,
dann würdest du doch da gar nicht reingehen. Dann gäbe es apriori nur
erzwungene Kooperationen. Das ist btw genau das, was den Menschen
eingeredet wird: Die je konkrete PK sei durch die Sachzwänge so fest,
dass es da nix dran zu rühren gäbe. Gut, dass die FK-Theorie genau das
aufbricht.

Hab doch garnix anderes behauptet. Hier weiss ich grad nicht so genau, was
Du mir sagen willst...

 >>(7) Die Gesellschaft ist demnach ein besonderer kooperativer
 >>Zusammenhang, der sich von anderen Kooperationen unterscheidet.
 >
 > Ja, aber nur quantitativ. Einziges aber entscheidendes(!) qualitatives
 > Merkmal ist die Zwangsmitgliedschaft.

Schon das ist ein qualitativer Unterschied, also einer, der für die PKs
nicht gilt. Schon damit sind PK und GK nicht mehr selbstähnlich. Die
anderen habe ich oben versucht deutlicher zu benennen.

Es gibt auch PK mit Zwangsmitgliedschaft. Mutter-Kind-Beziehungen zum
Beispiel.

 >>Es ist
 >>der abstrakte Zusammenhang, in dem sich die konkreten kooperativen
 >>Zusammenschlüsse der Menschen bewegen.
 >
 > "abstrakt" können auch Kooperationen unterhalb der Gesamtgesellschaft 
sein.
 > Staaten, Konzerne, etc. sind doch die besten Beispiele. Mir fällt eh grad
 > auf, dass ich ein bisschen Verständnisprobleme mit diesem "abstrakt" hab,
 > das in der Wertkritik immer wieder auftaucht.

Staaten würde ich also Formen gesellschaftlicher Koops sehen, insofern:
ja, abstrakt. Abstrakt heisst hier zunächst nur "nicht sinnlich", ohne
Adressat. Deswegen haben wir ja alle über Seyfrieds Comic geschmunzelt,
wo ein Demonstrant ein Plakat hält, auf dem steht: "Staat - hau ab" 
(oder "Staat - verschwinde", ich weiss nicht mehr genau). Ein Konzern 
mag groß und unübersichtlich sein, aber das kannst du ändern, wenn du 
willst. 
Du findest auch klare Adressaten, die die Regeln der PK bestimmen.

Im Staat doch auch. Für jedes Gesetz gibt es jemanden, der es gemacht hat.
Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, da eben die Funktionslogik nicht
zur Disposition steht. FK will sie ja aber gerade verhandelbar machen.

 >>(10) Die Unverhandelbarkeit gesamtgesellschaftlicher Kooperation hat für
 >>den Einzelnen einen eminenten Vorteil. Da sie überindividuell und
 >>überdauernd besteht, wird meine Existenz auch dann miterhalten, wenn ich
 >>mich an der gesamtgesellschaftlichen Kooperation nicht beteilige. Diese
 >>allgemeine Aussage ist nicht zu verwechseln mit dem konkreten,
 >>tausendfach realen Existenzentzug. Dies ist keine Eigenschaft
 >>gesamtgesellschaftlicher Kooperation überhaupt, sondern Ausfluss
 >>historisch konkreter gesellschaftlicher Kooperations<i>formen</i>. Aus
 >>der prinzipiellen Eigenschaft, die je eigene Existenz
 >>bedingungsunabhängig erhalten zu können, leitet sich die grundsätzliche
 >>Möglichkeit ab, eine gesellschaftliche Form zu finden, in der die
 >>grundsätzliche Potenz gesellschaftlicher Kooperation auch konkret und
 >>für jeden Einzelnen wirksam entfaltet wird. Die Entfaltung aller
 >>Menschen ist also keine bloß utopische Idee, sondern genuine Potenz
 >>gesamtgesellschaftlicher Kooperation.
 >
 > Wenn ich das richtig verstanden habe muß dann wohl der Anfang dieses
 > Absatzes eigentlich lauten: "Die Unverhandelbarkeit 
gesamtgesellschaftlicher
 > Kooperation _kann_für_ den Einzelnen einen eminenten Vorteil _haben_."

Nein, hat. Und zwar auch hier und heute. Ich habe hin- und her überlegt,
ob ich die Zeitdimension mit reinbringen soll. Die bedeutet nämlich:
Niemand hat eine unmittelbaren Bezug zur GK. Das würde bedeuten,
jegliche Handlung wäre determiniert. Der Bezug zur GK ist aber
mittelbar, was mir die kognitive Distanz erst möglich macht. Es gibt -
anschaulich gesprochen - bei jedem Menschen in auch noch so elendigen
Lebensverhältnissen immer diese Distanz, also die "Phasen" wo mein
(elendiges) Leben auch miterhalten wird, wenn ich gerade nicht mit
unmittelbarer Lebenserhaltung beschäftigt bin (was immer das sei). Das
siehst auch schon daran, das Menschen immer sowas wie Kultur produzieren
- seit es sie gibt.

Ah, ok, das hab ich so nicht verstanden. Macht sinn. Jetzt hab ich das
Entkopllungsding ein bisschen klarer.

BTW: Dass wir daran so rummachen, liegt nicht an meiner Unschärfe und
deiner Schärfe (oder umgekehrt), sondern an der Schwierigkeit mit dem
Gegenstand. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: So wie wir hier
diskutieren, so findet das nur super selten statt. In der Regel
operieren die verschiedenen Wissenschaften mit völlig platten
Gesellschaftsbegriffen (so sie überhaupt einen haben). Besonders krass
ist das wie kaum anders zu erwarten in der Informatik.

Tja, wir sind halt die Avantgarde. Gut zu wissen ;-)

 > Der Verhandlungspartner eines Individuums in FK ist doch aber sowieso 
immer
 > eine Kooperation. Verhandlungen finden immer zwischen Individuen und
 > Kooperationen statt oder zwischen Kooperationen. Nicht zwischen 
Individuen
 > (ausser im kleinsten Fall einer 2-Personen-Kooperation).

Wieso das? Verhandlungen finden immer zwischen Personen statt. Das ist
auch in der FK so. 

Ich meinte das in dem Sinne, dass die Handlungen die mir Verhandlungsmacht
verschaffen, also Einschränkung oder Einstellung der Kooperation an die
Kooperation als ganzes gerichtet sind, nicht an Individuen.

 > Die konkreten Verhandlungen werden natürlich immer zwischen 
Repräsentanten
 > geführt, aber was ich damit sagen will, an sich spricht nichts gegen eine
 > kybernetische Maschine als Verhandlungspartner. Die Geschichte der
 > Arbeiterbewegung z.B. kann man genauso verstehen, dass sie der
 > kybernetischen Maschine Zugeständnisse abgetrotzt haben, die deren 
Charakter
 > verändert haben (ohne sie deswegen jetzt abschaffen zu können).

Die Arbeiterbewegung hat am Charakter der kybernetischen Maschine nichts
geändert. Was Marx im Kapital beschrieb, läuft grundsätzlich immer noch
so. Sie hat im Gegenteil der Logik zu ihrer vollen Entfaltung verholfen,
sie war Modernisierungsbewegung. Die abgetrotzten Zugeständnisse gab es
natürlich trotzdem - aber nicht gegen, sondern mit der Funktionslogik.
Ich arbeite für so einen Verein, der so funktioniert. Nur heute ist
ziemlich Essig mit "Abtrotzen", weil das Modernisierungspotenzial
aufgebraucht ist. Nein: die kybernetische Maschine mit ihrer Logik ist
unverhandelbar.

Na, das ist schon klar. Das war jetzt vielleicht ein Missverständnis mit dem
Wort "Charakter". Ich meinte schon Änderungen innerhalb der Funktionslogik.
Aber wieder: Es ist doch gerade unsere Frage, wie wir die Funktionslogik
ändern können. Versteh ich Dich richtig, wenn Du sagen würdest, das geht
mit FK nicht auch wenn FK etwas dazu beitragen kann?

 >>(16) Im kybernetischen Dschungel der Warenproduktion ist der wilde
 >>Dschungel der Freien Kooperation am Ende angelangt, weil es um die Wurst
 >>geht. Wie in keiner anderen historischen gesellschaftlichen
 >>Kooperationsform, ist hier die je individuelle Reproduktion mit der
 >>Reproduktion der totalitären Warenproduktion verkoppelt. Wenn ich »drin«
 >>bin, muss ich die Logik denkend und handelnd reproduzieren - oder ich
 >>bleibe nicht länger »drin«. Die Logik rückt mir auf den Pelz, ich muss
 >>sie alltäglich nachvollziehen, mitdenken, erfühlen, ausführen. Sich nur
 >>denkend dort herauszubegeben, ist ein heroischer Widerstandsakt. Viele
 >>verzweifeln vorher oder werden zynisch.
 >
 > Auch hier sehe ich wieder nichts, was nicht auch bei anderen 
Kooperationen
 > vorkommt. Viele langjährige Ehen funktionieren nach diesem Muster.

Das ist aber nicht zwangsläufig so, sondern jeweils eine Entscheidung.
Es gibt ja auch viele Ehen, aus denen die Leute rausgehen, sich also
anders entscheiden. Das "Vorkommen" allein sagt noch nichts.

Hm. Ja, vielleicht. Aber zu Ende gedacht bedeutet das doch auch wieder die
Unausweichlichkeit der WVG, also genau das, wovon wir beide ja meinen, dass
es nicht existieren würde. Wir haben ja doch eine Wahl. 

Uff ... mir glüht der Kopf. Und jetzt hoff´ ich mal, dass diese Mail
überhaupt ankommt, weil nämlich mein DSL grad die Grätsche gemacht hat.

Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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