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[ox] Re: Recht und Vergeltung



Ich würde behaupten, seit diese Welt ihre "Ordnung" unter der Dominanz
*eines* staatlichen Souveräns und seiner Bedürfnisse, sich die Welt
zum Mittel zu machen, gefunden hat, ist von Ordnung nicht mehr viel
übrig geblieben. Das kannst Du Dir zum Beispiel an der Verteilung der
globalen Handelsströme anschauen: der Norden hat sich die Welt
angeeignet.

Wenn die Rolle der Ordnungsmacht oft von den USA nahezu allein übernommen
wird, so liegt das nicht unwesentlich daran, dass sich dafür wenig andere
einfinden.  Meist sind es aber ohnehin Koalitionen aus mehreren Ländern.

Zu dem Norden, dessen Übergewicht gewachsen ist, gehören mehr Länder als
früher.  Es gibt immer neue "Schwellenländer" wie z.B. China und
Brasilien.

Da sind aber mikrologische Herde von Unordnung geschaffen worden und
sogar "Staaten als reale Gesamt- kriminelle" wie dies Ernst Lohoff von
der Krisis unnachahmlich klar und in Anspielung an den marxistischen
Terminus vom "Staat als ideellen Gesamtkapitalisten" ausgedrückt hat.
Diese Unordnung manifestiert sich jetzt auf globaler Ebene. Ihr ist
mit "Law and Order" nicht beizukommen, soferne dahinter nicht
ernsthafte Erkenntnis der eigenen Schuld steckt. Davon bemerke ich
aber nicht ein Mikrogramm !!!!!

Nach wie vor beschränkt sich der Einfluss der Nordstaaten auf die
Ausgestaltung von internationalen Verträgen und gelegentliche
Polizeiaktionen.  Andererseits weiß die an Weltpolitik interessierte
Expertengemeinde der USA, auf die sich der Präsident stützt, ziemlich
genau, dass das A & O aller Ordnungspolitik Bündnisse mit Mächten vor Ort
sind, und dass die Leute überall mit Hoffnung und Entwicklungsaussichten
vereinnahmt werden müssen.  Ein gezähmter Arafat, der seine Rolle in einer
von den USA geförderten Ordnung findet und dann öffentlichkeitswirksam
gegen den Terrorismus agiert ist möglicherweise mehr wert als ein
Fluggeschwader.  Aber auch letzteres kann nützlich sein.

Mit demselben recht hättest Du vor 33 JAhren übrigens die Sowjetunion
als "Ordnungsmacht" begrüßen und unter- stützen müssen! Das hast Du
sicher nicht, also sei auch heute nicht so vorschnell mit Deiner
Verurteilung der "Moralisten"!

Wegen der Unterdrückung des Prager Frühlings?
Das hat nichts mit Ordnung zu tun sondern im Gegenteil mit der
Durchsetzung von Willkürherrschaft.
Einen sowjetischen Einmarsch in Rumänien hätte man vielleicht als
Ordnungsmaßnahme rechtfertigen können.  Aber vor Ceaucescu, und mochte er
sich noch so antisowjetisch gebärden, hatte die SU keinerlei Angst.
Inwieweit eine Regierung die Menschenrechte achtet, ist eines der Indizien
dafür, ob es sich um eine Ordnungsmacht oder um das Gegenteil handelt.

Ja, wir "Moralisten" kennen und vertrauen auf eine stärkere
"Ordnungsmacht" als das staatliche Interesse. Es ist dies die
Selbstorganisation, und wir studieren ernsthaft und aufrichtig ihre
Keimformen, und machen uns nichts vor über ihre Fehler und Halbheiten.
Aber wir sind überzeugt davon daß sich hier erstmals eine "große
Ordnung" herausbildet, die übrigens Brecht auch sehr konsequent in
"große Produktion" umbenannt hat, weil ihn die politische Sichtweise
zunehmend angekotzt hat.

Jene neue Selbstorganisation hat wohl dann die besten Chancen, sich zu
entfalten, wenn der Mutterleib erhalten bleibt, in dem der Keim sich
entwickelt.

Ein ähnliches Kalkül stellt übrigens auch den derzeit de facto in China
existierenden Burgfrieden zwischen Regierenden und Regierten dar.  Die
Parteizeitung Renmin Ribao (Volkszeitung) drückte das letztes Jahr
anlässlich der NATO-Bomben auf Serbien etwa so aus: "Konzentrieren wir uns
darauf, die Einheit, Stabilität und Wirtschaftsentwicklung unseres Landes
zu gewährleisten.  Wer zurückbleibt, wird geschlagen.  Den letzen beißen
die Hunde."  M.a.W. Demokratisierung bedeutet vielleicht Jugoslawisierung,
und das ist dann erst einmal das Ende von allem.

Im Moment ist mir bei alldem noch immer ziemlich unklar, welche Keime sich
da entwickeln sollen.  Eine Art "GPL-Gesellschaft" ist bereits seit langem
im Bereich des Universitätswesens produktiv.  Daneben gibt es in einigen
Bereichen auch heute Planwirtschaft, welche durch besser Steuerungs- und
Kommunikationsmöglichkeiten dank Datenverarbeitung neue Kraft zuwachsen
kann.  Diese beiden Wirtschaftsformen hängen von Steuern und Staat ab.
Wo es dieses beides nicht gibt, bleibt der Markt mit seiner oft
produktiven Anarchie.

Liege ich richtig, wenn ich vermute, dass die meisten Leute hier eine
Ausweitung des universitären Produktionsmodelles befürworten, aber Angst
davor haben, zuzugeben, dass sie für mehr Staat sind, weil das ja wiederum
vielleicht mit "Repressions- und Militärapparat" und mit Inpflichtnahme
von Leuten einherginge, denen man ja lieber nur die "freie
Selbstentfaltung" versprechen will ?

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
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