Re: [ox] Re: Monopole und Kooperation
- From: Robert Gehring <zoroaster snafu.de>
- Date: Thu, 23 Aug 2001 13:37:25 +0000
Am Donnerstag, 23. August 2001 11:09 schrieb PILCH Hartmut:
Das Monopol von Post, Bahn und Telekom ist gesetzlich herbeigeführt,
klar... Die Inkompatiblitätsmonopole sind aber ebenso gesetzlich
gewollt: Urheberrecht und Geschmacksmusterschutz geben ein Monopol auf
eine Implementation, Patentrecht und Gebrauchsmusterschutz sogar auf
sämtliche Implementationen einer Spezifikation.
Hierbei ist das Monopol, zumindest in der Theorie, nicht Ziel sondern
notwendiges Uebel, welches es in Kauf zu nehmen gilt, damit Leistungen
verwertet werden koennen. Das Monopol fuehrt auch nicht unmittelbar zu
Inkompatibilitaeten. Diese werden unabhaengig vom Rechtschutz verfolgt
und wuerden auch dann existieren , wenn der Rechtsschutz entfiele und etwa
mit elementaren Mitteln wie Betriebsgeheimnis und Vertraegen gearbeitet
wuerde.
Also kann von einem gezielten Einrichten von Monopolen durch
Rechtsschutzsysteme nicht die Rede sein.
Im Bereich der "Informationsökonomie", wo "Netzwerkeffekte" (aka: network
externalities) in großem Umfang zum Tragen kommen, sichern proprietäre
"Standards" die Position eines marktbeherrschenden Unternehmens auch ohne
Rechtsschutz gegen Wettbewerber ab, _wenn_ sie geheim sind und bleiben. Wenn
Mitbewerber auf legalem Weg in der Lage sind, den jeweiligen "Standard"
nachzubauen (clean room implementation), so sind sie anschließend in der
Lage, die Position des marktbeherrschenden Unternehmens mit
Konkurenzprodukten anzugreifen.
Gegen solche Angriffe kann man sich als Unternehmen im Markt nicht legal
schützen, sondern nur außerhalb des Marktes, wozu der Rechtsschutz das
bestgeeignete Mittel ist.
["If a monopoly firm's profits are to persist in the long run, effective
entry barriers must prevent the entry of new firms into the industry. [...]
Many entry barriers are created by conscious government action and are,
therefore, officialy condoned. Patent laws, for instance, may prevent entry
by conferring on the patent-holder the sole legal right to produce a
particular product for a specific period of time. [...] In monopoly, however,
profits can persist in the long run whenever there are effective barriers to
entry. Entry barriers frustrate the adjustment mechanism that would otherwise
push profits toward zero in the long run."; Richard G. Lipsey, K. Alec
Chrystal: Principles of Economics, 9th ed., Oxford University Press, Oxford,
1999]
[Kartellbildung, ein anderes Mittel, ist da wesentlich riskanter für die
Unternehmen, da vom wettbewerbsbehördlichen Wohlwollen abhängig.]
Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes greifen die Kartellbehörden
allerdings, das hat die Praxis der letzten Jahrzehnte gezeigt (Stichwort: nur
eine einzige Zwangslizenzierung bei Patenten in der Geschichte der BRD),
praktisch _nie_ ein (von ein, zwei oder ein Dutzend Ausnahmen abgesehen). Und
das, obwohl die rechtliche Möglichkeit durchaus besteht. (Siehe z.B. Thomas
C. Vinje: Softwarelizenzen im Lichte von Art. 85 des EWG-Vertrages, Computer
und Recht 7/1993)
Im Gegenteil, zum Schutz der nationalen Wirtschaftsinteressen vor
internationalen Wettbewerbern (insbesondere seit der 2. Hälfte des 20. Jhd.),
wird Rechtschutz-Kartellen oft der Segen der nat.
Kartell-/Wettbewerbsbehörden erteilt. Klassische Beispiele sind die
Buchpreisbindung und das Sammelrevers im dt. Buchhandel oder auch der
Patentpool der American Automobile Manufacturers Association. Im Falle der
Buchpreisbindung hat z.B. die EU nur solange etwas dagegen, wie es
grenzüberschreitend erfolgt und in Deutschland kein entsprechendes Gesetz zum
Schutz der Preisbindung erlassen worden ist. Das kommt aber mit Sicherheit
noch, der Börsenverein arbeitet zielgerichtet darauf hin, u.a. auf Anregung
der EU-Kommission.
Der Rechtsschutz, insbesondere im Bereich der Patente, versetzt
marktbeherrschende Unternehmen in die Lage, ihre Stellung nicht nur zu
behalten, sondern ggf. -auch mit wettbewerbswidrigen Mitteln- auszubauen.
Siehe dazu das Urteil von Richter Jackson im Microsoft-Prozeß.
Der Rechtsschutz (von Informationsgütern in der information economy mit ihren
inhärenten network effects; siehe dazu z.B. Shapiro/Varian: Information
Rules) untermauert also die Position von Monopolisten und erleichtert die
Erlangung und Verteidigung von Monopolstellungen (bzw. Oligopolen mit wenigen
Unternehmen). (Zu den Konsequenzen -"joint profit maximization" im engen
Oligopol bzw. "monopoly profits" im Monopol- siehe z.B. Ingo Schmidt:
Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 6. Aufl., S.138ff.)
Was an sich alles keine neuen Erkenntnis ist, sondern bereits früh z.B. von
Walter Eucken (z.B. "Grundsätze der Wirtschaftspolitik") erkannt worden ist.
"The formation of monopolies can be encouraged by the state itself trough,
for example, its patent policy, trade policy, tax policy et cetera. This has
happened often in recent times. The state first encourages the formation of
private economic power and then becomes partially dependent on it." Eucken
zitiert bei Vanberg: The Freiburg school of law economics, in The New
Palgrave Dictionary of Economics and the Law.
In modernen Lehrbüchern über den Rechtsschutz, die Wettbewerbspolitik, die
Wirtschaft etc. wird es auch entsprechend dargestellt, z.B. in Edwin
Mansfield, Gary Yohe: Micro Economics, 10th ed., W.W.Norton & Company, New
York, 2000, heißt es:
"Why do monopolies exist? There are many reasons, but four seem to be
particularly important. [...] Third, a firm may acquire a monopoly over the
production of a good by having patents on the product or on certain basic
processes that are used in its production. [...]"
Insofern könnte man mit einiger Berechtigung von einem "(un)gezielten"
Einrichten und Schützen von Monopolen durch Rechtsschutzsysteme sprechen. Das
war seinerzeit ja auch durchaus beabsichtigt bei der Einführung der Gesetze -
in Grenzen allerdings.
Dort, wo Netzwerkeffekte besonders ausgeprägt sind, kommt aber die
Unterlassung einer _effektiven_ Politik gegen den Monopolmißbrauch der
mittelbaren Förderung einer Monopolbildung und des Monopolmißbrauchs gleich.
Im Bereich der Software ist das "sehr schön" zu beobachten und führt direkt
hin zu den Inkompatibilitäten - als Marktzutrittschranken gegen Wettbewerber.
Und das war _so_ (in dem gegenwärtig zu beobachtenden Maße) wohl ursprünglich
nicht beabsichtigt, es wird aber _hingenommen_: "The state first encourages
the formation of private economic power and then becomes partially dependent
on it." (s.o.)
Rechtsschutzpolitik ist immer im Kontext zur Wettberwerbspolitik zu sehen,
wenn es darum geht, über ihre (nicht) monopolisierenden Wirken zu urteilen.
MfG,
Robert Gehring
--
Von/From: Dipl.-Inform. Robert Gehring
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