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Re: [ox] Knappheit und andere Einsprüche



Hi alle!

Ich möchte mich an ein paar Stellen in diesen Sub-Thread einklinken.

Last month (28 days ago) RalfKrae wrote:
^^^^^^^^^^

Oh Mist...

In einer eMail vom 17.05.01 16:17:37 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit schreibt
f.nahrada magnet.at:

Mir erscheint die prinzipielle Bestimmung materieller Güter als "knapp"
 im Verhältnis zum Bedürfnis eine sehr problematische Angelegenheit.

 Der Sinn von Arbeit wäre es, diese Knappheit aufzuheben und durch Ziel-
 gerichtete Tätigkeit dafür zu sorgen, daß genug für die Bedürfnisse da ist.

Franz' Worte würde ich sehr unterstützen. Es geht drum, diese
verdammte Knappheits-Ideologie zu knacken. Nicht blind - das wäre nur
eine neue Ideologie. Nein, wir müssen uns diesem verdammten
Knappheits-Paradigma stellen und benennen, wo wir es konkret aushebeln
können. Freie Software und vielleicht alle Informationsprodukte
gehören auf jeden Fall dazu.

Mit "knapp" meine ich doch eigentlich nur, dass sie nicht einfach vorliegen
und nur genommen werden können, sondern immer wieder Arbeit nötig ist,

Ja. Das ist die alte Perspektive, in der der menschliche Anteil an der
_materiellen_ Produktion im Fokus steht.

In der GPL-Gesellschaft stünde der menschliche Anteil am
_planerischen_ Teil der materiellen Produktion im Fokus
<gebetsmühle>und dieser ist Informationsproduktion und unterliegt
damit den anderen Gesetzen der Informationsproduktion und hat mehr
Selbstentfaltungspotential...</gebetsmühle>.

Dieser Perspektivwechsel / Paradigmenwechsel ist für mich eine ganz
zentrale Größe, die bereits in der kapitalistischen Produktion
heranreift.

und
zwar nicht nur zur Selbstentfaltung, sondern um bestimmte Produkte
herzustellen, die dann konsumiert und damit vernichtet werden sollen (was bei
Informationsprodukten eben nicht so ist), auch wenn man das nicht als
Selbstentfaltung empfindet.

Die alte (arbeiterInnenbewegte) Perspektive ist ja ein eher
unkritisches Verhältnis zu den Produktionsmitteln: Sie waren ohnehin
nicht bzw. nur extrem eingeschränkt bestimmbar und im Wesentlichen von
den KapitalistInnen bestimmt und somit als gegeben angenommen. Aus
Sicht der ArbeiterInnenbewegung war und ist Rationalisierung z.B.
sakrosankt, da dies im Zweifel den eigenen Arbeitsplatz gekostet
hätte.

Die neue Perspektive wäre, die Produktionsmittel so (um)zugestalten,
daß der von dir beschriebene Effekt eben nicht eintritt, sondern
Selbstentfaltung zumindest begünstigt wird. Daß die Computer-Technik
mit ihrer viel größeren Zahl an Freiheitsgraden das begünstigt, hatte
ich vor längerem schon mal ausgeführt. Rationalisierung, d.h.
Verlagerung gesellschaftlich notwendiger Tätigkeit auf Maschinen, wäre
hier das oberste Ziel aller und nicht nur einer Klasse. Davon
verspreche ich mir einen erheblichen Entwicklungsschub.

Damit kommt letztlich auch die Verfügungsgewalt über die
Produktionsmittel und den gesamten gesellschaftlichen
Produktionsprozeß jenseits des Handwerksniveaus wieder in den Blick
einer Bewegung - finde ich *wahnsinnig* wichtig.

3 weeks (27 days) ago Annette Schlemm wrote:
"Stattdessen wird für den Markt produziert, was das Zeug hält - und zwar
unabhängig von jeder realen Relation auf das Bedürfnis, sondern um die
Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Schlagendes Fakt ist, daß zumindest
gemessen am zahlungskräftigen Bedürfnis von allem und jedem ZUVIEL da
ist - Milchseen, Butterberge, Fleischmassen. Für nicht zahlungsfähiges
Bedürfnis ist das natürlich alles zu schade. Das ist doch die heutige,
zeitgemäße
Elementarerfahrung!"

Für die Leute, die den real gewesenen Sozialismus erlebten, allerdings
nicht! Hier erlebten wir, daß es auf
zumindest einem nichtkapitalistischem Wege nicht klappt.

Dies aber definitiv innerhalb der Mittelepoche. Ja, es ist wohl so,
daß ein (regulierter) Kapitalismus in der Mittelepoche, d.h. mit dem
o.g. Fokus auf das materiell produktive an der menschlichen Tätigkeit,
daß ein solcher Kapitalismus die beste aller Welten (zumindest für den
reichen Teil der Welt) war.

Klar waren viele
Bedürfnisse auch zu konsumistisch und zu sehr am Westen orientiert. Aber wir
haben wirklich ganz stark das Gefühl, daß es nicht "einfach so läuft". Die
Probleme lagen ja nicht nur an eventuell übertriebenen Bedürfnissen, sondern
wir haben ganz stark überall ständig nur das Erlebnis des Mangels gehabt.
Gerade in der Produktion: nicht genug Werkzeug, Rohstoffmangel,
Zulieferengpässe, ...

Das müßte natürlich verhindert werden - klar. Aber ich bin skeptisch,
daß wir das am Reißbrett können. Freie Software ist jedenfalls auch
nicht am Reißbrett entstanden, sondern mit "Es könnte gehen, laßt es
uns versuchen".

Man kann für all dies sagen: Die Einbindung in den Weltmarkt wäre schuld
oder eben die Orientierung am Weststandard oder die Planwirtschaft oder wir
hatten eben noch nicht die benötigte Höhe der Produktivkräfte. Grad bei den
menschlichen Faktoren der Produktivkräfte standen wir sicher sehr gut da im
Vergleich - die technischen Momente jedoch bremsten diese enorm.

Mittelepoche halt. Ein deutlich höherer Technisierungsgrad / Stand der
Technik ist m.E. Voraussetzung für eine GPL-Gesellschaft.

Ich vertraue ja auch drauf, daß dies jetzt, mit dem erreichten Stand nicht
mehr so problematisch sein müßte (aber dadurch binde ich mich wirklich sehr
an die Meinung, der mögliche Fortschritt hänge sehr von dem Stand der
Produktivkraftentwicklung ab). Aber dieses Vertrauen kann nicht einfach da
sein. Das ist ein sehr großes Problem für uns.

Ja. Aber da hilft letztlich nur die praktische Erfahrung.

3 weeks (27 days) ago Benni Baermann wrote:
On Thu, May 17, 2001 at 04:13:16PM [PHONE NUMBER REMOVED], Franz J. Nahrada wrote:
Also hat "Selbstentfaltung" vielleicht einen etwas anderen Inhalt
als den, permanent ungesellschaftliche, unwichtige, nebensächliche
Dinge zu tun.

- Das was uns im Alltag oft als Selbstentfaltung begegnet sind sehr
oft solche (scheinbar) nebensächlichen  Dinge (Kunst, Sport, Hobby,
...).

Einspruch. Was du hier aufzählst, ist das, was in den Freizeitbereich
verwiesen wird. Kunst findest du aber auch im beruflichen Bereich -
müßte dir als Programmierer doch eigentlich vertraut sein ;-) .

Viele andere Formen von Selbstentfaltung findest du auch im
Berufsleben. Selbständige können sicher unter vielen Umständen gewisse
Selbstentfaltungspotentiale in ihrer Arbeit verwirklichen - gehört ja
sogar mit zur bürgerlichen Ideologie.

- Das sind also oft gerade die Bereiche in denen das Regime des
Werts noch nicht so sehr greift.

Sie sind halt noch nicht aufgesaugt - aber das läuft ja auf
Hochtouren.

- Das sie uns als nebensächlich erscheinen ist vielleicht nur
Ausdruck, dass sie eben nicht im Zentrum der kybernetischen
Maschiene liegen sondern eher am Rand.

- Das sind aber dennoch Bereiche in denen Spehr'scher Alienismus
existiert und meistens auch dominiert (Vereinsmeierei, Bürokratie,
...)

Sportvereine z.B. sind doch de facto von Fitness-Centern abgelöst.
Vereinsmeierei gibt's da nicht mehr sondern Individualismus,
Schaulaufen und Bezahle.

- Es gibt eine historische Tendenz, vormals wertfreie Bereiche immer
stärker zu verwerten (Kunstmarkt, Leistungssport, ...)

Ja.

und die
Alienisierung dieser Bereiche ist vielleicht eine Vorbedingung zu
ihrer Verwertung, so wie umgekehrt die Verwertung eine wichtige
Triebkraft der Alienisierung ist.

Ich sehe nicht wo die Alienisierung als Begriff hier Sinn macht. Das
verlagert m.E. den Blick auf Individuen, die m.E. doch nur als
Charaktermasken bestimmter (gesellschaftlich "notwendiger") Funktionen
verstanden werden können.

- mit der 3. Industriellen Revolution (Postfordismus) werden viele
dieser Bereiche von der Peripherie ins Zentrum der kybernetischen
Maschiene gerückt. Dabei müssen - vom Systemstandpunkt aus
betrachtet - die Aliens in diesen Bereichen jetzt innerhalb -
historisch betrachtet - verhältnismässig kurzer Zeit wirksam werden
und die Verwertung anstossen.

- FS ist vielleicht nur eine Insel, die - weil sie nicht so sehr
alienisiert war - diesem Verwertungszwang lange widerstehen konnte.

Das ist historisch-empirisch falsch. Freie Software ist nicht
entstanden und jetzt am Vergehen. Vielmehr ist Freie Software
entstanden, vergangen und entsteht *jetzt* *neu* und auf
gesellschaftlich relevantem Niveau und *in Konkurrenz* zu einem
etablierten Markt. Steht schon im Meilenstein-Text.

- In dieser Perspektive ist FS dann also nicht die Spitze der
Produktivkraftentwicklung sondern eher umgekehrt ein Nachzügler, was
nicht heissen muss, das darin nicht vielleicht trotzdem und gerade
deswegen eine Hoffnung liegen kann.

Wie gesagt halte ich das für falsch. Schau' dir auch mal Graham's
Vortrag zu diesem Thema an. *Sehr* spannend!


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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