Message 02062 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02057 Message: 3/20 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Prinzipielles/Teil II



Liebe Sabine und alle!

Ich habe überlegt, ob ich das hier privat schicken soll, aber ich
denke, daß das wichtig für uns alle ist.

5 hours ago sabine nuss wrote:
verschiedentlich kam nun die Reaktion, dieses von mir angerissene Thema auf
der Konferenz zu diskutieren. Das hatte ich eigentlich auch vor.

Dann sollten wir das auch machen. Irgendwo muß sich das unterbringen
lassen. Ich fände es wichtig.

Im Grunde wollt
ich das alles gar nicht jetzt groß vor der Konferenz noch in der Liste
ausdiskutieren, da die ganze Energie gegenwärtig für die Organisation
gebraucht wird. Daher tuts mir fast schon wieder ein bisschen leid, nun doch so
viel Kraft zu absorbieren.

Ich finde es gut, daß du das vor der Konferenz nochmal auf den Punkt
gebracht hast. Ich erinnere mich, daß du solcherlei Bedenken schon
öfter geäußert hast und die oft ein bißchen untergegangen sind. Was
können wir/ich tun um das zu ändern? Was kannst du tun um das zu
ändern?

Solche wichtigen Störungen sollten nach meiner Erfahrung sofort
bearbeitet werden, da ihre Nicht-Klärung mehr Energie kostet als die
Unterbrechung.

Anyway. Auf den ein oder anderen Punkt aus euren
Reaktionen möchte ich doch kurz eingehen.

Ihr hattet angenommen, ich würde die Utopisten-Threads in dieser Liste hier
überbewerten und daher so reagieren. Dies stimmt nur zum Teil: Die Utopisten
waren der Auslöser, aber nicht der alleinige Anlass. Dass sich Oekonux als
Projektionsfläche anbietet, ist mir bewußt und dass eben nun halt die Utopisten
an der Reihe sind, so wie Stefan Mz. das ausgedrückt hat, mag auch stimmen.

Ja, und es stimmt auch, daß das nervig und ein Problem werden kann.
Insbesondere wenn die "Kritiker" nicht mal verstehen, worüber sie
eigentlich reden. Den Krisis-Leuten geht es ja nicht anders. Und die
haben sich nach meiner Wahrnehmung auch so eingeigelt, daß sie nicht
mal mehr uns richtig wahrnehmen können. Das sollte uns nicht
passieren.

Und Stefan Mn. hat ja auch recht, wenn er sagt, ich könnte mich da ja
widersprechend einmischen, usw. Alles richtig.

Ja, aber auch hier gibt es Kapazitätsgrenzen - wie ich selbst deutlich
spüre. Das ist schon auch ein Problem. Lösungsideen?

Aber so, wie es nun von euch dargestellt wird, nämlich dass mich mein
Eindruck, Oekonux gerät zur Metapher für eine utopische Weltsicht, täuscht -
so ist es auch nicht. Welche Außenwahrnehmung, hattet ihr verschiedentlich
gefragt, würde ich denn meinen?

Auffallen tut mir das (nicht nur, aber) immer mal wieder, wenn ich mit Abstand
auf das "Projekt Oekonux" schaue, beispielsweise durch die Augen eines
Dritten.

Sehr wichtig! Betriebsblindheit ist was ganz Schlimmes und kommt gerne
schleichend. Auch hier der Hinweis auf Krisis: Das "Manifest gegen die
Arbeit" finde ich ein gutes Beispiel dafür, wie Betriebsblindheit dazu
führt, daß Anspruch und Wirklichkeit um Größenordnungen
auseinanderklaffen.

Das können Freunde, Bekannte oder Medien sein.

Hier hätte ich einen systematischen Einwand. Kann ein Projekt, in dem
immerhin auch die Überwindung des Tausches geredet wird, überhaupt von
den allermeisten anders wahrgenommen werden als spinnert? Ich glaube
nicht.

In den Nachrichten
der Rosa-Luxemburg-Stiftung  (April 2001) beispielsweise wird auf Seite 2 die
Konferenz angekündigt mit einem eigenen Kommentar dazu. Darin wird das
Wort "frei" in dem Titel der Konferenz thematisiert. Ich zitiert mal:

"Welcher geschichtsbewußte Genosse zuckte nicht bei der Kalten-Kriegs-
Rede von der >>Freien Welt<< zusammen? Wer wüßte nicht schnurstracks,
dass sich hinter dem Satz >>Von der freien Software zur Freien Welt<<
hochverdächtiger technologischer Determinismus verbirgt? Warum unterstützt
die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein offenbar politisch wie theoretisch obskures
Tagungsprojekt?"

blabla...dann wird kurz erklärt, was Oekonux ist (Wortkombination, Mailingliste,
usw.) und schließlich geht es weiter:

"...und arbeitet an einer einfachen Frage: Welche ökonomische Form und
politische Perspektive hat die Freie Software?"

Der erste einleitende Teil und die schließlich am Ende gestellte Frage, drückt
eigentlich sehr anschaulich das ganze Spannungsfeld aus, das uns seit Beginn
von Oekonux auch begleitet.

D.h. das ist eine richtige Wahrnehmung? Dann wäre es uns da also
gelungen. Scheint mir ein wichtiges Indiz.

Da sind die einen, die in Oekonux eine politische
Bewegung sehen (wenn ich dich, Stefan Mn. in deiner Mail so richtig
verstanden habe, wenn Du sagst: "Oekonux ist jedenfalls mit Abstand der
beste Hebel, der mir in zwölf Jahren radikalem politischen Engagement über
den Weg gelaufen ist") und die anderen, die darin ein thematisch abgestecktes
Diskussionsforum sehen, wobei das Thema neu und mit offenem Ausgang vor
uns liegt (das wäre dann ich).

Ich bezweifele, daß sich das so sauber trennen läßt. Ich habe
jedenfalls auch Anteile "deiner" Position in mir. Aber das nur BTW.

Beide Positionen machen Oekonux aus und sind
schließlich auch permanenter Diskussionsstoff und dagegen habe ich ja
überhaupt gar nichts einzuwenden. Mein Unbehagen beruhte nun lediglich
darauf, dass eine der beiden Sichtweisen die Hauptrepräsentationsform des
Projekts einnimmt und selbst da würde ich sagen, okay, dann ists
halt so,

Das ist für mich nicht "halt so". Da besteht Änderungsbedarf und da
ich schlecht deine Position so einnehmen kann wie du, würde ich mir
wünschen, daß du - und andere mit deiner Position - dich da mehr
einbringen und wir gemeinsam versuchen eine Präsentation zu finden,
die dem entspricht was auch tatsächlich drin ist. Und BTW: Wenn ich
eins hasse, dann ist es Etikettenschwindel.

aber
dann will ich nur die Organisation mittragen und nicht die Idendifikation mit der
Repräsentation. Das war alles.

Das respektiere ich natürlich, fände ich aber hochbedauerlich und
wichtiger: Einen Schritt in die falsche Richtung. Einbringen,
einmischen, dir und uns allen weiterhelfen fände ich wichtiger.

Ebenso steht in der Definition (Homepage) dessen, was Oekonux ist, nicht
drin, dass es ein Diskussionsforum sei, welche die ökonomischen und
politischen Formen der Freien Software diskutiert oder untersucht, sondern es
steht drin:

"Das Projekt Oekonux arbeitet seit Juli '99 an der Frage, ob und inwieweit die
Prinzipien Freier Software-Entwicklung - Verwertungsfreiheit, individuelle
Selbstentfaltung, kollektive Selbstorganisation und globale Vernetzung - als
Grundlage für eine neue, Freie Gesellschaft dienen können".

Momang. Auf `http://www.oekonux.de/' steht

  In diesem Projekt untersuchen die unterschiedlichsten Menschen, ob
  die Prinzipien der Entwicklung von Gnu/Linux eine neue Ökonomie
  begründen können. Davon abgeleitet ist die Frage, ob die Prinzipien
  von Gnu/Linux als Grundlage für eine neue Gesellschaft dienen
  können.

Kannst du dich da drin wiederfinden? Falls nicht: Her mit den
Verbesserungsvorschlägen.

Wo findest du das, was du unpassend findest? [... grep ...] Ah, im
Call-for-Paper für die Konferenz. Ist irgendwo auch mal diskutiert
worden. Vielleicht fehlt dein Beitrag? Und ich habe ihn beim Schreiben
damals nicht antizipiert :-( .

Also, die Utopisten verirren sich nicht ganz so beliebig auf die Oekonux-Seiten
und meiner Reaktion geht mehr voraus, als nur die aktuellen Threads zum
Thema. Das nochmal zur Motivation meiner Bedenken und meiner prinzipiellen
Mail, die ich in Pox gesendet hatte - ohne nun gleich so einen großen Thread
damit auslösen zu wollen.

Nee, nee, das ist schon wichtig. Ich finde - wie bemerkt - die ganze
Bandbreite hier ungeheuer wichtig.

Es ist halt immer ein Spagat, weil ich selbst natürlich schon eine
Position habe und die natürlich auch vertreten will. In meinem
Standardvortrag formuliere ich so etwas wie "von allen akzeptiert wenn
auch nicht von allen geteilt" um in wenigen Worten diesen Spagat in
eine Außendarstellung rüberzubringen.

Aber so sind halt reale Menschen und reale Diskussionen, die nicht
unter der Käseglocke eines ideologischen Überbaus stattfinden. So wird
es überall in realen Gesellschaften aussehen - "GPL-" davor hin oder
her. Damit müssen wir umgehen (lernen). Und bisher finde ich, daß wir
uns auf jeden Fall nach Kräften darum bemühen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02057 Message: 3/20 L1 [In index]
Message 02062 [Homepage] [Navigation]