[ox] Prinzipielles/Teil I
- From: sabine.nuss gmx.de
- Date: Sun, 15 Apr 2001 16:01:02 +0200
Liebe Liste,
folgende Mail (s.u.) habe ich an die Pox-Liste geschickt, wobei dort
die Bitte geäußert wurde, sie doch in die Ox-Liste zu posten, da es
nicht nur um Konferenzorganisation, sondern im wesentlichen um
Inhaltliches ginge. Das mach ich hiermit. Unten an hängen dann
die Reaktionen darauf. Meine Antwort auf diese Reaktionen
wiederum versende ich separat, diesmal gleich in die ox-Liste.
Grüße
Sabine
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From: sabine.nuss gmx.de
To: projekt oekonux.de
Subject: Prinzipielles
Date sent: Sat, 14 Apr 2001 16:29:19 [PHONE NUMBER REMOVED]
Hallo Stefan Mn., hallo Stefan Mz., hallo alle,
ich wollte hier mal auf das eingehen, wofür Stefan Mn. mich
andernmails vorgeschlagen hat, würde das gerne ablehnen und
dabei ein ganz prinzipielles Problem ansprechen, was ich
persönlich mit der Konferenz habe.
Nach Stefans Liste wäre ich für die Leitung des "Planung der
nächsten Konferenz"-Slots (oder so) vorgesehen, außerdem für ein
kurzes Statement zu Organisatorischem bei der Begrüßung.
Nun ist es aber so, dass "Oekonux" inzwischen für eine bestimmte
Sicht der Dinge steht. "Oekonux" wird vielfach gleichgesetzt mit
der Haltung, dass die Freie Software als Keimform einer
Vergesellschaftungsform jenseits von kapitalistischen
Verwertungszwängen betrachtet wird. Oekonux wird mitunter
selbst schon als utopistische Idee wahrgenommen. Die
differierenden Meinungen, die in Oekonux existieren, werden dabei
völlig unterschlagen und so kommt es, dass gerade gegenwärtig in
die Hauptliste Mails gepostet werden, die auf irgendwelche anderen
Utopien verweisen, Panokratie und was da alles gerade an lustigen
Gesellschaftsentwürfen so reingepostet wird, mit dem Glauben, bei
Oekonux damit auf einen gleichgesinnten Konsens oder ähnliches
zu stossen. Irgendwie müssen die Leute ja auf solche Gedanken
kommen.
Ich für meinen Teil bin überhaupt kein Freund von Utopien und ich
finde sie im Übrigen auch gefährlich, im besten Falle aber einfach
nur langweilig. Nach wir vor plädiere ich für Kritik und nicht für
utopistische Gegenentwürfe, die mir dann doch sehr an der
Lebenswirklichkeit vorbeigehen. Auch der Enthusiasmus bezüglich
Freier Software und das ganze Themenspektrum verursacht bei mir
Skepsis und Vorsicht. Das ist aber eine Diskussion für sich.
Ich betrachte das ein wenig mit Bedauern, dass nun dann doch die
Utopie-Schiene die Vorderhand zu gewinnen scheint bei Oekonux
(in der Außenwahrnehmung, was aber schon auch "innen"
produziert wurde - wir hatten schon mal einen Thread, wo wir
darüber diskutiert haben, ob wir den Begriff "Oekonux" bereits für
diese "andere" Gesellschaft verwenden wollen. Da hab ich schon
heftig protestiert - ein wenig vergeblich, wie sich langsam
abzeichnet). Es liegt mir aber fern, da nun groß Einfluss üben zu
wollen, da ich längst nicht soviel Zeit und Arbeit investiere, wie die
beiden Stefans, die so ziemlich die Hauptlast vons Janzem tragen.
Ich sehe mich im rein organisatorischen Bereich als ein "wir",
möchte mich aber ungerne als ein inhaltliches "wir" verstanden
wissen. Daher will ich lieber ein wenig "hinter den Kulissen" wirken
und eine zweite Okeonux-Konferenz vielleicht gar nicht mehr so
intensiv begleiten, wie bislang diese hier und daher auch die
Debatte darüber nicht leiten. "Oekonux" wird den Selbstläufer, den
es jetzt gerade erlebt noch weiter auf diesem Weg fortsetzen, das
möchte ich so nicht mittragen.
Ich hoffe, ihr versteht mich nicht falsch. Es geht nicht darum, dass
ich mich vor etwas drücken will oder dass ich der ganzen
Entwicklung der letzten zwei (?) Jahre negativ gegenüberstehe - im
Gegenteil, ich habe viel profitiert von den ganzen Debatten und
finde das Mailinglisten und Konferenz-Projekt als solches auch neu
und interessant. Mich drückt der Schuh an der rein inhaltlichen
Ebene, die auszudisktutieren wir nun kurz vor der Konferenz
einfach keine Zeit mehr haben, auf der Konferenz eher und daher
beteilige ich mich auch dabei. Nun denke ich aber auch nicht, dass
ich mit diesen beiden kleinen Pöstchen unersetzlich bin, ihr werdet
da locker jemanden finden - es ging mir hier eigentlich mehr um
das Prinzip und die Gründe meiner Zurückhaltung.
Liebe Grüße
Sabine
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Organization: DFKI Kaiserslautern GmbH, D 67663
Kaiserslautern
Date sent: Sat, 14 Apr 2001 22:47:27 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
To: projekt oekonux.de
Subject: Re: [pox] Prinzipielles
Send reply to: projekt oekonux.de
Hi Sabine,
ich möchte nicht auf Details Deiner prinzipiellen Kritik eingehen
(auf deinen Wunsch, irgendwas nicht machen zu wollen, sowieso
nicht), sondern ich möchte Dir mein Erleben der Oekonux-
Entwicklung schildern.
Nach meinem Erleben hat Oekonux immer wieder ganz
unterschiedliche Leute mit ganz unterschiedlichen Themen und
Herangehensweisen angezogen. Dass jetzt die Utopisten an der
Reihe sind, ist konkret jetzt wohl Zufall - dass es einen
gesellschaftlichen Bedarf nach "Utopien" im weitesten Sinne gibt,
nicht. Ich denke da an den "Verblendungszusammenhang"-
Kongress, wo hunderte Leute hinrannten - und vermutlich
enttäuscht wurden. Nun ist halt Oekonux als Projektionsfläche an
der Reihe.
Ich bin auch kein Fan von Utopien, obwohl mir klar ist, dass ich
durch meine Beiträge auch mit eine Projektionsfläche für genau das
schaffe (es gibt aber auch andere Beiträge, die gar vom
"Kommunismus" sprechen;-)). Ich bin aber genauso auch nicht ein
Anhänger der Zusammenbruchsthese von Krisis, nicht ein Vertreter
der Annahme, die freie Softwarebewegung wird eh irgendwann
gekauft oder das hier: die freie Softwarebewegung sei
revolutionäres Subjekt oder wieder anders: bei der freien Software
handelt es sich um einen Wegbereiter einer besonders intensiven
Form von Ausbeutung usw. - ein paar andere Beispiele von
Projektionen, gegen ich mich immer wieder stelle.
Ich teile alle diese Meinungen nicht, will sie aber unbedingt mit
drin haben in Oekonux - und wenn ich mir die Konferenz anschaue,
sieht das dafür nicht schlecht aus: Die "Keimformanhänger" (zu
denen ich mich zähle) sind da eher in einer kleinen Minderheit.
Wie ein Bild außerhalb von Oekonux entsteht, ist mir nicht klar. Ich
habe aber stark den Eindruck, dass Du Dich von den momentanen
Threads zur Utopie etwas sehr stark beeindrucken läßt. Kann das
sein? Ich glaube nicht, dass die Utopieschiene die Vorderhand
gewinnen wird.
Anyway, meine Botschaft ist: Geh bitte nicht raus, Leute wie Du
sind wichtig für das Projekt.
Ich möchte Bennis Vorschlag unterstützen: Laß auf der Konferenz
einen Ort finden, wo wir in Ruhe (sofern wir die finden, seufz....)
über das von Dir aufgeworfene Problem reden können. Wäre das
ok?
Ciao,
Stefan
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft / HBV
HA II, Abteilung Datenverarbeitung
Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
--
stefan.meretz hbv.org
maintaining: http://www.hbv.org
see also: http://www.verdi-net.de
private stuff: http://www.meretz.de
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Organization: DFKI Kaiserslautern GmbH, D 67663
Kaiserslautern
To: projekt oekonux.de
Copies to: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
Subject: Re: [pox] Prinzipielles
Date sent: Sun, 15 Apr 2001 00:47:55 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
Send reply to: projekt oekonux.de
-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hi Sabine!
Puh, deine Mail hat mich erstmal ziemlich umgehauen. Ich weiß
gar nicht, ob ich schon was Schlaues dazu weiß... Nachdem ich
gerade auch Stefans Mail gelesen habe, weiß ich noch weniger
Neues: Seiner Sicht kann ich mich problemlos anschließen.
Insbesondere habe ich auch das Gefühl, daß du die momentane
Entwicklung überbewertest.
Ich sehe allerdings leider noch nicht so genau, was dich stört, weil
ich mit der Hauptliste schon wieder 50 Mails im Rückstand liege :-(
:-( . Aber anhand der Subjects ahne ich, was dich stört. Ich sag' dir
eins: Mich stört das auch und ich habe ja gestern auch schon mal
ansatzweise auf Panokraten und GesellianerInnen reagiert und
verlaß dich drauf: Das werde ich auch weiter machen.
Ich persönlich finde eine Utopie als Illustration eines neuen
Gedankengebäudes zwar wichtig (weil die Leute was zum
Vorstellen brauchen um begeistert zu sein - letzlich ein
Bewegungsargument) und nützlich (weil es Denkblockaden
überwinden hilft). Aber auch da möchte ich realistisch bleiben und
auch meine Keynote wird da nur ein paar Mosaiksteinchen
anbieten, um was Neues vorstellbar zu machen.
Für mich ist Oekonux auch deine Position und Franz' und Ralfs und
Thomas und Annettes und Bennis und Ullis und Lorenz' und und
und...Ein riesiges Sammelsurium ganz unterschiedlicher
Herangehensweisen, ganz unterschiedlicher Hintergründe, ganz
unterschiedlicher Prioritätensetzungen. Und all das finde ich gar
nicht selbstverständlich, sondern ein unglaubliches Geschenk, daß
den ganzen Laden hier nicht nur theoretisch aufwertet, sondern
ganz praktisch das schafft, wovon die halbe Linke seit Jahrzehnten
träumt: Unterschiedliche Leute an einen (virtuellen) Tisch zu
bringen. Und auch hier spreche ich übrigens durchaus aus
Erfahrung mit Projekten, die nur im eigenen Saft schmoren.
Und sich von ein paar Schreihälsen oder Leuten, die nichts kapieren
einschüchtern lassen? Nee, soweit bringen die uns nicht. Denke
doch mal an Christian Fuchs und das Kettensägenmassaker oder
an Hartmut Pilch oder andere, die eine Zeitlang mal vor allem durch
Lautstärke dominant waren. Die sind alle wieder so schnell
verschwunden wie sie gekommen sind. Wie ich neulich schon
sagte: Ich denke, daß wir mittlerweile uns so gut gefunden haben,
daß wir so etwas doch recht locker abkönnen. Und schau dir so
viele andere Mailing-Listen an, die an solchen Dingen scheitern. Ich
habe so viele hoffnungsvolle Projekte an solchen IdiotInnen
scheitern sehen. Wie schon mehrfach erwähnt: Nicht mehr mit mir.
Aber in der Tat werden wir wohl so langsam richtig von der
Außenwelt wahrgenommen - oft positiv aber manchmal auch als
Verriß. Wir hatten knapp zwei Jahre Zeit uns zu entwickeln und
jetzt sind wir mit dem Geschaffenen so erfolgreich, daß wir uns
langsam mal anfangen müssen, uns in der Welt zu behaupten -
wie die Freie Software nur schneller übrigens. Aber wollten wir das
nicht auch? Ich wollte jedenfalls kein Kaffehausprojekt, das
niemenschen außerhalb des Kaffeehauses interessiert und das in
der Welt nichts bewirkt. Ich will in dieser Welt was bewegen auf
das es allen BewohnerInnen dieses Planeten besser geht.
Oekonux ist jedenfalls mit Abstand der beste Hebel, der mir in
zwölf Jahren radikalem politischen Engagement über den Weg
gelaufen ist. Und ich spüre sehr tief, daß wir richtig liegen. Und
weil wir richtig liegen, haben wir auch diesen Erfolg.
Wie Benni finde ich übrigens, daß die inhaltlichen Dinge nach [ox]
gehören. Da wären sie sicher eine Bereicherung für alle. Das
persönliche Einmischen ist allerdings wichtig. Daß du das kannst
hast du in der Vergangenheit oft genug gezeigt und ich würde mich
wirklich freuen, wenn du deine unguten Gefühle dahin lenken
könntest.
Daß du überlegst, deine Beteiligung an dem Laden
zurückzunehmen, das finde ich allerdings eine Katastrophe, die
den Namen verdient hat. Wie du weißt, habe ich mir sehr
gewünscht, daß du hier bist und ich muß sagen, daß ich damals
gar nicht geahnt habe, wie wichtig du für uns bist. Wenn ich heute
an einen Kern des Projekts denke, dann denke ich nicht nur an die
Stefans sondern vor allem auch an dich und an Helmut. Nein, hier
wird's ganz personal-konkret: Du bist eben nicht einfach so
ersetzbar!
Mit Freien Grüßen
Stefan
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Organization: DFKI Kaiserslautern GmbH, D 67663
Kaiserslautern
Date sent: Sat, 14 Apr 2001 20:09:39 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: Benni Baermann <benni cs.uni-
frankfurt.de>
To: projekt oekonux.de
Subject: Re: [pox] Prinzipielles
Send reply to: projekt oekonux.de
Hallo!
Ich bin zwar grad etwas unverschämt mich hier als fauler Hund auf
einmal zu äußern, aber ich wollte nur kurz zu Protokoll geben, dass
ich Sabines Haltung sehr gut verstehe und mir das auch schon
aufgefallen ist, auch wenn ich sicherlich inhaltlich nicht so viele
Probleme mit der Utopiefraktion habe, wie sie.
Mir wäre es sehr wichtig, wenn Leute wie Sabine dabei bleiben und
nicht auf kaltem Weg rausgeschoben werden. Da ist sicherlich
keine Absicht dahinter, nur denke ich, dass - wenn man das Forum
in seiner Breite erhalten will - im Gegenteil absichtliches
Gegensteuern nötig ist.
Deswegen sollte man das unbedingt auf dem Kongres
thematisieren. Ich hab jetzt leider keinen Überblick in welcher
Veranstaltung das passieren könnte.
Gehört das alles nicht eher nach [ox]?
Gruesse, Benni
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- Weiter siehe "Prinzipielles/Teil II" -
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PROKLA
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privat:
sabine.nuss gmx.de
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