Message 01763 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT01668 Message: 35/42 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Grundsicherung



Hallo!

On Mon, Jan 29, 2001 at 10:05:36AM -0500, Horibbeck aol.com wrote:
Das, was mich (und vielleicht auch mal sehr viele) an Freier Software so 
begeistert, ist doch das befreiende Moment, das Emanzipatorische an ihr, 
nähmlich 1. die GÄNZLICH der Bedingung der Kapital-Verwertung entzogene 
Produktion, 2. Die GÄNZLICHE Verhinderung ihres irgendwie gearteten Besitzes 
(d.h. ihre tendenziell bedingungslose Verfügbarkeit) und 3. ihre überragende 
Qualität und damit ihre Ausstrahlungskraft als realistische, nicht auf 
Verzicht basierende Selbstversorgungs-Alternative jenseits von 
Kapital-Verwertung !!!!!

zu 1.: Von gänzlich kann nicht die Rede sein. Es werden Leute dafür
bezahlt, dass sie FS programmieren und nicht in allen Fällen dürfen
sie frei entscheiden, was sie programmieren und was nicht.

zu 2.: Auch da stimmt das "gänzlich" nicht. Es gibt so etwas wie
einen "Besitz durch Ahnung". Wer einmal versucht hat, sich in grosse
fremde Programme einzulesen, weiss was ich meine. Natürlich kommt es
vor, dass ein Projekt übernommen wird, aber öfter kommt es vor, dass
es einschläft, wenn der ursprüngliche Autor nicht mehr weitermacht.
Das ist natürlich kein Besitz im herkömmlichen Sinn, aber es gibt
auf jeden Fall sowas wie eine Hierarchie der Zugänglichkeit.

zu 3.: Auch die überragende Qualität hat so ihre Schattenseiten. FS
ist immer noch zu grossen Teilen eine Software von Entwicklern für
Entwickler. Qualität ist eben keine Einbahnstraße, sondern es ist
immer zu fragen: Qualität für wen und was?

Eine "bedingungslose" Grundrente scheint mir aber das gerade Gegenteil.

Ich sehe gleich 3 quasi selbstverständliche Voraussetzungen (Bedingungen):

Interessant finde ich erstmal, dass Du nicht davon sprichts, was
denn die Vorraussetzungen (Bedingungen) für das Zustandekommen von
FS sind. Das sind zB.:

- Die Programmierer brauchen eine materielle Versorgung - meist
kommt die aus anderen Quellen als aus ihrer Betätigung für FS.

- Sie brauchen eine enorme Vorbildung und müssen auch in der Lage
sein, sich ständig weiterzubilden.

und in diesem Rahmen könnte Grundsicherung Leuten ermöglichen FS zu
programmieren, die das sonst nicht könnten.

 1. "gelingende Verwertungsprozesse" (Maniffest), 
 2. den Finanzierbarkeits-Vorbehalt (eigentlich in "gelingend" enthalten) und 

Daszu hab ich ja jetzt schon oft was geschrieben. Nochmal: Ich
denke, dass uns die Verwertungsprozesse, ob sie jetzt gelingen oder
nicht, noch eine ganze Zeit lang erhalten bleiben - davon gehen ja
bisher auch die weitestgehenden Thesen hier auf der Liste aus. Und
ich denke es macht wenig Sinn, das zu ignorieren im Sinne einer
reinen Lehre, die mit Verwertungsprozessen nicht in Berührung
gebracht werden will. Auch sonst wird doch hier gerade immer als
eine Stärke von FS gesehen, dass sie innerhalb dieser Prozesse auch
schon funktioniert.

 3. die Existenz eines tendenziell funktionsfähigen Staates und damit 
verbunden die
     Bedingung deutsch (!) sein zu müssen.

Das ist tatsächlich ein Problem, da gebe ich Dir Recht. In diesem
Sinne finde ich ja die Konzepte eines "lokalen" Grundeinkommens die
hier parallel gerade diskutiert werden sehr interessant - auch wenn
ich das immer noch nicht so ganz verstehe. Aber auch hier gilt: Der
Nationalstaat wird nicht von heute auf morgen verschwinden und warum
dann nicht in seinem Rahmen Verbesserungen herbeiführen solange sie
nicht kontraproduktiv sind. Ich sehe ja völlig ein, das
Grundeinkommen nicht direkt zur Revolution führt, aber solange man mir
nicht zeigen kann, dass es davon wegführt sehe ich keinen Anlass
dagegen zu sein.

Und außerdem:
Ich verstehe immer nicht, was substantiell an der Forderung nach 
Grundsicherung überhaupt emanzipatorischer (in dem Sinne der relativen 
Befreihung vom Arbeitszwang) sein soll, als es Arbeitslosengeld-(hilfe), 
Sozialhilfe und Rente ja schon sind. 

Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung (Wie ist das
eigentlich mit Arbeitslosenhilfe? Da kenn ich mich nicht aus, muss
ich gestehen). Was die Sozialhilfe angeht:

- Tatsächlich reicht Sozialhilfe kaum zum Leben insofern ist es auch
eine Frage der Höhe.

- Die Sozialhilfe ist inzwischen fast überall abhängig von
Arbeitsleistung.

- Man erspart sich eine demütigende Bürokratie.

- Grundeinkommen erhält _jeder_, auch die die arbeiten.

- Grundeinkommen wird nicht Familienweise ausgezahlt. Was
insbesondere für Frauen und Kinder enorm wichtig sein kann. Sie sind
nicht mehr vom "Ernährer" der Familie abhängig.

- Sozialhilfe wird nur als absolute Notlösung angesehen.
Grundeinkommen ist völlig normal - eben gerade dadurch, dass es
jeder erhält. 

Eventuell "interessante" Rededuelle, aber (vorsicht Falle!) unter der Hand 
ist allzu schnell keine Rede mehr von dem, was FS eigentlich ausmacht.

Wie gesagt: Man kann nicht von FS reden ohne die Bedingungen zur
Sprache zu bringen unter denen sie zu Stande kommt. Faktisch
bedeutet das zur Zeit, dass nur Privilegierte überhaupt in der Lage
sind FS zu schaffen. Das könnte u.a. auch ein Grund dafür sein,
wieso die Programmierer von FS zu >90% weisse, männliche, westliche
Mittelschichtler sind. Und das finde ich auch ein wichtiges Thema,
das hier eh noch völlig untergeht momentan.

Grüsse, Benni
-- 
      Ragnaroek-Play-by-email: http://ragnaroek.home.pages.de/
               Goetter und Erdlinge am Ende der Welt

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT01668 Message: 35/42 L2 [In index]
Message 01763 [Homepage] [Navigation]