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Re: [ox] Technik und Selbstentfaltung (was: Re: "Flügel")



stefan merten @ oekonux.de schreibt:
Daß diese heutige Technik global so destruktiv ist, ist nach meiner
Einschätzung auch eine Folge ihres Einsatzes in der blinden
Wertverwertung deren Ergebnis sie ist (ja, auch in den hingeschiedenen
sog. realsozialistischen Staaten). Aber da kann ich mich irren. Ich
weiß nicht, ob eine Technik, die aus Gründen der Selbstentfaltung
entwickelt wird, *per se* weniger destruktiv ist. Wir können das
momentan hoffen und vielleicht auch hoffen, daß sich bei Abwesenheit
des Profitprinzips gesellschaftliche Kräfte entwickeln, die
destruktive Technik tendenziell verhindern - aber das haben wir noch
nicht wirklich diskutiert.

Schön daß diese Fragen auftauchen. Mit dem Abwarten ist das 
so eine Sache. So sehr wir mit Natur umgehen und Naturprozesse
steuern, so sehr ist eine nicht-destruktive Technologie tatsächlich
die Frage einer bewußten Entwicklung. Und die passiert jetzt, wenn
auch als Technikkritik. Technikkritik wiederum, die keine Alter-
nativen (KONKRET!!) zu denken vermag, ist hilflos.

Man könnte sagen, einen ernsthaften Kapitalismuskritiker erkennt
man am besten, indem man ihm die Frage stellt, ob die Kreissäge im 
Sozialismus dieselbe bleibt. Antwortet er/sie mit "ja", dann liegt
keine wirkliche Kritik der Verhältnisse und mit ziemlicher 
Sicherheit ein theoretischer Fehler vor.

Ich glaub wenn wir das nicht diskutieren, dann können wir den Laden
gleich zusperren. Technikkritik und Wirtschafts/Gesellschafts/Staats/
Ideologiekritik müssen Hand in Hand gehen, die Technik und die Fragen
unseres "Naturumganges" draußen zu lassen heißt sehr abstrakt denken.
Das ist ja auch die crux bei der "Krisis" und der inhaltliche Fortschritt
von oekonux.

Ein wirklich gelungenes Beispiel, was eine nicht-destruktive Technik
zuwege bringt, war John Todds Arche in New Alchemy, Cape Codd, MA.
Amory Lovins nennt das Bio-Mimicry, Terrence Mc Kenna das 
"Paradigma der Pflanze". 

Ein wenig Eindruck, was gemeint ist, vermittelt vielleicht die site
http://www.livingtechnologies.com/htm/home.htm
aber auch in
http://www.natcap.org/
lohnt es sich zu stöbern

Auf dem Gebiet könnte viel mehr passieren. Vor allem fehlt diesen
Technologen der soziale Bezug...sie drehen die Dinge einfach um und sagen
"Natur ist knapp, Arbeitskraft im Überfluß vorhanden". Das sollte
einen nicht daran hindern, diese Dinge genauer zu studieren und
in die Programmatik einer befreiten Gesellschaft aufzunehmen.

"Aus Gründen der Selbstentfaltung" wird keine Technik entwickelt,
hier gehe ich nicht d'accord mit Stefans Diktion. Um nochmal die
Frage der Anthropologie zu bemühen, wir entdecken doch im Lauf
unserer Entwicklung, daß "Selbst" ein sehr schillernder Begriff
ist. 

Der alte Aristoteles hat die paradoxie hingeschrieben, anthropos 
physei zoon politikon enai, also er ist "von Natur" ein "politisches"
Wesen - ein herrlicher Satz, den man sich auf der Zunge zergehen
lassen sollte.
Goethe hat einmal ein schönes Diktum gemacht, daß der, der sein
Selbst sucht, alles über sich von der Welt gelehrt kriegt.
Marx nennt den Menschen "das Ensemble der gesellschaftlichen
Verhältnisse". Am besten aber haben es die Indianer konzeptualisiert.
Nach ihrer Auffassung besteht jedes funktionierende System aus
acht Intelligenzen. DAs heißt, dieselben Kräfte, die in einer
menschlichen Gruppe, in einer Gemeinschaft wirken (das machen
sie sichtbar und operationalisierbar im Medizinrad und in den
techniken der Ratsversammlung), die sind auch als Intelligenzen
in jedem einzelnen Menschen drinnen. Doch ist genau durch diese
Strukturgleichheit auch der einzelne Mensch im Sinn von Marx 
"ein Abstraktum".


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http://www.oekonux.de/



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