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Re: [ox] Re: "Flügel" (was: Re: Re [ox] "GPL-Gesellschaf t" oder was?)



Hallo, Lutz!

On Fre, 06 Okt 2000, LutzH wrote:
On Thu, Oct 05, 2000 at 09:31:25PM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
On Son, 01 Okt 2000, Annette Schlemm wrote:
Was heißt das bei Dir "die technischen Aspekte für das Wesentliche
halten"???

Ich halte es für zunächst unwesentlich, ob ein Programm von Linus zum
Spaß, von RMS aus Überzeugung oder von einem Angestellten der SuSE GmbH
zum Broterwerb geschrieben wird. In allen drei Fällen entsteht Freie
Software, die uns allen zugute kommt und uns einer Welt ein Stück
näherbringt, in der wir alle zum Spaß oder aus Überzeugung irgendwelche
Dinge tun und nicht mehr zum Broterwerb.

Hmm, wenn Deine Vorstellung von Dingen, die Dir Spaß machen, mir
Computern zu tun haben: OK. Was aber, wenn nicht?

Freie Software zieht Freie Bücher, Freie Musik, Freie Technik usw. nach sich. 
Somit wird kein Teil des täglichen Lebens verschont.

Natürlich ist es dabei wichtig, daß es auch heute schon Beispiele konkreter 
Arbeit gibt, da so gezeigt wird, daß es auch ohne abstrakte gehen kann.  

Ist die Technik ein Selbstzweck?

Technik ist unsere Lebensgrundlage. Halten wir die technische Entwicklung
an, verbrauchen wir die Rohstoffe zuende und haben dann aber keine
Technik mit der es anders weitergeht. Mit dem heutigen Wissensstand
erhalten wir dann nie wieder eine Chance auf den heutigen Stand der
Technik zurückzukommen. Eine Versorgung grosser Städte wäre plötzlich
unmöglich. Das Chaos würde ausbrechen und die Menschheit wahrscheinlich
aussterben.

Oje, mir scheint, dass Du entweder zu technikgläubig bist, oder ich
einen zu eingeengten Begriff von Technik habe. Es kann doch wirklich
nicht nur darum gehen, den ganzen Laden, z.B. auch durch Entwicklung
effizienterer Verfahren etwa der Ausnutzung von Rohstoffen, am Laufen zu
halten.

"Am Laufen halten" klingt ziemlich nach Stillstand.

Wenn dies nicht mir einer positiven Verbesserung der
Lebensqualität einher geht, wird dabei nur den angeblichen
Notwendigkeiten hinterher gehechelt (Beispiel: Das
3-Liter/Wasserstoff/whatever-Auto. Die Frage, ob und wenn ja wie der
motorisierte Individualverkehr überhaupt sinnvoll ist, wird dabei nicht
gestellt).

Das kommt später. Wenn wir den heutigen Benzinverbrauch halbieren, haben wir 
nicht 50, sondern 100 Jahre Zeit, darüber nachzudenken, was wir ohne Erdöl 
machen. Die Frage, ob und wenn ja wie der motorisierte Individualverkehr 
überhaupt sinnvoll ist, wird dabei vermutlich auch irgendwann noch gestellt.

Durch ein Zurückschrauben der Technik könnten wir diesen Effekt
allerdings auch sofort haben, wenn wir wollen.

Das Aussterben der Menschheit? Naja, eher unwahrscheinlich.

..., daß wir das wollen.

Bleibt noch die dritte Möglichkeit, eine rasante Entwicklung von
Wissenschaft und Technik, die unser Überleben noch für viele tausend
Jahre sicherstellt. Natürlich muß das Wissen über Funktionsweise und
Benutzung zur
Allgemeinbildung gehören, so wie heute Lesen, Schreiben, Rechnen.

Nein, nicht das Wissen über sondern die Diskussion über Funktion,
Benutzung, Einsatz, Sinn und Zweck muss allgemein sein.

Das auch. Zumindest, wenn es um Sachen geht, auf die Leute angewiesen sind. 
Z.B. Rechtschreibung 

Das Wissen über die Funktionsweise muß aber auch Allgemeinbildung sein. Das 
Gegenteil, das Horten von Wissen, kennen wir ja aus der prorietären Welt. Und 
wie sollen Unwissende an den Entscheidungen mitwirken können?

Sollte Selbstentfaltung nur Mittel zur
Entwicklung der technischen Aspekte sein?

Umgekehrt. Entwicklung der technischen Aspekte sollte nur Mittel zur
Selbstentfaltung sein :o) ...und zum Überleben, aber das ist darin ja
sicher eingeschlossen.

Das "..und" kommt recht spät. Voher klangen Deine Ausführungen so, als
ob es primär um dieses "Überleben" geht.

Ohne Überleben gibt es keine Selbstentfaltung. (Ich wollte obigem Satz 
ursprünglich noch hinzufügen: "..., denn sich am eigenen Sterben selbst zu 
entfalten, wäre Autonecrophilie. Daß es soetwas geben soll, habe ich aber 
noch nicht gehört.")

Auf alle Fälle sind menschliche
Umstände eine wichtige Grundlage, die es zu schaffen gilt.
Nicht eine: _die_ wichtige Grundlage.
ack

Zur Selbstentfaltung benötigt man ferner
viel Freizeit und jede Menge technischen Krempel.

*kopfschüttel* wozu denn den technischen Krempel? s.o.

Gut, wie soll man sich ohne Musikinstrumente, Pinsel und Farbe, Handwerkzeug 
usw. selbstentfalten? Selbst für die meisten Sportarten benötigt man *Geräte*.

Übrigens ist "Freizeit" ein durch die Paarung mit "Arbeit" ein
vorbelasteter Begriff :-)

Oje. :o) Grrr! 

Dann ersetze "Freizeit" durch "Freizeit-Zeit", wobei der Zeitraum gemeint 
ist, der als "Freizeit", also als Zeit zur Wiederherstellung der 
Arbeitsfähigkeit, gedacht ist, gemeint ist, der aber nicht unbedingt zu 
diesem Zweck verwendet werden muß. Puh. Das ist wohl ein Fall fürs Glossar. 
Hast du Lust, diesen Begriff mal genau zu durchleuchten?

Das war ein sehr überspitztes Beispiel. Bernd hat noch viel schönere
druntergehängt. Meine hauptsächliche Befürchtung ist die, einige in der
Liste könnten sich sagen: "Das Wesentliche an Gnu/Linux ist die
Selbstentfaltung, also brauchen wir uns nur in allen Bereichen
selbstzuentfalten, und alles wird schön." Das ist aber gerade nicht so.

Warum? Weil Selbstentfaltung unter den gegebenen Umständen nicht möglich
ist? 

Selbstentfaltung ist unter den gegebenen Umständen möglich, aber nicht 
überall, nicht immer und nicht für jeden. Und daß durch die Selbstentfaltung 
etwas schöner wurde, ist nur von einem Ausnahmefall bekannt: Entwicklung 
Freier Software nach Linus Methode. 

Ich möchte nicht, daß jemand denkt, Selbstentfaltung *solle* etwas Nützliches 
hervorbringen. Eine Welt ist anzustreben, in der jeder immer und überall sich 
frei entfalten kann. Dieser Zustand muß aber nicht selbst schon durch freie 
Entfaltung erreicht werden. 

Weil auch vollständige Selbstentfaltung nicht zu "schönen"
Umständen führt?

"Schöne Umstände" sind die Möglichkeit zu vollständiger Selbstentfaltung. 
Teilweise Selbstentfaltung (s.o.) kann zu solchen Umständen führen, aber das 
ist nicht unbedingt der effektivste Weg.

Fließbandarbeit ist stupide. Die
will keiner machen. Daran kann man sich nicht entfalten. Solche Arbeiten
sollte man versuchen zu automatisieren, damit sie gar keiner mehr machen
muß.

Sofern sie denn überhaupt notwendig sind. Fließbandarbeit zu
automatisieren, die nur der Selbstbewegung des Wertes geschuldet ist,
kann ersatzlos entfallen.

Natürlich. Kein Mensch braucht Panini-Sticker. Ich dachte aber eher an solche 
Dinge wie Socken, CD-Rs, Brote, Fußbälle, Mehrwegflaschen.

Anderes Beispiel: die oben geforderte rasante technische Entwicklung:
Diese ist notwendig, und es ist völlig egal, wer entwickelt, hauptsache
es kommen dabei z.B. Fahrzeuge heraus, die auch ohne Benzin noch fahren.

Nein. Die Hauptsache ist, dass für alle Menschen Lebensumstände
entstehen, die mit Recht als "angenehm" zu bezeichnen sind. Ob dazu der
(s.o.) motorisierte Individualverker notwendig ist, wäre noch zu klären.

An den hab ich gar nicht gedacht. Allerdings, selbst wenn man sämtliche 
Fahrgäste und Güter auf die Schiene verlädt, braucht man immernoch Busse und 
LKWs, weil es einfach nicht möglich ist, den Zug vor jedem Haus und jedem 
Supermarkt halten zu lassen. 

Busse und LKWs, die ohne fossilen Brennstoff auskommen, gibt es aber noch 
nicht. Eines Tages wird es sie aber geben müssen, nämlich spätestens dann, 
wenn das Erdöl aufgebraucht ist. Anderenfalls werden Lebensumstände
entstehen, die mit Recht als "unangenehm" zu bezeichnen sind.

Wenn alle Menschen sofort selbstbestimmt leben würden - würdest Du
ihnen das Recht absprechen, selber zu bestimmen, was sie unter
technischem und politischem Fortschritt verstehen?
Nein.
Mir scheinen Deine entsprechenden Begriffe aber zumindest nich das
gesamte mögliche Spektrum abzudecken.

Hä? An welcher Stelle spreche ich den Menschen denn das Recht ab, selber zu 
bestimmen, was sie unter technischem und politischem Fortschritt verstehen?

Wenn alle Menschen sofort selbstbestimmt leben würden -
Das können sie aber nicht. Zumindest nicht völlig. In der Freizeit schon.

Nein. In der "Freizeit" reproduziert der notwendige arbeitende Mensch
seine Arbeitskraft. Und Essig ist es mit der Selbstbestimmung.

Vielleicht soll er das, aber keiner kann ihn dazu zwingen ("Du guckst jetzt 
gefälligst Fernsehen!!!"). 

Tschüß,
Thomas
 }:o{#


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