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Re: [ox] Gewerkschaftstagung der MES am 7./8. Oktober 2000 in Wuppertal



UlrichLeicht t-online.de

Stefan Merten schrieb:
...
Hi!
....
Guten Morgen liebe Gewerkschaften, willkommen in der Endphase des
Kapitalismus. Die 60er/70er sind vorbei.

Aus marxistischer Sicht bietet die MARX-ENGELS-STIFTUNG nun 
eine wissenschaftliche Tagung an, in der breitgefächert 
Standpunkte dargestellt werden können.

Plant da jemensch von euch hinzugehen?

Ulrich Leicht und Helmut Weiss, Sprecherrat  der IG Medien, 
Dortmund: 
Tradierte Konzepte überwinden. Sieben Thesen, mehrer 
Hochzeiten und eine Todesfall?

Na, die kennen wir doch ;-) . Ist das entsprechende Paper zu haben?

Jemensch von MES hat bei uns angefragt und wir haben Materialien von uns 
geschickt, u.a. die erwähnten Thesen, ein open work in progress. Für Dich /Euch 
vorab anbei unten.
Wir werden es jetzt einfach auch als Projekt in "ot" bringen.
Ansonsten spricht mir Stefan Mn. aus dem Herzen "Guten morgen ... gute Nacht ...
letzte Gefechte ... ciao, liebe Gewerkschaften". 
Ich werde die Versammlung der "alten fighter" in Wuppertal besuchen.
Ciao, Gruß auch von Helmut
Uli Leicht, 


---------------------------------- das paper ------------------------------

Tradierte Konzepte überwinden
Open Theory für die gewerkschaftliche Zukunft-
(Light) Version 1.1

Sieben Thesen.
Mehrere Hochzeiten -
und ein Todesfall ?


1.Die Gewerkschaften müssen künftig in der Lage sein, vor
allem in drei einigermaßen - vielleicht zunehmend -
unterschiedlichen Bereichen Politik zu entfalten - und zu
organisieren.

Dies meint a)  den klassischen, zwar im Rückgang
befindlichen, aber zumindest noch lange Zeit existenten
Industriebereich, bzw Großbetriebsbereich im
Dienstleistungssektor (Call Center gehören hierzu); - b) die
ganzen Bereiche der sogenannten ?New Economy? an der
Schnittstelle wissenschaftlicher Entwicklungen und
ökonomischer Verwertung nach neuen (?) kapitalistischen
Mustern - also alles was heute unter ?Neue Medien?,
?Informationstechnologie? und ?Software-Erzeugung? und
morgen unter ?Biotechnologie? gehandelt wird;
- c) den Bereich der Niedriglohndienstleistungen sowohl im
privaten als auch öffentlichen Sektor, der ein Scharnier zur
Erwerbslosenarbeit darstellt und personell nach wie vor sehr
stark von MigrantInnen, legalen und illegalen, geprägt ist.

Dies bedeutet zunächst vor allem: Es ist nicht nur etwas
Reform der Organisation nötig, sondern permanente
Flexibilität. Die Prinzipien dabei sollten sein:

-Übergewerkschaftliche Zusammenarbeit, mit dem eigentlichen
Nah- realpolitisch aber Fernziel der ?Gewerkschaft DGB?, 
rund um Themen, Kampagnen und Projekte. Eine Politik, die 
weg vom Kartellcharakter des DGB hin zu einer demokratischen 
Organisation der Mitglieder führt, woran es ja nicht 
nur dem DGB mangelt.

-Eine Politik, die die systematische Einbindung der Arbeit 
engagierter GewerkschafterInnen in den Normalbetrieb 
gewährleistet und verstärkt - die prinzipielle doppelte 
Umorientierung der bisherigen Sekretär-basierten 
Gewerkschaftsorganisation: zwischen ?Online? und 
Grundausrichtung ?Selbstorganisation?.


2.Die Gewerkschaften müssen als politisches Prinzip in 
der Zukunft - gerade bei Verhältnissen, die immer weiter 
segmentiert werden -Positionen entwickeln, die zur 
Einheitlichkeit der abhängig Beschäftigten und 
Erwerbslosen, unabhängig von Geschlecht, Nation, 
gesellschaftlicher Stellung und Rasse beitragen.

Eine schlagwortartige Auflistung dürfte die Richtung zeigen:

a) Bei Tarifen: Festgeldforderungen, spezielle Anhebungen 
für NiedriglöhnerInnen und gegen regionale (heute: ?Ost-?) 
Differenzierung.
b) Bei Arbeitsbedingungen: Arbeitszeitverkürzung in 
verschiedensten Formen zur Gewinnung von Lebenszeit 
- dies muß eine Konstante sein; Pausenregelungen und 
ergonomische Lösungen - auch und gerade bei 
Bildschirmarbeitsplätzen - die der Gesundheit wirklich dienen;  
c) Flexibilisierung der Arbeitszeit: Ja, bei Gewähr 
der Mindestforderung, daß darüber mitbestimmt werden 
kann - daß die persönliche  Zeitsouveränität wächst - 
Nein, wenn das tendenziell ?work by call? bedeutet; 
diejenigen, die prinzipiell dagegen sind, sollen erstmal 
die Friedhöfe in ihrem Keller zur Besichtigung freigeben 
- die prinzipiell dafür sind, sollen sich den Titel 
?Co-Manager h.c? ans Büro heften
d) Einbindung der Verteidigung der Interessen der
Erwerbslosen in diese Arbeit und Junktime, etwa mit dem
Widerstand gegen die Streichung der originären
Arbeitslosenhilfe, Organisation von gesellschaftlichen
Boykottkampagnen (auch in Fragen der internationalen
Solidarität)...


3.Die Gewerkschaften müssen dringendst ihren
einhundertjährigen Rückstand gegenüber dem Kapital aufholen:
Internationalisierung ist angesagt. Nicht in Büros oder
Konferenzen, sondern in der Alltagsarbeit.

Natürlich: Sozialpartner haben es am schwersten mit der
internationalen Zusammenarbeit. Wenn jede Seite vor allem
vertrauensvoll mit ihrem Unternehmen zusammenarbeitet,
schlägt deren Konkurrenz eben durch. Dann ist außer Papier
und - bestenfalls - Weltbetriebsräten mit erheblichem
Machtgefälle nichts drin. Aber die absolute Konzentration
auf Betriebs - oft genug gar Betriebsrats - Arbeit, macht es
auch anderen KollegInnen schwer, über Erklärungen und
einzelne Solidaritätsaktionen hinauszugehen.
Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht um sogenannte
Entwicklungshilfe. GewerkschafterInnen anderer Länder können
sehr wohl auch ohne BVG und Betriebsräte ?glücklich sein? -
und haben des öfteren, was etwa Organisation in informellen
Bereichen angeht, wesentlich mehr Erfahrung.
Es geht - als aktuelles Beispiel - neben der gemeinsamen
Arbeit in Weltkonzernen, auch darum, gemeinsam die Rolle der
Gewerkschaften in weltweiten Bewegungen, wie etwa gegen IWF
und WTO, gegen Gennahrung usw zu verändern und dadurch erst
zu entfalten. Bisher zeichnen sich die
(sozialpartnerschaftlich dominierten) internationalen
Aktivitäten der Gewerkschaften durch Stellungnahmen gegen
solche Bewegungen aus - Sozialklauseln sollen das Bündnis
der Belegschaften mit den Unternehmen festigen. Die
Peinlichkeiten etwa bei den Auseinandersetzungen um das
MAI-Abkommen haben natürlich dem Ansehen der Gewerkschaften
geschadet, ihrer Identifikation mit den Herrschenden
Vorschub geleistet - zumindest in den Augen der Menschen,
die Widerstand leisten. Betriebsräte, die sich für
Giftproduktion, Gentechnik, Panzerlieferungen etc pp
aussprechen - natürlich im Interesse der Belegschaft (meist:
zutreffend), niemals wegen des eigenen Stuhls (selten:
zutreffend) -schaden nicht nur dem öffentlichen Ansehen der
Gewerkschaften: sie schaden vor allem den berechtigten
Interessen weitaus größerer Teile der Bevölkerung.

4.Die Gewerkschaften müssen sich hinorientieren zur
Realisierung neuer politischer Arbeitsinhalte und -formen.
Gesellschaftliche politische Kampagnen werden künftig
vielleicht wichtiger sein als Tarifkampagnen.

Gesagt wurde in den letzten Jahren vieles, herausgekommen
sind bisher ?meherer Hochzeiten? in Form von
Schlußverkauf-Anschlüssen oder Elefantenhochzeiten (ohne
Hochzeitsnacht).
An inhaltlicher Neuerung nichts bis sehr wenig, am ehesten
noch aus der Richtung Bertels/Böckler, das Alltagsgeschäft
geht weiter wie bisher.
Wenn zusätzliche Steuern oder Teuerung jede Lohnerhöhung
auffressen, wird es endgültig deutlich, daß es eine
übergewerkschaftliche gesellschaftspolitische Kampagne geben
muß, die nicht nur auf dem Papier steht; aber auch wenn -
beispielsweise - Mietwucher betrieben wird, muß
dagegengehalten werden.
Die Zeit der reinen Tarifmaschine ist vorbei, auch die viel-
und langbeschworene ?Politisierung des Tarifkampfes? kann
darüber nicht hinwegtäuschen. Es kann keine Perspektive
sein, um die Punkte hinter dem Prozentkomma - oder auch um
eines davor - zu kämpfen. Der Rest ist, immer mehr: Laufrad.

5.Diese Optionen für gewerkschaftliche Zukunft bedingen auch
eine ernsthafte parteipolitische Neutralität der
Gewerkschaften, die in keinem Sinne Transmissionsriemen
irgendeiner Partei sein können und dürfen. Eigene
Vorstellungen sind nicht dazu da, über Wahlbausteine
Wahlkampf zu machen, sondern um sie organisiert zu
verwirklichen.

Wenn unter dem Stichwort ?politische Lobbyarbeit? - oder wie
die Formulierung letztlich sein mag - gefragt wird, ob etwa
im Mai 2000 ein Streik der ÖTV? in die politische Landschaft
passe?, so kann dazu nur gesagt werden: Diese Frage ist eine
Unverschämtheit von Leuten, denen nur ihr Parteibuch wichtig
ist. Die Gewerkschaften müssen Druck entfalten, um stark zu
werden, sie können nur Druck entfalten, wenn sie stark sind
- in dieser Dialektik bewegt sich diese zentrale Aktivität.
Wer gestern auf häßlichen Plakaten das Maul für eine andere
Politik aufgerissen hat, kann ernsthaft weder die neue noch
die alte Mitte gemeint haben: deren Politik ist
erklärtermaßen nicht ?anders?.  Wer eine Realpolitik machen
will, die darauf zielt, die parteipolitischen Konjunkturen
als zentrale Referenz entsprechender Aktivität zu
zementieren, kastriert die Potenz der Gewerkschaften. Eigene
Gesellschaftsleitbilder, eigene Vorschläge (eben nicht von
den Hauptamtlichen beschlossen, danach die ?ehrenamtlichen?
einbezogen, sondern ernsthaft diskutierte) sind ebenso
Trumpf, wie unabhängige Aktion.

6.Alle diese Punkte sind  Voraussetzung dafür, daß die
Gewerkschaften in zentralen gesellschaftlichen Debatten die
Chance haben, wo nicht die Meinungsführerschaft zu erringen,
so doch wenigstens überhaupt wieder ernst genommen zu werden
- heute geschieht das nur noch in Gremien.

Dies betrifft auch und gerade die Problematik der
Arbeitslosigkeit: die bloßen generationenlangen Appelle nach
?Arbeit für Alle? mobilisieren schon längst noch nicht
einmal uns selbst, öden alle an und tragen wesentlich dazu
bei, konsequenterweise auf störende Gewerkschaften lieber
verzichten zu wollen.
Ohne künftig sowohl Reduzierung und Bedingungen, als auch
erst recht die Inhalte der Arbeit zu thematisieren, läuft
dies gar Gefahr, zum Vehikel regierungspolitischen
Arbeitszwangs a la England zu werden - und zumindest in NRW
gibt es einiges davon. ?Weniger, aber sinnvolle Arbeit für
alle? - in dieser Richtung wäre eine Politik zu entwickeln,
die wirklich in der Lage ist, Meinungen neu zu bilden und zu
beeinflussen und auch das durchaus nicht zu Unrecht
bestehende Bild der stinklangweiligen Gewerkschaften
allmählich zu korrigieren.
Wer die Zukunft der Gewerkschaften im wesentlichen im
?weiter so? sieht, sieht in die Zukunft die Gewerkschaften:
am Ende, ein Auslaufmodell.


7.Die drei heute in der Gewerkschaft wesentlichen
politischen Strömungen haben in allen diesen Punkten keine
Antwort, die in der Lage wäre ernsthaft zu mobilisieren. Wir
denken, die Optionen müssen andere, vor allem aber offen für
Veränderungen sein.

-Die Sozialpartner setzen auf Schröder&Co - aber der immer
weniger  auf sie. Nicht nur, weil er nicht will: auch weil
er nicht kann. Die alte Oskar-Mitte ist passé, das
verhindern Memoranden ohne Zahl nicht. Am verlassenen Grab
von J.M. Keynes kichert nicht nur der Geist von Karl Marx.
Die neue Mitte ist Gerhard Schröder, da hat er recht, nur
wir sind dagegen - und als künftige Mitte bietet sich
nebenan der antietatistische Rechte Haider an.
Am Katzentisch der Macht wird nicht mehr gedeckt. Das mag
jenen nicht auffallen, die in hundertundeinem Gremium sitzen
(sei es aus Überzeugung oder - siehe verdi - aus materiellem
Interesse) - aber wenn sie endgültig Offiziere ohne Soldaten
geworden sind, werden sie auch in die Dienstleistungsbunker
zurück müssen, die sie dann nicht mehr bezahlen können. Im
übrigen: Nicht ganz zufällig, daß sich das Bild der Armee
aufdrängt....

-Die Dienstleister setzen auf die ?Winner? der sogenannten
neuen Ökonomie und auf technokratische Modernität: Eine
Ausgeburt von Sekretärsmentalität, die hofft, auch künftig
gebraucht zu werden: Es gibt viel bessere Rechtsberater als
ehemalige Jugendsekretäre der ÖTV (oder sonstwem). Wer die
Reduzierung der Gewerkschaften auf reine
Dienstleistungsorganisationen propagiert, setzt sie in
zunehmende Konkurrenz zu privaten Dienstleistungsunternehmen
- mit Erfolgsaussichten wie DGB Reisen....

-Die traditionellen Gegenmachtstrategen setzen auf
Radikalisierung und Politisierung der bestehenden
Ausrichtung (im besonders vernagelten Fall auch auf
?Re?-politisierung), ihre Analysen decken sich oft mit denen
ihrer verfeindeten Vettern, den Sozialpartnern - und sie
segeln damit, wie diese, in die Hindernisse der
Segmentierung und des Produktionspositivismus - und der
Unehrlichkeit: Niemand kann ernsthaft behaupten, er oder sie
wisse, daß etwa der Versuch einer ?ökologischen
Umgestaltung? der Produktion Arbeitsplätze schaffe. Wir
zweifeln nicht an der Notwendigkeit dieser Umgestaltung:
wohl aber an ihrer ?arbeitzplatzschaffenden? Kapazität.

Es geht uns hier nicht ums ?Recht haben?, das kann mensch
auch zu zweit: So wie der Sekretär am 1.Mai ab Bier sieben
seiner Liedkentnisse der Jugendzeit sich erinnert und die
Internationale singt (singt ?) , so hat der Aktivist und
Gewerkschaftskritiker - vielleicht zwei Bier früher - alles
im Griff. Es geht uns auch nicht darum, KollegInnen mit
anderen Auffassungen abzusprechen, daß sie sich einsetzen
für die Interessen der abhängig Beschäftigten usw. Es geht
uns  schon gar nicht generell um die künftige Existenz der
Gewerkschaften. Wenn sie keine sinnvolle Rolle zu spielen in
der Lage sind, sind sie eben genau dies:  ausschließlich
überflüssig.
Deswegen haben wir auch keine festgeschriebene Plattform
gemacht, sondern wollen einen offenen Prozeß. Weil nur so
eine wirkliche Debatte entstehen kann, anstelle der
Konfrontation von Positionen. Eben darum betonen wir auch,
daß wir in allen diesen drei Strömungen richtiges und
wichtiges sehen.
Denn:

* Wir sind für gestalterische Mitwirkung: Wenn diese
sichtbar - und vor allem: sichtbar anders - ist. Nicht
zuletzt in dem künftig enorm wichtigen Bereich der
Weiterbildung (in den verschiedensten Dimensionen der Frage)
muß eine ernsthafte Gewerkschaftsbewegung aktiv werden: Wenn
aber die Landesregierung NRW gerade in 2000 das
Weiterbildungsgesetz beschneidet, so macht sie sich nicht
nur - einmal mehr - zum Gegner einer modernen
Gewerkschaftsbewegung, sondern macht auch deutlich, daß hier
Weiterbildung nur heißen soll, berufliche Fachausbildung
nach den konjunkturellen Anforderungen der Unternehmen.
Diese sollen die Unternehmer bezahlen : Denn dies ist
Arbeitszeit. Darüber wollen wir mitbestimmen. Aber:
Weiterbildung ist viel, viel mehr als berufliche
Qualifikation - und gerade da müssen Gewerkschaften aktiv
werden.

* Wir sind auch - entschieden - für ?Dienstleistung?, und
dafür, daß Mitgliedschaft auch Vorteile birgt. Wenn diese
Vorteile nicht in windigen Versicherungen und überflüssigen
Handys bestehen sollen, sondern wirklich sinnvoll sind - der
Presseausweis der IG Medien ist eine Dienstleistung,
Abkommen mit Serviceunternehmen (beispielsweise Reisebüros
oder Computerunternehmen) können durchaus positiv sein. Auch
die Beratung von Freiberuflern - künftig keineswegs nur im
Medienbereich - muß wesentlich verstärkt werden, Online ist
einer der Trümpfe in jeder Art Beratung. Dieser Katalog
ließe sich sehr verlängern: Er darf nur weder dazu führen,
Gewerkschaft nicht mehr als Solidargemeinschaft aufrecht zu
erhalten, noch zu einer ?Entgesellschaftlichung? qua
Beschränkung auf Beratung. Wer Dienstleistung als
Selbstzweck versteht, versteht selbst den Zweck des ganzen
nicht. Bescheidene Frage am Rande: Wäre -z.B. -
Hilfestellung für MigrantInnen bei Einbürgerungsanträgen
nicht auch Dienstleistung??

* Und ja, selbstverständlich: wir sind für Gegenmacht. Wenn
es um die Kraft geht, gesellschaftliche Veränderungen
einzuleiten, bestimmte Zustände zu ändern oder zu erreichen
- anstelle, mit oder gegen die verschiedensten politischen
Parteien. Bei Zielen, die parteiübergreifend geteilt werden
können, sind wir für jede Art Macht einer solchen Bewegung:
Vor allem aber für die im Bündnis mit anderen
internationalen sozialen und politischen Bewegungen. Wir
sind für Gegenmacht, wenn diese nicht unter
klassenkämpferischen Parolen Panzerbauer, AKW Betreiber,
Futtermitteleinmischer etc zum Kampf für ihre rein
betrieblichen (?Teewasser?) Interessen sammelt. Wenn diese
nicht, wie die Sozialpartner, nur radikaler,  jedwede
?Arbeit für Alle? und ?Leistung muß sich lohnen? fordert.


Dementsprechend lassen sich unsere Optionen für künftige
Gewerkschaftsarbeit so zusammenfassen:

7.1 Anstelle einer Politik, die dazu beiträgt, den Standort
Deutschland zu stärken, müssen die Gewerkschaften eine,
bisher im Kapitalismus wie im Sozialismus vermiedene,
Politik des Nutzens  sinnvoller, -dh diskutierter -
technologischer Neuerungen für die Erhöhung der
Lebensqualität der Menschen entfalten: radikale
Arbeitszeitverkürzung aller Art und Aufteilung der Arbeit,
unter gesellschaftlicher Debatte von Notwendigkeit und Sinn,
konkrete Leitbilder für eine positive Nutzung etwa des
Internet: als Alternative zum Kommerz. Eine solche generelle
Ausrichtung bildet auch eine wesentliche Grundlage dafür,
daß Gewerkschaften, im Bündnis mit allen möglichen Kräften,
international wirksam werden.

7.2 Anstelle einer Politik, die Gräben vertieft:
nationalistische Greencard Stellungnahmen, Verteidigung
teutscher Arbeitsplätze, Zustimmung zur weiteren Ausgrenzung
von Erwerbslosen- sofern sie rot-grün organisiert ist,
kontinuierliche Einkommensspreizung im Sinne der
bürgerlichen und sozialistischen Leistungsideologie,
Beteiligung an der Jagd auf illegale Migranten etc... muß
eine Politik der Annäherung, der Versöhnung, der
Gemeinschaft unter jenen Menschen betrieben werden, die
keine anderen für sich arbeiten lassen: Weg mit
Sondergesetzen a la Ausländergesetz, Einbeziehung von
Erwerbslosen in die Tarifkämpfe, Stärkung aller Ansätze von
Selbstorganisation.

7.3 Anstelle einer Politik, die sich auf Lobbyistentum und
Kooperation mit verschiedensten politischen Parteien
zentriert, muß eine Politik der Eigenständigkeit, der
Bündnisfähigkeit, der gesamtgesellschaftlichen Wirksamkeit
entwickelt werden, die auch ein neues Selbstverständnis weg
von der Tarifmaschine impliziert. Erst dann wird das dem
Ansehen und Einfluss der Gewerkschaften so schädliche
Auseinanderfallen von realpolitischer Tagesarbeit und
(manches Mal gar interessanten) Sonntagsreden überwunden
werden können.

7.4 Anstelle einer Politik, die die Positionen der jeweils
eigenen Strömung für die Lösung aller Gewerkschaftsprobleme
durchpeitschen will (Sozialpartner qua Macht die Kooperation
mit der neuen/alten Mitte, Dienstleister die
Überlebenssicherung qua ?Dealing instead bargaining? a la
Böckler/Bertelsmann, Klassenkämpfer qua Politisierung und
Radikalisierung des Bestehenden) muß eine Ausrichtung auf
Flexibilität, auf Sicherung des Potenzials für verschiedene
Zukunftsoptionen betrieben werden.

7.5 Dementsprechend muß Flexibilität auch die Leitlinie der
organisatorischen Umwälzungen sein: Keine Festung
Gewerkschaftshaus mehr, kein Organisationsmodell, das auf
dem Sekretär in Lebensstellung aufbaut, Schluß mit der
realen Diffamierung gewerkschaftlichen Engagements als
?Ehrenamt? (in der Regel: für Senioren), gewerkschaftliche
Präsenz in zentralen Bereichen (incl Schulen, Hochschulen
etc) , Ausstrahlungskräftige Modellprojekte unter
Einbeziehung der Mitgliedschaft und neuer
Kooperationspartner: Leuchttürme.

So würden Gewerkschaften eine soziale Bewegung zur
Emanzipation der Menschen, die nicht an der Arbeit anderer
verdienen - das wäre unsere Option.
Die muß nicht die alleinseligmachende sein, aber bleiben die
Gewerkschaften,
wie sie sind: Todesfall.



Ad 1: Wir haben diese Version ?Light? verfasst, um die
Debatte auf die Folgerungen zu konzentrieren. Wir hätten zur
Begründung durchaus noch das eine oder andere - unserer
Ansicht nach: gute - Argument, aber was vorliegt, ist die
Quintessenz.

Ad 2: Versionsnummer 1.1 heißt, daß es immer noch der
ursprüngliche Entwurf ist, der im wesentlichen redaktionell
bearbeitet wurde, ohne inhaltlich verändert zu sein - das
bleibt einer künftigen Debatte überlassen, bzw jenen, die
vielleicht daran weiter schreiben wollen . Open Theory eben.

Ad 3: Die ursprünglichen Autoren dieses Textes sind Ulrich
Leicht und Helmut Weiss, vom Sprecherrat der IG Medien
Dortmund.

Ad 4 : Fassung 1.1 wurde fertiggestellt am 17.08.2000

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Weitere Stellungnahmen von uns sind auch in - http://www.labournet.de - zu 
finden. Helmut hat dort eine regelmäßige Kolumne: "Die Aldous Huxley Revival 
Serie: Brave new world".

Dort sind u.a. zu finden: 

	Helmut Weiss 
	Die Aldous Huxley Revival Serie
	Brave new world (12)

	VER.DI - GRAMMATIK

http://www.labournet.de/huxley/index.html)

	Ulrich Leicht
	Zum Tarifabschluß in der Druckindustrie und der Einschätzung von 	
	"Impuls":
	D a s   D i l e m m a   d e r  G e w e r k s c h a f t e n : M e h r  
	a l s  B e s c h e i d e n h e i t   w i r d' s   k a u m   n o c h   
	g e b e n


     	Helmut Weiss 
	Auf dem Weg zu einer alten Gewerkschaft. Sieben kritische 
	Anmerkungen zur Ver.di Programmatik. 
     	

	Ulrich Leicht 
	Alles Ver.di oder was? 
	Ver.di oder Al.di? - das ist hier die Frage und andere Fragen.
	

http://www.labournet.de/diskussion/verdi/





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http://www.oekonux.de/



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