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Re: [ox] Re: Verallgemeinerungen



Hi Bernd und alle!

2 weeks (20 days) ago Bernd wrote:
On Sun, 6 Aug 2000, Stefan Merten wrote:
46 days ago Christoph Reuss wrote:
Stefan Merten schrieb am 11.6.:
Deine/unsere Frage also wäre: Wie läßt sich das
Selbstentfaltungspotential, daß wir in vielen Tätigkeiten am Computer
beobachten können, auf andere gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten
(Altsprech) übertragen. Unsere bisher gefundenen Antworten gingen in
mehrere Richtungen:

* Die schiere Masse der gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten wird
insgesamt weniger.

Das hängt auch von der Definition von "gesellschaftlich notwendig" ab
(Du erwähnst das auch weiter unten),

Richtig. Als Minimum wäre vielleicht das zu verstehen, was die
Gesellschaft in ihrem aktuellen Zustand aufrecht erhält - mal so als
Arbeitshypothese.

BTW: Wenn Nachhaltigkeit gegeben wäre, dann wäre das ja sogar ein
Zustand, der erstrebenswert wäre und in dem die Menschheit
Jahrhunderte hindurch verlebt hat.

aber mir scheint, die Masse der
gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten (g.n.T.) nimmt immer mehr _zu_
-- gerade in den Bereichen Umwelt und Soziales (Oekosystem-"Reparaturen",
zunehmende Ueberalterung und Krankheiten).

Hmm... Für eine genaue Analyse dieser Frage haben wir hier nicht die
Mittel. Aber, wie du selbst sagst:

Das Problem im Kapitalismus
ist, dass für viele dieser g.n.T. kein/zuwenig Geld vorhanden ist, sodass
diese zu kurz kommen

Hier würde ich eine perspektivische Schwierigkeit sehen.

Die g.n.T.s die du nennst sind halt nicht profitabel zu machen und
müssen daher vom Staat oder über andere Systeme subventioniert werden.
In Zeiten, in denen die Wertmasse insgesamt aber schrumpft - so ja die
These -, ist es klar, daß für solche Umverteilung immer weniger Raum
bleibt - Sozialabbau.

Aber die Gesamtwirtschaftliche Wertmasse steigt ja jaehrlich weil
viele Millionen Arbeitnehmer staendig Wertquanta erzeugen. Wenn die Anzahl
der Beschaeftigten gleich geblieben ist und die Arbeitszeit auch, dann
erhoeht sich naemlich der neu hinzugekommen Wert um genau den
selben Betrag wie das Jahr (Produktionszyklus) vorher.

Hey, guter Einwand. Zugegeben habe ich da erstmal nur eine
Krisis-These reproduziert. Hmm...

Vielleicht so: die gesamtwirtschaftliche Wertmasse wird ja auch jedes
Jahr durch Konsum verbraucht, so daß die Rechnung nicht immer nur ein
Draufsatteln sein kann.

Oder meinst du die Wertmasse in einer Ware?

Ja, die sinkt auf jeden Fall für eine gegebene Ware. Wenn jetzt die
Masse der Waren im wesentlichen gleichbleibt, dann würde hier ein
Sinken der Wertmasse resultieren.

Ja, ich glaube so rum wird ein Schuh draus: Die Wertmasse der auf dem
Markt befindlichen Waren schrumpft - was schon deswegen offensichtlich
ist, weil immer weniger Menschen an deren Produktion beteiligt sind.
Dementsprechend sinkt auch die Mehrwertmasse, aus denen der ganze
gesellschaftliche Überbau und der ganze unverwertbare (aber
gesellschaftlich notwendige) Rest bezahlt werden muß. Ich glaube so
kommt's hin.

Vielleicht springt uns das heute also nur so sehr ins Auge. Eine
umfassende Analyse könnte da durchaus anderes ergeben - auch wenn ich
mir momentan nicht vorstellen kann, wie so etwas methodisch angelegt
werden könnte.

Ich denke, dass es zwei gegenlaeufige Tendenzen gibt, bei der einen
nimmt die Masse der gesellschaftlich notwendigen Taetigkeiten zu
weil die Beduerfnisse staendig (mehr oder weniger) steigen, und das tun
sie seit dem wir Menschen existieren. Heute benoetigt jeder ein Auto,
frueher war eines fuer mehrere Personen ausreichend.

Hier möchte ich nochmal auf den Gedanken hinweisen, den ich in Jena
erstmals gehört habe: Die Bedürfnisse der Menschen sind streng von
deren jeweils aktuellen Möglichkeiten der Befriedigung zu trennen. Ein
Bedürfnis nach Transport ist nur z.B. durch ein Auto zu befriedigen -
wobei selbst das Bedürfnis nach Transport ein abgeleitetes sein kann
(z.B. zum Geldverdienen).

Und ob die Bedürfnisse der Menschen so betrachtet tatsächlich
historisch ständig steigen, möchte ich mal dahingestellt sein lassen.
So erinnere ich mich z.B. an eine Zahl gerade aus dem Verkehrssektor,
nach der die Anzahl der Zielbewegungen pro Jahr (d.h. ich will von A
nach B) mit ca. 1000 seit (mindestens) über hundert Jahren nahezu
konstant ist. Was sich geändert hat, ist die Entfernung und die
Transportmittel.

Was auch klar ist: Im Kapitalismus werden sich die
Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten durchsetzen, die profitabel zu
verwerten sind. "immer" wollte ich in diesen Satz noch einfügen -
stimmt aber nicht ganz. Die kostenlosen
Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten spielen auch eine Rolle - wenn
auch nicht die, die sie spielen könnten - aber mit Gnu/Linux sehen wir
ja ein gutes Beispiel.

Aber die Gegentendenz, dass naemlich durch Produktivitaetsfortschritte
die Dinge schneller herstellbar sind ueberwiegt scheinbar und es kommt
zum laengerfristigen Sinken der g.n.T. .

Das ist eine der zentralen historischen Leistungen des Kapitalismus:
Die Entwicklung hochproduktiver Produktionsmittel. Nur, daß er eben
immer mehr zur Fessel dieser Entwicklung wird.

[...]
Na ja, meine These ist ja, daß sich das [GNU] Prinzip erstmal im Bereich
digitalisierbarer Information ausbreiten wird - siehe MP3-Debatte.
Dafür gibt es m.E. spezifische Gründe, die in der Kopierbarkeit
liegen, die ich leider aber noch nicht theoretisch untermauern kann.

Zur Übertragung auf die materielle Produktion ist m.E. ein recht
weitreichender Gedanke, für den ich momentan noch wenig konkrete
Hinweise entdecken kann. Aber je länger ich drüber nachdenke, desto
mehr habe ich das Gefühl, daß der Bereich der Information doch auch
schon ein ganz erheblich großer ist.

Zur Verallgemeinerung der dezentralisierten und Selbstorganisierten
Produktionsweise auf die Materielle Produktion fallen mir zwei
Aspekte auf, von denen ich einen schon in einer etwas Misslungenen Mail
geschrieben habe:

Ich fand sie nicht mißlungen.

2. Oder die materiellen Gueter verlagern sich selbst immer mehr auf die
Software-Ebene und werden damit fuer das FreeSoftware-Prinzip
"anfaellig", d.h. Fernseher, CD-Spieler und immer mehr andere Dinge auch
gehen langsam von anfassbaren Hardwareprodukten in Computerprogramme
ueber.

Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Meinst du - verkürzt -, den
Computer als Universalmaschine? So etwa: Ich stecke mir die TV-Karte
in einen PCI-Slot und kann mir Fernseher und Videorecorder sparen,
mein CD-ROM ersetzt meinen CD-Player sowieso schon, das Internet meine
CD-Sammlung und für HiFi muß ich eigentlich nur noch einen richtig
guten Verstärker anschließen. Und wenn das programmierbare Papier erst
marktreif ist, dann kann ich mir auch die Bücher aus dem Internet
ziehen und spare mir den Bücherschrank usw. Und zum Kaffeekochen kann
ich prima den Kühlkörper meiner CPU nutzen ;-) .


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


----------------------
http://www.oekonux.de/



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