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Re: [ox] GPL-Gesellschaft kapitalismuskompatibel?




Hallo Stefan,

On Wed, 31 May 2000, Stefan Meretz wrote:

Die Frage ist nicht nur, inwieweit das über Marx verbreitete Bild - wie
Du es kurz skizzierst - _noch_ stimmt, sondern, ob das Bild Marx
überhaupt gerecht wird. Viele Marxkenner (ich bin keiner!) sagen, Marx
war in seinem Denken selbst ambivalent [...]

Das liegt daran, dass die Wirklichkeit selbst widerspruechlich ist.
Eine gescheite Theorie muss diese Widerspruechlichkeit 
widerspegeln.
 
solche Marx-Bilder gibt. Anyway, am Selbst-Denken führt imho nix vorbei.
Ein paar Begriffe von Marx sind dabei höchst nützlich, doch müssen eben
wieder und wieder geprüft werden.

Man sollte Marx genauso betrachten wie jeden anderen Wissentschaftler 
dieser Zeit auch: ... Darwin, Ricardo, Kant, Hegel, Ricardo ... Einstein
...

Die Untersuchungsergebnisse von z.b. Darwin/Einstein oder Kant/Hegel
sind ja auch nicht falsch geworden nur weil man auf ihren Theorien 
_aufsitzende_ Verbesserungen hinzugefuegt hat.
  

Was ist mit all den Reichen die Ihr Vermoegen vermehren in dem Sie Geld
herumschieben bzw. spekulieren ? Die brauchen doch keine Produktionsmittel
oder ?

Das Finanzkapital gabs auch schon bei Marx und Co. Eine Frage, die wir
auch hier schon mal hatten, ist die der Ablösung der Finanzspekulation
von der Realproduktion von Werten und ihren Folgen. 

Wenn es tatsaechlich eine Abloesung der Finanzspekulation
von der Realproduktion von Werten gegeben habe sollte, dann
frage ich mich warum die Boersenwerte eines Unternehmens
sinken wenn der zu erwartende Mehrwert/Profit zu gering ausfaellt.
Oder umgekehrt steigt die Aktie wenn der erwartete Profit sehr hoch ist.
 
Noch tausend mal bunter als der Marx schon selber war, sind seine
Interpreten. Nimm doch nur diese Mailingliste. Aus meiner Sicht gibt es
in dieser bunten Schar zwei grobe Richtungen: Eine mehrwertkritische und
eine wertkritische Richtung. Erstere heben ab auf die ungerechte
Verteilung des produzierten Mehrwerts und denken sich dafür Lösungen aus
(von Lohnerhöhung durchsetzen bis den Kapitalisten die Produktionsmittel
wegnehmen). Die anderen kritisieren die ersten dafür, dass sie den
vorgegebenen Rahmen der Wertproduktion also quasinatürliche Tatsache
hinnehmen. 
Dieser bestimme jedoch bereits das Handeln der Menschen,
weshalb es egal ist, wer über die Verteilung des Mehrwerts entscheidet

Es ist schon richtig, dass ein radikale Kritik/Politik
ueber die marktwirtschaftliche Wertproduktion hinausreichen muss und
immer wieder darauf hinweissen sollte, dass eine Gebrauchswertorientierte
Produktion mittlerweile funktioniert.
Aber um die aktuelle Moeglichkeit eines geschichtlichen 
Formationswechsels (Revolution) richtig
einzuschaetzen ist es auch wichtig darauf zu achten wie die
Produktionsmittel Computer/CD-Brenner/Solarzellen
und andere Werkzeuge so massiv
in die Arbeitnehmerklasse gekommen sind und dort angewendet werden
koennen, naemlich weil ueber die Jahrzehnte hinweg
staendig Arbeitszeitverkuerzungen und Loherhoehungen erkaempft 
worden sind. Es ist zwar richtig, dass die hohe Produktivitaet
in den Industrielaendern diese Produktionsmittel so billig macht,
aber auch Produktivitaetssteigerungen in einer Wirtschaft haengen mit 
dem mehr oder weniger gut organsierten Kampf der
Arbeitnehmerklasse zusammen:  
Die Motivation eines Unternehmers fuer den Kauf von neuen,
effektiveren Maschinen nimmt mit dem Preis der Ware Arbeitskraft zu.
Das sieht man daran, dass in den USA die jaehrliche
Produktivitaetssteigerung viel geringer ist als in Mitteleuropa, weil
Arbeitskraefte sehr billig sind.    
Fuer bessere Ausbildungsbedingungen,Bafoeg und Frauenemanzipation 
gilt das gleiche. 
 
All diese Reformen waren und sind immernoch _notwendige_ Vorraussetung
fuer eine Umwaelzung der Verhaelnisse.
  
Die Menschen bewegen sich nur wie Rädchen im Getriebe einer Mühle, die
sich selbst antreibt. Arbeiter und Kapitalist sind nur zwei (sich
annähernde) Positionen in der gleichen Mühle, über deren Lauf sie
_nicht_ bestimmen, sondern von ihr bestimmt werden. 

Wuerden wir nur von einer Muehle angetrieben und waeren wir nicht selbst 
auch Akteure, dann wuerde sich
auch nichts aendern und wir koennten die Hoffnung und die Disskussion
bleiben lassen. 
 
Wir sind nicht so unbewusst ueber die Vorgaenge in
der Gesellschaft wie es viele in der Diskussion oft behaupten. 
 

Bye,
    Bernd


----------------------
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