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Re: [ox] GPL-Gesellschaft kapitalismuskompatibel?



Hi Leopold,

leopold zyka schrieb:
Falsch. Kapitalismus ist gekennzeichnet durch die Verwertung von
Arbeitskraft - d.h. die Umsetzung von Arbeitskraft in Tauschwert.
Ich kenne mich nur sehr sehr wenig aus mit Marx. Ich frage mich nur immer
wie weit das heute alles ueberhaupt noch stimmt.
zB. in der angefuehrten Kapitalismusdefinition die Abhängigkeit der
Besitzlosen von den Kapitalisten
weil diese die Produktionsmittel besitzen.
Geht es wirklich noch um Produktionsmittel ?

Die Frage ist nicht nur, inwieweit das über Marx verbreitete Bild - wie
Du es kurz skizzierst - _noch_ stimmt, sondern, ob das Bild Marx
überhaupt gerecht wird. Viele Marxkenner (ich bin keiner!) sagen, Marx
war in seinem Denken selbst ambivalent, weswegen es eben solche und
solche Marx-Bilder gibt. Anyway, am Selbst-Denken führt imho nix vorbei.
Ein paar Begriffe von Marx sind dabei höchst nützlich, doch müssen eben
wieder und wieder geprüft werden.

Was ist mit all den Reichen die Ihr Vermoegen vermehren in dem Sie Geld
herumschieben bzw. spekulieren ? Die brauchen doch keine Produktionsmittel
oder ?

Das Finanzkapital gabs auch schon bei Marx und Co. Eine Frage, die wir
auch hier schon mal hatten, ist die der Ablösung der Finanzspekulation
von der Realproduktion von Werten und ihren Folgen. Ich meine, dass das
auf Dauer nicht gut gehen kann. Sprich: Auch das Finanzkapital brauchen
Arbeit und Produktionsmittel - nicht selbst, aber irgend jemand muss die
Werte herstellen, mit denen sie spekulieren. Und das sind immer
weniger...

Gibt es irgendwo eine brauchbare Aufarbeitung was von den ganzen
altlinken Theorien heute noch Gueltigkeit hat ? Mich wuerde das
wirklich interessieren, aber ich moechte
nicht jahrelange dafuer studieren...

Noch tausend mal bunter als der Marx schon selber war, sind seine
Interpreten. Nimm doch nur diese Mailingliste. Aus meiner Sicht gibt es
in dieser bunten Schar zwei grobe Richtungen: Eine mehrwertkritische und
eine wertkritische Richtung. Erstere heben ab auf die ungerechte
Verteilung des produzierten Mehrwerts und denken sich dafür Lösungen aus
(von Lohnerhöhung durchsetzen bis den Kapitalisten die Produktionsmittel
wegnehmen). Die anderen kritisieren die ersten dafür, dass sie den
vorgegebenen Rahmen der Wertproduktion also quasinatürliche Tatsache
hinnehmen. Dieser bestimme jedoch bereits das Handeln der Menschen,
weshalb es egal ist, wer über die Verteilung des Mehrwerts entscheidet:
Die Menschen bewegen sie nur wie Rädchen im Getriebe einer Mühle, die
sich selbst antreibt. Arbeiter und Kapitalist sind nur zwei (sich
annähernde) Positionen in der gleichen Mühle, über deren Lauf sie
_nicht_ bestimmen, sondern von ihr bestimmt werden. Deswegen muss die
Mühle weg. Das ist meine Position wie Du merkst - in "Linux ist wertlos"
habe ich das auf Software angewendet
(http://www.opentheory.org/proj/linux-wertlos). Auch nur eine
Position...

Dies ist die Machtbasis im heutigen Wirtschaftssystem, der Privatbesitz an
Wissen, nicht mehr der an Produktionsmitteln.
Das kann ich nachvollziehen, wenngleich ich noch nicht sehe dass sich
prinzipiell viel aendern wuerde wenn alles Wissen oeffentlich ist.
Ich denke dass es teilweise schon umgkehrt ist, dass vieles oeffentlich
zugaenglich ist, weil keine Gefahr besteht, dass es wirklich genutzt wird.
Mit dem nichtprivaten Wissen alleine ist nicht viel anzufangen. Ich denke
dass es die notwendige Infrastruktur zur Umsetzung entscheidend ist.

Es gibt beides: Das Exklusivwissen, das andere auschliesst, und das
allgemeine Wissen, das nur wenige nutzen können wegen fehlender Mittel.
Es ist imho eine Illusion zu meinen, es müsse nur alles Wissen allgemein
sein, und dann wäre die Machtbasis der Mächtigen weg. Weder Wissen noch
Produktionsmittel allein sind das Problem, das Problem ist der
Zusammenhang, in dem sie verwendet werden: Für die idiotische Vermehrung
von Geld, für einen toten Selbstzweck. Allgemeines Wissen ist nur ein
Schritt, allerdings ein wichtiger...

Bye,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
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