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Re: Utopien (Re: [ox] Re: Arbeit oder was?)



Hallo Jobst,

danke fuer Deinen Hinweis. Stimmt, ich werde bolo`bolo mal wieder lesen
müssen...

Ich versteh aber auch nicht, wozu es gut sein soll, wenn eine Utopie
auf High-Tech basiert. Das hieße ja auch, daß sie von dieser Technik
abhängig ist. Sie für den Übergang zu nutzen, wenn sie nicht schadet,
ist ja ok und vielleicht sogar unumgänglich, aber als Grundlage einer
neuen Gesellschaft halte ich sie für ungeeignet.

Ja, das hab ich nicht genau genug aufgeschrieben. Grundlage meine ich
insofern, dass die Bereitstellung der noetigen Gueter so erfolgen muss,
dass man es _kaum merkt_, dass ihre Erarbeitung nicht mehr so viel
Lebenszeit auffrisst, deshalb also doch produktiv/effektiv erfolgen
sollte. Dass man in anderen Lebensformen gar nicht mehr soviel von den
materiellen Guetern braucht, ist nur foerderlich.

Ich denke, DAMIT die zentrale Rolle des Arbeitens/Produzierens/ der
Oekonomie aufgehoben werden kann, muss sie erst einmal als
funktionierend vorausgesetzt werden. (Mit _nicht funktionierender_
Oekonomie hatten wirs im Realsozialismus lange genug zu tun). 

Ich hab oft das Gefuehl, das utopisierende Leute einfach vergessen, was
alles nichtdestotrotz alles noetig ist, um die materielle Reproduktion
am Laufen zu halten. Mit ein bisschen Oeko hier und da und ein wenig
mehr lustvolle Arbeit (beim Kloputzen) ist es ja nicht getan. 

sibi bedeutet keineswegs, dass einfach zu alten Produktionsweisen
zurückgekehrt wird, denn diese sind meist auch nur Vorstufen der
heutigen, auf Herrschaft ausgerichteten Technologie. Es geht darum,
aus traditionellen Methoden zu lernen, was es zu lernen gibt. Einige
industrielle Technologien können, wie sie sind, benutzt werden, in
stark reduziertem Massstab. Andere können mit wenigen Veränderungen
«umgenutzt» werden. Daneben können neue Technologien entwickelt
werden, die auf die bolo 'bolo-Bedürfnisse abgestimmt sind. Der
«andere» technische Fortschritt, der von der Herrschaftstechnologie
seit Jahrtausenden unterdrückt wurde, kann dann beginnen...

Ja, das meine ich. 
Trotzdem enthalten Sammlungen zu _alternativen_ oder _angepassten_
Technologien eben meist NUR die Energietechnik (weil die am naechsten am
oekologischen Problem dran ist).
Software kommt nun durch uns dazu.
Und jetzt noch die Hardware... Es hat meines Wissens nach noch kein/e
Linke/r die Potenzen der moderneren Produktionstechnologien ausgelotet
(wie es Marx einst mit der Analyse der Werkzeugmaschinen-Welt im Kapital
machte). Deshalb haben Stefan Meretz und ich das ja versucht.
(Schlemm, Meretz: Subjektivität, Selbstentfaltung und
Selbstorganisation,
http://www.opentheory.org/proj/selbst/v0001.phtml)
Dort ist es auch besser eingebunden in allgemeine Entwicklungskonzepte,
nicht so technizistisch.

Ehrlich, ich bin eigentlich die letzte, die technizistisch nur auf die
Technik schaut. Aber OHNE sie gehts eben auch nicht. 
Das haengt auch mit meiner persoenlichen Erfahrung zusammen: Meine
Vorfahrinnen waren alle Landarbeiterinnen. Von denen haette es sich
keine einfallen lassen duerfen so was wie Freizeit zum Lesen in Anspruch
zu nehmen. Dass ich das kann und ich diese Freiheiten fuer meine Kinder
noch mehr ausweiten will, braucht als Voraussetzung die Entbehrlichkeit
der frueheren (Land-)Arbeit, die leider in vielen Oekoidyllen wieder
heraufbeschworen wird. 

Ahoi, Annette

*****************************************
*   Annette Schlemm			*
*   URL: http://www.thur.de/philo	*
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http://www.oekonux.de/



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