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Re: [ox] Re: Utopie und Kreativität



Hi Christoph und alle!

9 days ago Christoph Reuss wrote:
Stefan Merten schrieb heute:
(RF:)
Des weiteren ist es doch schlichter Selbstbetrug, immer
nur davon zu reden, wie kreativ, selbstbestimmt, etc.
die Jobs der Informationsindustrie wären. Ein großer Teil
davon ist doch genau das Gegenteil: Das sind z. B. ziemlich
strikt reglementierte Codieraufgaben mit engen Vorgaben.
Wie künstlerisch ist es, das x-tausendste GUI zusammenzuklicken?
Wie selbstbestimmt arbeiten Leute, die hauptsächlich
damit beschäftigt sind, auf Tausenden von PCs die neuen
Releases von Windows und Office aufzuspielen?

(SM:)
Ok, aber das ist nicht meine persönliche Wahrnehmung. In meinem
beruflichen Umfeld (in mittlerweile zwei Jobs) gibt es einen gewissen
Freiraum, der für eigene Kreativität nutzbar ist - und mehr als am
Fließband um es mal kraß auszudrücken.

Dass es kreative Jobs in der Informatik (oder woanders) *gibt*, hat niemand
bestritten -- aber das sagt noch nichts über die (Nicht-)Existenz von
UNkreativen Jobs aus.  Dass Du 2 kreative Jobs hast, ist schön für Dich;
aber inwiefern die "Informationsindustrie" generell kreativere Jobs bietet
als die von Rainer aufgezählten Branchen, wäre noch zu zeigen.

Das ist natürlich richtig. Wobei wir wieder an der Stelle wären,
Statistiken zu bringen.

Ich glaube das Hauptproblem an Deiner GPL-Utopie ist, um es mit den Worten
des Sozialtechnikers Douglas P. Wilson (www.SocialTechnology.org) zu sagen,

"you suffer from the standard malady of utopia-designers everywhere --
 you have come up with a system under which **people like you** would flourish,
 *forgetting* about the vast number of people who are *not* like you at all."

Konret:  Das GPL-Prinzip funktioniert für Linux-Programmierer, aber nicht
für andere Berufe (und v.a. nicht für weniger qualifizierte Arbeiter oder
gar für "normalsterbliche" BenutzerInnen).
(Das obige Zitat war übrigens nicht bezogen auf Programmierung, sondern auf
 die Idee des "Basic Income".)
Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen! :-)

Ich bin da nicht so sicher. In letzter Konsequenz heißt die
GPL-Gesellschaft ja "Mach wozu du Lust hast! Entfalte dich!". Das
finde ich - im Prinzip - nicht so schwer auf andere übertragbar.

Im Prinzip deswegen, weil es für heutige Köpfe natürlich schwer ist,
so etwas auch nur zu denken. Ist ja auch geradezu bedrohlich für die
durchschnittliche SchufterIn.

Kann übrigens sein, daß dieser Gedanke vom letzten Wochenende stammt.
Da waren ich und Stefan Mz. ja in Jena bei Annette und den Leuten von
der Zukunftswerkstatt. War recht ergiebig. Vor allem was die
Diskussion zu Fragen eines Übergangs angeht.

Wie kreativ ist es, gleichförmige HTML-Seiten
zu füllen oder Internet-Bestellungen zu bearbeiten?
Ist eine Scheißarbeit keine Scheißarbeit mehr,
weil sie für einen gehypten .com-Laden stattfindet?

Natürlich nicht. Aber das war auch zumindest nicht mein Punkt.

Aber gerade diese Beispiele sind übrigens auch gegen dich zu wenden.
Diese Aufgaben sind nämlich leicht automatisierbar.

Na, ganz so weit ist die K.I. aber noch nicht...  Die meisten Routine-
Arbeiten sind noch recht weit oberhalb der Automatisierbarkeits-"Schwelle",
sonst wären sie ja schon wegrationalisiert worden...

Kreativität könnte
sich darin niederschlagen, diese Automatisierung zu basteln. Ich
jedenfalls bastele mir x-mal lieber ein kleines Perl-Skript für
irgendeine Routinetätigkeit, als mich mit der Routinetätigkeit selbst
zu langweilen.

Klar - im Kapitalismus schaffen die Jungs und Mädels damit ihre
Arbeitsplätze ab

Meistens schaffen sie damit die Arbeitsplätze der *Anderen* ab.  (der
weniger qualifizierten)

Ich dachte da durchaus an die eigenen. KVP (Kontinuierlicher
Verbesserungsprozeß) ist ja z.B. ein Konzept neuerer Zeit, mit dem
versucht wird, das Produktionswissen in den Köpfen der ArbeiterInnen
und Angestellten für Rationalisierung auszunutzen. Ich kann mir
jedenfalls leicht vorstellen, daß in einem solchen Rahmen die Menschen
öfter auf Ideen kommen, deren Umsetzung ihren eigenen Arbeitsplatz
mindestens teilweise wegrationalisieren würden. Unter
Kapitalbedingungen werden die das natürlich nicht sagen - ein
drastisches Beispiel dafür, daß die Produktionsweise mittlerweile zur
Fessel der Produktivkräfte geworden ist...

7 days ago Berd Binder wrote:
           ^^^^
BTW: Da fehlt wohl ein `n' in deinem Klarnamen.
On Tue, 4 Apr 2000, Benni Baermann wrote:
On Mon, Apr 03, 2000 at 06:48:41PM [PHONE NUMBER REMOVED], Annette Schlemm wrote:
(findet nicht mal wer endlich einen besseren Begriff
für _GPL_?)

Wie waere es mit "Freeware"? Wobei man da natuerlich wieder die
Verwirrung mit dem Freiheitsbegriff drin hat. Ansonsten koennte man
es ja gleich "freie Wirtschaft" nennen, aber das geht wohl nicht ;-)

"Freie Wirtschaft/Gesellschaft" ist mir auch spontan eingefallen.
Das Wort "Frei" wuerde das neue Wirtschaften ausdruecken und die damit
einhergehenden vielfaeltigen Auswirkungen im Ueberbau andeuten:

Nee, nicht "Freie Wirtschaft"! Da fällt mir sofort die
"Freiwirtschaft" vom seligen Gesell ein - und das ist so ziemlich das
Gegenteil von dem, was wir hier diskutieren.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


---------------------
http://www.oekonux.de/



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