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[ox] Re: Utopie und Kreativität (was Re: Die Digitalisierung... )



Hi Stefan

Stefan Merten schrieb heute:
(RF:)
Des weiteren ist es doch schlichter Selbstbetrug, immer
nur davon zu reden, wie kreativ, selbstbestimmt, etc.
die Jobs der Informationsindustrie wären. Ein großer Teil
davon ist doch genau das Gegenteil: Das sind z. B. ziemlich
strikt reglementierte Codieraufgaben mit engen Vorgaben.
Wie künstlerisch ist es, das x-tausendste GUI zusammenzuklicken?
Wie selbstbestimmt arbeiten Leute, die hauptsächlich
damit beschäftigt sind, auf Tausenden von PCs die neuen
Releases von Windows und Office aufzuspielen?

(SM:)
Ok, aber das ist nicht meine persönliche Wahrnehmung. In meinem
beruflichen Umfeld (in mittlerweile zwei Jobs) gibt es einen gewissen
Freiraum, der für eigene Kreativität nutzbar ist - und mehr als am
Fließband um es mal kraß auszudrücken.

Dass es kreative Jobs in der Informatik (oder woanders) *gibt*, hat niemand
bestritten -- aber das sagt noch nichts über die (Nicht-)Existenz von
UNkreativen Jobs aus.  Dass Du 2 kreative Jobs hast, ist schön für Dich;
aber inwiefern die "Informationsindustrie" generell kreativere Jobs bietet
als die von Rainer aufgezählten Branchen, wäre noch zu zeigen.

Ich glaube das Hauptproblem an Deiner GPL-Utopie ist, um es mit den Worten
des Sozialtechnikers Douglas P. Wilson (www.SocialTechnology.org) zu sagen,

"you suffer from the standard malady of utopia-designers everywhere --
 you have come up with a system under which **people like you** would flourish,
 *forgetting* about the vast number of people who are *not* like you at all."

Konret:  Das GPL-Prinzip funktioniert für Linux-Programmierer, aber nicht
für andere Berufe (und v.a. nicht für weniger qualifizierte Arbeiter oder
gar für "normalsterbliche" BenutzerInnen).
(Das obige Zitat war übrigens nicht bezogen auf Programmierung, sondern auf
 die Idee des "Basic Income".)
Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen! :-)


Wie kreativ ist es, gleichförmige HTML-Seiten
zu füllen oder Internet-Bestellungen zu bearbeiten?
Ist eine Scheißarbeit keine Scheißarbeit mehr,
weil sie für einen gehypten .com-Laden stattfindet?

Natürlich nicht. Aber das war auch zumindest nicht mein Punkt.

Aber gerade diese Beispiele sind übrigens auch gegen dich zu wenden.
Diese Aufgaben sind nämlich leicht automatisierbar.

Na, ganz so weit ist die K.I. aber noch nicht...  Die meisten Routine-
Arbeiten sind noch recht weit oberhalb der Automatisierbarkeits-"Schwelle",
sonst wären sie ja schon wegrationalisiert worden...


Kreativität könnte
sich darin niederschlagen, diese Automatisierung zu basteln. Ich
jedenfalls bastele mir x-mal lieber ein kleines Perl-Skript für
irgendeine Routinetätigkeit, als mich mit der Routinetätigkeit selbst
zu langweilen.

Klar - im Kapitalismus schaffen die Jungs und Mädels damit ihre
Arbeitsplätze ab

Meistens schaffen sie damit die Arbeitsplätze der *Anderen* ab.  (der
weniger qualifizierten)

Grüne Grüsse,
Christoph



---------------------
http://www.oekonux.de/



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