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Re: [ox] Letzter Teil Paper GPL-Gesellschaft



Hi Günther, Sabine, Bernd und alle!

Diesen Thread hatte ich noch nicht.

7 days ago egsuckow wrote:
Hallo, Stefan, _Letzter Teil ..._ gefällt mir sehr gut.

:-)

Bezug:Die These ist, dass die GPL-Gesellschaft eine ist, in der die
Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rücken, in der also nicht mehr
blinde Mechanismen [40] wie der Markt die Menschen knechten anstatt ihnen zu
dienen. Stattdessen werden die Menschen frei, ihre Beziehungen zueinander
und zu den Dingen bewusst und nach freier Entscheidung zu gestalten.
Kommentar:
Muss Markt Menschen knechten ? Muss  nicht vielmehr nur - kann aber? -
ausgeschlossen werden, dass sich mit Hilfe des Marktes Menschen ohne
adäquate Leistung Werte aneignen, die von anderen geschaffen wurden?

Alte Debatte. Läuft m.E. letztlich darauf hinaus, ob die "bösen
KapitalistInnen" den "guten ArbeiterInnen" nicht zu wenig vom
Mehrwertkuchen abgeben. Auch wenn dies immanent eine wichtige Frage
ist, verläßt sie das System eben nicht.

Markt hat für mich zwei zentrale Probleme, die sich gegenseitig
verstärken.

* Markt braucht Konkurrenz

  Ein Markt ohne Konkurrenz wäre wohl eine Kooperative. Konkurrenz -
  vor allem die existentielle Konkurrenz wie auf kapitalistischen
  Märkten - hat aber ihre massiven Nachteile.

* Markt ist chaotisch

  Markt wird ja von seinen ApologetInnen vor allem als
  selbststeuerndes System begriffen. So sehr ich ja Selbstorganisation
  mag, beim Markt finde ich sie nur begrenzt zweckmäßig. Immerhin wird
  da massiv über Lebenschancen von Menschen entschieden und mindestens
  ein bißchen Bewußtsein fände ich da schon wünschenswert.

  BTW: Nach der bisherigen Vision der GPL-Gesellschaft weiß ich auch
  nicht, wo ein solches Bwewußtsein auf einem gesamtgesellschaftlichen
  Niveau genau stattfindet.

Davon abgesehen hängt dein Punkt auch sehr in der alten Tauschlogik
wenn du davon sprichst, daß sich "Menschen ohne adäquate Leistung
Werte aneignen". Gnu/Linux ist ja genau das.

Bezug:Wie bei Gnu/Linux bereits heute, würden in der GPL-Gesellschaft
materielle Güter allgemein bereit gehalten [41] bzw. bei Bedarf hergestellt.
Bei Gütern, die leicht, schnell und unkompliziert - z.B. ausschließlich
durch Maschinen - hergestellt werden könnten, könnte vermutlich auf
Lagerhaltung im wesentlichen verzichtet [42] werden. Die produzierten Güter
stünden allen unentgeltlich zur Verfügung, die sie benötigen. Würde ein
heutiger Supermarkt als Verteilstelle genommen, so müßten vor allem die
Kassen entfernt werden.
  Kommentar:
Das würde Kommunismus bedeuten - (Jeder nach seinen Fähigkeiten)-Jedem nach
seinen Bedürfnissen!

Willst du da etwa drunter bleiben ;-) .

Voraussetzen würde es jedoch, dass die Summe der
Bedürfnisse mit technisch-organisatorisch machbarem und ökologisch
vertretbarem Aufwand abgedeckt werden könnte!

Davon gehe ich ehrlich gesagt aus. Ich bin fest davon überzeugt, daß
der Kapitalismus seine historische Aufgabe erfüllt und die
Produktionsmittel auf ein Niveau gebracht hat, auf dem Kommunismus
möglich ist - und zwar nicht im Sinne von Verwaltung des Mangels.

Müssen nicht dazu die
Bedürfnisse in einem - zeitlich jeweils konkreten und veränderbaren - Rahmen
bleiben?

Klar. Ich bin da ehrlich gesagt nicht so skeptisch. Ich gehe stark
davon aus, daß unsere Gesellschaften stark von der kapitalistischen
Logik geprägt sind. Daher kann ich den völlig bewußtlosen Wunsch nach
materieller Konsummaximierung gut als kulturelles Echo des
kapitalistischen Profitmaximierungszwangs analysieren. Andere Gründe
wie Bedürfnissubstitution (Beispiel: Die grenzenlose Freiheit im
Geländewagen, für die in ihren Alltag eingesperrten) spielen natürlich
auch eine Rolle.

Wird sich das über eine Veränderung des Bewusstseins erreichen
lassen?

Ich gehe davon aus, ja. Wenn ich mal in Terms von Revolution denke -
sagen wir mal einer schnellen Umwälzung weiter Teile von Gesellschaft
- dann haben solche Revolutionen auch Effekte, die im vorhinein gar
nicht ausmalbar sind. Die russische Revolution z.B. hat vor ihrem
Scheitern in den 20er Jahren vieles bewegt, was vorher nicht denkbar
gewesen wäre - z.B. in der Kunst.

Wenn ja, von wem soll diese Veränderung ausgehen und wie soll sie
vermittelt werden? Etwa durch Zwang?

Ts, ts, ts - doch nicht durch Zwang ;-) .

Eine meiner grundlegenden Thesen ist - die ich wohl nie richtig
geäußert habe? -, daß eine solche gesellschaftliche Veränderung *im*
Interesse der (überwiegenden Mehrheit der) Menschen liegen muß. Genau
das finde ich so spannend an Gnu/Linux, daß sein Erfolg als Beweis
genau dafür gelten kann.

So gesehen läge also auch eine Bewußtseinsveränderung im Interesse der
Menschen und Zwang wäre nicht nötig.

  Wieso _nicht nur_ ? Soll es also doch noch Geld geben? Wofür?

Die Frage verstehe ich nicht. Oder den Bezug nicht.

Nee, Geld wäre natürlich überflüssig. Wozu auch ohne Supermarktkassen
;-) .

7 days ago Berd Binder wrote:
On Tue, 28 Mar 2000, Sabine Nuss wrote:
nur eine kleine Frage. Du schreibst:

Auf der Basis von Kooperation für eine gemeinsame Sache könnten die
Menschen nicht nur im produktiven Bereich wieder zu menschlichen
Beziehungen zurückkehren - also solchen, die nicht durch Geld geprägt
sind.

Wieso "wieder" ? Auf welchen bereits schon mal existierenden Zustand
bezieht sich das "wieder"?

Vielleicht meint Stefan so etwas wie Urkommunistische Gesellschaften,
(Im Neolithicum) ohne Klassen und Geld ?

In die Richtung allerdings gar nicht mal so weit. Allgemein würde ich
das Vorbild zum wieder in vormodernen - d.h. vorkapitalistischen -
verorten. Beschrieben z.B. in

	http://www.frech.de/fzteil1.htm

Leider halte ich diesen netten, kurzen Text ob seiner Herkunft nicht
für zitierfähig :-{ .

Vielleicht sollte ich nicht von *Rückkehr* zu "menschlichen
Beziehungen" sprechen. Auch im Mittelalter waren die Beziehungen
zwischen Menschen schließlich durch starke Ideologien (vor allem durch
Kirche) geprägt. Schwierige kulturhistorische Debatte. Ich nehm's
besser gelegentlich raus.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


---------------------
http://www.oekonux.de/



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