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[ox] Re: [ox] ein paar Einwürfe



Grüß Euch!

drei Anmerkungen zu Rainer F.:

1)
1. Ende der Arbeitsgesellschaft?
- empirisch: gegenwärtig ist weltweit zu
beobachten, dass der Umfang der Lohnarbeit
zunimmt. Das beste Beispiel dafür sind die
USA (siehe auch den Artikel von Gundolf S.
Freyermuth, den Stefan kürzlich hier
verteilte).

Zunahme der Lohnarbeit sagt nix, nur die mehrwert-produktive interessiert
hier. Die Frage ist:
Lohnarbeit, die von Kapital gekauft wird und für dieses Mehrwert schafft,
oder
Lohnarbeit, die aus Einkommen (dazu gehören auch Steuern) bezahlt wird.
Beamte schaffen so wenig Mehrwert wie der Großteil der boomenden
Dienstleistungsbranche (ja es ist eine ganze Schicht von Leuten entstanden,
die über Billigstdienstleistungen von dem leben, was besser Verdienende
dafür auszugeben bereit sind).
Die Statistiken (denen diese Unterscheidung gleichgültig ist) sagen
tatsächlich wenig aus. (Die von Rainer F. weiter unten geschilderte
Ausgliederung von Dienstleistungen aus der Industrie wird heute allerdings
meist als "industrienahe Dienstleistungen" (vollständig?) berücksichtigt).


2)
- systematisch: wenn die Produktion von Mehrwert
(und nicht etwa nur von Tauschwert) das Ziel
kapitalistischen Wirtschaftens ist und dies
wiederum Lohnarbeit voraussetzt, dann werden
die Kapitalisten uns nicht den Gefallen tun,
die Lohnarbeit abzuschaffen (siehe oben..).

Es geht nicht nur um die Produktion von Mehrwert, sondern auch um dessen
Realisierung auf dem Markt, auf stets wachsenden Märkten, denn anders kann
der Kapitalismus nicht existieren als auf stets erweiterter Grundlage. Kann
er nicht mehr wachsen, frisst er sich notgedrungen selber (und uns mit).
Wenn die Automobilbranche im Ganzen nicht mehr wächst, ja schrumpft
(mehrwert-,
profitmäßig! die Stückzahlen sind wurscht), kann Daimler-Chrysler
durchaus noch eine Zeit lang weiterwachsen.

Als die kapitalistischen Mächte so vor 120 Jahren Afrika und große Teile
Asiens "kolonisiert" haben, hat der Kap. dort die Subsistenzwirtschaften
zerstört und die Leute mittels Geldwirtschaft (und Geldsteuern) auf die
Plantagen, in die Bergwerke und in die Fabriken zur Lohnarbeit gezwungen.
Heute herrscht dort eher die umgekehrte Bewegung vor.

Die auf historisch einsamer Höhe stehende Börsenspekulation deutet nicht
gerade drauf hin, dass die Mehrwertproduktion floriert.


3)
Die Minimierung der eingesetzten Arbeit ist
keinesfalls ein intrinsisches Ziel kapitalistischen
Wirtschaftens. Wenn es den Profit steigert, kann
durchaus auch das Gegenteil geboten sein, wie man
am Revival der Sweat shops (in denen die
Textilbranche ganz bewußt hinter den erreichten
Stand der Rationalisierung zurückgeht) sieht.

Gut. D.h. IMO aber bloß, dass

1. Mehrwert (und schließlich Profit) nicht nur über Erhöhung der
Produktivkraft der Arbeit (Rationalisierung: Organisation, neue Maschinen),
sondern auch über Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft gesteigert
werden und dass

2. der überwiegende Teil der Mehrwertproduktion in den Billiglohnländern vor
sich geht und qua Durchschnittsprofitrate in die Metropolen umverteilt wird.

Am Zwang für die Betriebe, möglichst beide Wege zu gehen, ändert das nichts.
Es ändert daher auch nichts an der tendenziellen Ersetzung von menschlicher
Arbeit durch Maschinerie im Einzelbetrieb und an der Verallgemeinerung
dieser Ersetzung durch den Konkurrenzzwang. Die Folgen für die
Mehrwertproduktion im Ganzen können nur durch ständiges Wachstum wieder
wettgemacht werden, weil nur so die Quelle des Mehrwerts, die Verwurstung
lebendiger Arbeit, am Fließen gehalten werden kann.

Erstens führt aber unendliches Wachstum in einer endlichen Welt, wo sich der
Kap. so ziemlich restlos durchgesetzt hat und wo er kaum mehr eine
Wirtschaftsweise außer ihm selbst zum Fressen vorfindet, zu gewissen
Schwierigkeiten.
Zweitens braucht es für die Mehrwertproduktion tendenziell immer mehr
Maschinerie und relativ dazu immer weniger lebendige Arbeit, der einzigen
Quelle des Mehrwerts. Das bremst die große Verwurstungsmaschine zusätzlich.
Es stellt sich eben immer mehr der Zustand her, den Altvater Marx ziemlich
prophetisch analysiert hat (hab ich unlängst gepostet).

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Soweit sich die Kritiken an Stefan Mn.s Papier darauf beziehen, dass es so
rüber kommt, als gäbe es eine Art automatische Entwicklung zu einer
"GPL-Gesellschaft", sind sie IMO berechtigt. Dass Überlegungen, wie wir
leben können/müssen, ohne dass alles "Wert" & Folgen haben muss, berechtigt,
wünschenswert und notwendig sind, glaube ich aber schon.
Zwar ist die "auf dem Tauschwert beruhnde Produktion" zum Untergang
verurteilt (Marx, s.o.), dahinter zeichnen sich aber ganz höllische Zuständ
ab. Die zu verhindern, soll doch der Zweck unserer Veranstaltung sein.

Ciao, Lorenz



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