Kurzfassung

Stefan Merten <smerten@oekonux.de>

Gnu/Linux - Meilenstein auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft

Kurzfassung

Der Beitrag Gnu/Linux - Meilenstein auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft versteht sich als ein Blick auf Work in Progress. Er ist im Februar/März '00 entstanden. Einige hier präsentierte Inhalte sind im Projekt OekonuxRemote link seit seiner Entstehung Mitte '99 diskutiert worden.

Die vorliegende Fassung ist eine Kurzfassung. Die aktuelle und vollständige Version mit zahlreichen Fußnoten und einigen Links ist ständig unter http://www.oekonux.deRemote link zu finden.

1. Die GPL-Gesellschaft

Vor einigen mehr analytischen Überlegungen eine Vision der GPL-Gesellschaft. Es geht um eine Gesellschaft, die auf den Prinzipien beruht, die Gnu/Linux erfolgreich machen, und von denen einige wichtige später beschrieben wurden.

Wie eine solche Welt aussehen könnte, können wir heute natürlich nicht endgültig sagen - zu viel ist ungewiß und manches wird durch neue Entwicklungen in neuem Licht betrachtet werden müssen. Die in den beiden folgenden Facetten geschilderten Elemente könnten aber wichtige Teile der GPL-Gesellschaft bilden.

1.1. Güterversorgung

Wie Gnu/Linux bereits heute würden in der GPL-Gesellschaft materielle Güter allgemein bereit gehalten bzw. bei Bedarf hergestellt. Diese Güter...

1.2. Lust und Freiheit

Wie für Gnu/Linux würden Menschen selbstbestimmt und freiwillig handeln. Sie würden je nach persönlichem Gusto und den vorliegenden Notwendigkeiten der Muße nachgehen oder sich nützlich machen.

2. Das Besondere an Gnu/Linux

Gnu/Linux weist einige Besonderheiten auf, die es zu einem Meilenstein auf dem Weg in die skizzierte GPL-Gesellschaft jenseits der Arbeit machen. Dies wird an zwei typischen Vergleichen mit bereits existierenden Produkten oder Phänomenen untersucht.

2.1. Gnu/Linux ist kein einfaches Hobby

Oft wird ins Feld geführt, daß es sich bei Gnu/Linux nur um ein Hobby handeln würde und es als solches keine gesellschaftliche Relevanz haben könne. Zwar wird die Entwicklung freier Software nach wie vor vorwiegend als individuelles Hobby betrieben, das Ergebnis dieser Tätigkeit geht aber weit über sonstige Hobby-Produkte hinaus, da im Gegensatz zu Hobbies Gnu/Linux...

Zwar stammt Gnu/Linux aus dem individuellen Hobby, es ist aber sowohl in der Art und Weise der Produktion als auch im hergestellten Produkt in vielen und wichtigen Aspekten längst über eine einfache Hobby-Produktion hinausgewachsen. Es kann also nicht mehr von einem Hobby gesprochen werden.

2.2. Gnu/Linux ist keine Ware

Gnu/Linux ist ein Produkt - eine Ware ist es deswegen aber nicht. Wesensmerkmal einer Ware ist, daß sie getauscht wird - gewöhnlich gegen Geld. Gnu/Linux wird aber im Prinzip nicht getauscht, sondern ist als Gut frei verfügbar.

Daß Gnu/Linux keine Ware ist, hat einige besondere Konsequenzen, denn im Gegensatz zu Waren wird Gnu/Linux...

Gnu/Linux ist also keine Ware und es kann auch keine werden. Diese Eigenschaft von Gnu/Linux hat wichtige Konsequenzen, die die Grundlage des Erfolges von Gnu/Linux bilden.

2.3. Was ist Gnu/Linux dann eigentlich?

Nachdem wir also jetzt wissen, daß Gnu/Linux weder Hobby-Produkt noch Ware ist - was ist es denn dann? Es ist ein Produkt - soviel ist wohl klar. Allerdings ist es ein spezielles Produkt, dessen Art und Weise der Produktion über die hinlänglich bekannten Produktionsweisen hinausweist. Genau diese Eigenschaft ist es, mit der die Prinzipien von Gnu/Linux uns das Tor zu einer neuen Welt öffnen können. Gegenüber der Produktionsweise der Arbeitsgesellschaft zeichnet sich Gnu/Linux aus durch...

Die genannten Aspekte grenzen Gnu/Linux positiv von anderen Produkten ab. In ihrer Summe ergeben sie eine völlig andere Produktionsweise als die aus der Warenwelt gewohnte. Wie wir gesehen haben, hat dies weitreichende Auswirkungen auf die ProduzentInnen, auf das Produkt und sogar auf die NutzerInnen.

Wichtig ist auch, daß alle diese Aspekte eng miteinander verwoben und nicht voneinander trennbar sind. Dadurch ist es nicht möglich Gnu/Linux in die Warenwelt zu reintegrieren ohne seinen Erfolg zu zerstören.

Zusammengenommen ist dies schon sehr spannend. Der Erfolg, den Gnu/Linux gegenüber klassisch hergestellten Produkten hat, machen die Prinzipien von Gnu/Linux aber zu einer ernsthaften Alternative zu der klassischen Produktionsweise. Damit ist Gnu/Linux ein Meilenstein auf dem Weg in eine neue Gesellschaft - die GPL-Gesellschaft!

3. Fahrkarten in die GPL-Gesellschaft

Die - zugegeben recht mutige - Vision einer GPL-Gesellschaft steht und fällt natürlich mit der Verallgemeinerbarkeit der Prinzipien von Gnu/Linux.

3.1. Let's rock!

Ein interessantes Phänomen spielt sich derzeit in der Musikbranche unter dem Stichwort MP3 ab. Drei ineinandergreifenden Entwicklungen - effektive und hochqualitative Kompressionsalgorithmen für Audiodaten, breite Verfügbarkeit eines dieser Algorithmen und das Internet - lösen eine Dynamik aus, die der von Gnu/Linux nicht unähnlich ist. Herkömmlichen Verteilungsweisen von Musik wächst eine ernsthafte Konkurrenz heran.

Große Teile der Musikindustrie und einige MusikerInnen stellen sich gegen diese Entwicklung. Vor allem aber für weniger bekannte MusikerInnen sind die neuen Formen der Verteilung von Musik aber hochinteressant. Zwar ist die Ausgangssituation in der Welt der Musik sicher eine andere als bei der Software. Aber es gibt auch hochinteressante Parallelen und sollte sich ein freies MP3 weiter durchsetzen, so ist dies ein weiterer Schritt in die Richtung, die Gnu/Linux schon so erfolgreich vorexerziert und damit ein weiterer Baustein für die GPL-Gesellschaft.

3.2. Internet kontra Profite

Daß im Internet - entgegen aller Prognosen - Profite wenn überhaupt nur in marginalem Umfang zu machen sind, hat einen fundamentalen Grund. Das Internet ist nämlich die Globalisierung in ihrer reinsten Form, da alle weltweiten Anbieter einer Ware buchstäblich nur noch einen Mausklick voneinander entfernt. Diese extreme Globalisierung hat entscheidende Folgen.

Einerseits wird durch diese Globalisierung die Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern so sehr verschärft, daß sehr schnell nur noch der Preis Null konkurrenzfähig ist. Auf einen Preis Null läßt sich aber kein Geschäft aufbauen.

Andererseits ermöglicht die weltweite Verfügbarkeit und praktisch unbegrenzte Kapazität des Internet einem Anbieter eine Präsenz gegenüber potentiellen KundInnen, die im konventionellen marktwirtschaftlichen Alltag undenkbar ist. Dies führt dazu, daß ganz wenige Firmen ausreichen, um mit ihren Angeboten einen weltweiten Bedarf zu befriedigen.

Das Internet, daß Gnu/Linux erst möglich gemacht hat, ist mit seiner strukturellen Profitfeindlichkeit vielleicht eine der wichtigsten Grundlagen für die GPL-Gesellschaft.

3.3. Stand der industriellen Produktion

Die industrielle Produktion hat schon heute einen Entwicklungsstand erreicht, der die nahezu menschenfreie Produktion möglich erscheinen läßt. Gleichzeitig verändert sich der Charakter der verbleibenden Tätigkeiten hin zu solchen, die mit Lust ausgeführt werden können. Die Voraussetzungen für einen Übergang in die GPL-Gesellschaft wachsen also schon seit längerem heran.

3.4. GPL-Produkte

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft wäre die Übertragung der GPL auf andere Produkte als Software. Während diese Übertragung für Informationsprodukte bereits stattfindet, steht ein solcher Schritt für materielle Produkte noch aus.

Die Übertragung auf materielle Produkte fällt schwerer, weil sie nicht so einfach wie Information kopiert werden können. Wenn die Kopierbarkeit als spezielle Eigenschaft digitaler Informationen also Gnu/Linux erst ermöglicht hat, so müßte eine Übertragung der Prinzipien von Gnu/Linux auf materielle Produkte einhergehen mit dieser einfachen Kopierbarkeit.

Ein Schritt in diese Richtung könnte sein, daß Universalmaschinen gebaut werden, die computergesteuert mehr oder weniger beliebige Werkstücke herstellen können. Tatsächlich gibt es solche Entwicklungen bereits.

3.5. Informationsgesellschaft auf den Begriff gebracht

In den vorindustriellen Agrargesellschaften war die Subsistenzproduktion von Gütern für den unmittelbaren Lebensbedarf die entscheidende Konstante. In der industriellen Gesellschaft wurde diese agrargesellschaftliche Konstante durch die allgemeinere materielle Produktion von Waren abgelöst und die Produktion von Gütern für den unmittelbaren Lebensbedarf wurde zunehmend zum reinen Anhängsel der industriellen Produktion. Die gesamte Gesellschaft wurde durch diesen Wechsel in der Produktionsweise so entscheidend geprägt, daß von einem historischen Epochenbruch gesprochen werden muß.

In der GPL-Gesellschaft, die die Informationsgesellschaft erst auf den Begriff bringt, würde nun wiederum die Produktion von Waren zum bloßen Anhängsel der Produktion von Informationen. Die Gesellschaft würde also von den Prinzipien der Produktion von Informationen bestimmt - deren erstes Beispiel Gnu/Linux ist. Ein solcher Umbruch wäre in der Tat ein erneuter Epochenbruch von wahrhaft historischer Dimension.