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Thread: choxT00301 Message: 7/9 L2 | [In date index] | [In thread index] | |
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Thomas Uwe G. schreibt:
Ich mache es mir einfach: Kunst ist Selbstentfaltung, bzw. das Ergebnis davon. Mit der Definition kann ich mich mit obiger Unterscheidung anfreunden. Aber ich möchte ja niemandem Worte in den Mund legen... Aber damit liege ich sicher auch total falsch. Der typische Kunstbegriff des 20. Jahrhunderts war ja ein ziemlich elitärer, und die Ergebnisse dieser Kunst somit für die Nicht-Elite unergründlich. Er kann also nicht auf Selbstentfaltung im Oekonux-Sinne aufsetzen, denn auch wenn sich hierbei der Künstler entfalten mag, ist ihm offensichtlich die Entfaltung aller anderen dabei scheißegal.
das Phänomen Kunst ist sicher einer genaueren Untersuchung wert, und eine solche Untersuchung kommt um die Konstatierung eines (notwendig) falschen Bewußtseins nicht herum. Das geht mir vor allem deswegen unter die Haut, weil dieses notwendig falsche Bewußtsein gerade in Österreich epidemisch verbreitet ist. Soll heißen, jeder zweite Mensch in diesem Land mit oder ohne höhere Ausbildung sieht sich als verkannter, berufener oder heimlicher Künstler, pflegt Kunstsinnigkeit und Kunstseele und produziert an einem kotzlangweiligen geistigen Klima mit. Die Produkte dieser Kunstseelen zeichnen sich durch Willkürlichkeit, Unpro- fessionalität, Unernsthaftigkeit und Nutzlosigkeit aus. Das sollen ja gerade auch die Gütesiegel sein. Habe keine Zeit, jetzt eine gute Ableitung hinzuschreiben, aber sie könnte in etwa so anfangen: Wer will weitermachen? Will wer? 1. In dieser Gesellschaft wird jeder objektive Zwang durch das Nadelöhr der Willensfreiheit gepresst. Abstrakte Freiheit = konkrete Unfreiheit. Freiheit ein effektiver Weg der Herrschaft, indem die Untertanen ihr Treiben selbst herrschaftsnützlich ausgestalten, sprich sich ihrer konzessionierten Mittel bedienen, aus denen der Reichtum der Nation besteht und durch die er wächst. 2. Diese Gesellschaft kämpft daher ständig mit dem Widerspruch von Freiheit und Unfreiheit, von klein auf wird den Menschen eine Verdoppelung des Bewußtseins in Materialismus und Moral um die Ohren geschlagen. In allen möglichen Formen wird dieser Widerspruch ausgetragen, in der Wissenschaft wird jeder mögliche Beweis dafür erbracht, daß die Freiheiten und Notwendigkeiten des Müssens zusammengehen. 3. Als kleine Extraveranstaltung gibt es die Kunst. Hier wird extra freie Subjektivität konzessioniert, das heißt ein Mensch darf in einer bestimmten Sphäre (Sprache, Musik, Ton, Malerei, Medien) das gestalten was er will. Bei dieser Sphäre handelt es sich zumeist um Residuen handwerklicher Produktion, die vom gesellschaftlichen Produktionsprozeß geschieden sind. Die ganze Welt (halt: nur die, die sich gerade auf die Seite der Freiheit schlagen!) bewundert die freie Subjektivität, will an ihr teilhaben und verrät nur, daß der Ausgangspunkt dieser veranstaltung eben das genaue Gegenteil ist. 4. Die Kunst der Kunst besteht nun darin, sich in dieser Beschränkung und Bescheidung häuslich einzurichten und gegen besseres Wissen die Wichtigkeit der eigenen Klecksereien für die gesellschaft- liche Subjektivität im Allgemeinen zu behaupten. Der Künstler ist so einerseits Stellvertreter, andererseits behauptet er ja gerade die Allgemeinheit seiner Produktion. "Wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen was ich leide" sagt stellvertretend der gequälte Tasso und diese Botschaft ist in hundertatusend Varianten phantasievoll reproduziert worden. Zu später Stunde und am dramatischsten von Adorno. 5. Teddy Adorno verdankt seine Bekanntheit und Beliebtheit eben genau der Tatsache, daß er als Ideologe der künstlerischen Freiheit in der bürgerlichen gesellschaft alle Register gezogen hat, naben Hegel und der klassischen Philosophie auch noch die linke Gesellschaftskritik dafür instrumentalisiert hat. Daß er dabei nicht nur der Kunst im Allgemeinen, sondern auch noch seinem persönlichen Geschmack, über den sich bekanntlich streiten läßt, der Schein einer tiefen Begründetheit verliehen hat, darüber sollte man sich lieber nicht geschmäcklerisch mokieren. Wer es mit der gesellschaftlichen Gesamtarbeit in der Tonsetzerei nicht so genau nimmt, den sollte auch die Verachtung des Jazz nicht stören. 6. Wer die Postulate Adornos ernst nimmt und genau hinsieht, wird allerdings merken, daß paradoxerweise genau das, was er als Qualität künstlerischer Arbeit postuliert hat, nämlich unmittelbar (freie) allgemeine Arbeit zu sein, in sehr ähnlicher Form in der Freien Software tatsächlich passiert. Vielleicht hat er ja nur etwas genialisch vorweggeahnt und hätte nur eine bessere Brille gebraucht.... Franz _______________________ http://www.oekonux.de/
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