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[chox] Aufruf zum 1. Mai



Heyho,

hier noch ein ganz cooler 1.Mai-Aufruf - diesmal ernstgemeint ...

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We can work it out!

Aufruf zur Demonstration antifaschistischer Gruppen aus NRW zum „Tag
der Arbeit“ 2003

„Die Revolutionen des Proletariats werden Feste sein – oder sie
sind von vornherein gescheitert. Das Leben nämlich, das sie einleiten werden,
wird selbst im Zeichen des Festes stehen: Genuss ohne Schranken und Leben
ohne tote Zeit seine einzig anerkannten Regeln.“ –
Situationistische Internationale, 1966

Auf dem deutschen Weg

„Deutschland ist wieder wer!“ - so lässt sich die Gegenwart bzw.
die Zeit seit der „Wiedervereinigung“ beschreiben. Das
postfaschistische Deutschland hat es geschafft, sich als einflussreichster Staat in
Mitteleuropa und als neue und alte militärische Großmacht zu (re-)etablieren.
Nach außen vertritt Deutschland aggressiv seine Interessen, so wie es gerade
nötig erscheint, mal mit Bomben auf Belgrad, mal als Friedensengel an der
Seite des irakischen Baath- Regimes. Wichtig ist, was hinten rauskommt. Bündnisse
schließt man wie es gerade notwendig ist, im Falle des Angriffes auf die
Bundesrepublik Jugoslawien mal zusammen mit der NATO, im Falle des Iraks gegen
den Krieg der Alliierten. Auch mit den Begründungen weiß das „neue
Deutschland“ variabel umzugehen. Im Falle Jugoslawiens phantasierte man
einen „serbischen Hufeisenplan“, ein „Massaker von Racak“
und andere Verstöße gegen die „Menschlichkeit“ herbei, wodurch
sich die Deutschen versichern konnten, endlich mal auf der „richtigen
Seite“ zu stehen, schließlich führte man diesen Krieg gegen den
„Serben-Hitler“ (Bild-Zeitung) nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, wie
es Josef Fischer seinen VolksgenossInnen mitzuteilen wusste. In jüngster
Vergangenheit wähnte sich Deutschland auch wieder auf der „richtige
Seite“, denn es galt, einen Krieg zu verhindern und das Völkerrecht zu
verteidigen. Die Mobilisierung des reichhaltig vorhandenen antiamerikanischen
Ressentiments seitens der rot-grünen Friedensengel trug in nicht unbeträchtlichem
Maße zum Gewinn der Bundestagswahl bei.

Während Rot-Grün Wahlen gerne mit „Friedensrhetorik“ bzw.
Antiamerikanismus gewinnt, bleibt die Opposition aus Union und FDP lieber ihrer
Tradition treu, und mobilisiert in Wahlkämpfen rassistische, nationalistische
und antisemitische Ressentiments. Damit kann schließlich nicht viel schief
gehen. Schon in der sog. „Asyldebatte“ 1991-1993, wurde der
rassistische und neonazistische Pöbel Stichwortgeber der etablierten Parteien, die den
z.B. in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen artikulierten Volkswillen
präzise und schnell umsetzten, indem sie das Grundrecht auf Asyl faktisch
abschafften und die „Festung Europa“ fleißig bis zum heutigen Tag in
treibender Funktion ausbauten bzw. ausbauen. In der sog.
„Doppelpass-Debatte“ 1999, versuchte die Union zu verhindern, dass das völkische
Staatsbürgerschaftsrecht, welches die biologistische Blut- und Bodenideologie,
nach der nur derjenige deutscher Staatsbürger sein kann, dessen Eltern auch
schon „Deutsche“ waren, faktisch in die Gegenwart verlängert, durch
ein weniger völkisch-rassistisches Staatsbürgerschaftsrecht ersetzt wird. Die
Proteste des rassistischen Mobs stießen aber natürlich auch bei Rot-Grün auf
viel Verständnis, was zu einem schnellen Stopp des zaghaften
Modernisierungsversuches führte. 

Nicht weniger großer Beliebtheit erfreute sich Jürgen W. Möllemann mit
seinen klassisch antisemitischen und antiisraelischen Ausfällen. Endlich sagt
jemand mal die Wahrheit über „die Juden“, schallte es von den
Stammtischen und aus den Meinungsumfragen. In Letzteren wird alle Jahre wieder
festgestellt, dass ca. 20% der Deutschen ein geschlossen antisemitisches Weltbild
pflegen, und 15% sich vorstellen können, rechtsextreme Parteien zu wählen.

Dies sind aber nur die radikalsten Ausformungen des reaktionären, deutschen
Alltagsbetriebs. Die Konstanz dessen, was deutsch ist, wird nicht nur im
volks- bzw. standortgemeinschaftlichen Korporatismus deutlich. Alle Jahre wieder
werden staatlicherseits die sich eigentlich gegenüberstehenden Interessen von
Kapitalverwertung und Arbeiterschaft unter der Ägide des nationalen
Standortinteresses an einen Tisch gebracht. Während die Industrie- und
Unternehmerverbände dem historischen Klassenkompromiss kaum eine Träne nachweinen, klammern
sich gerade diejenigen, die vom System am wenigsten zu erwarten haben,
besonders fest an die vermeintliche Schlichterrolle staatlicher Krisenregulation.
Letztere praktizieren den bereitwilligen Verzicht im Sinne des Allgemeinwohls
vermittelst des ideologischen Kitts von Volk, Rasse und Nation – und
eines spezifisch deutschen Arbeitsbegriffs.

Arbeit made in Germany

Galt im Mittelalter Arbeit noch als Qual und Pein, wandelte sich mit dem
Aufkommen des Protestantismus dieses Verständnis grundlegend: Arbeit wurde
positiv besetzt. Für die Einen galt das ökonomische Resultat körperlicher
Verausgabung als Zeichen göttlicher Auserwähltheit, für die Anderen alleine, dass
diese anstrengend, schweißtreibend und aufopfernd verlief. 
Martin Luther war einer der ersten, der einen Arbeitsbegriff formulierte,
welcher jenseits des Inhalts der Bedürfnisbefriedigung angesiedelt war und
einer ehrlichen, schaffenden, deutschen Arbeit eine „jüdische
Nicht-Arbeit“ und ein „jüdisches Schmarotzertum“ entgegensetze. Dabei
waren Unterordnung unter die Gemeinschaft und autoritätsgläubige Hörigkeit
prägend. Mit der Entwicklung frühbürgerlicher Wirtschaftsformen bekam die
lutherische Setzung eine qualitativ neue Dynamik. Das Unverständnis gegenüber der
Macht des Geldes, des Kreditwesens, der Börse und der Spekulation mündete in
einem Mißtrauen gegen diese notwendigen abstrakten Ausdrucksformen
kapitalistischer Ökonomie. 

An die Stelle des konkreten Feudalherrschers trat im gesellschaftlichen
Bewusstsein der konkrete jüdische Geldverleiher, dessen Kapital der Anschein
anhaftete, sich ohne Arbeit selbst zu vermehren. Zum einen wurde nicht
verstanden, dass der Kapitalismus gerade die Auflösung aller unmittelbaren
Herrschaftsformen bedeutete, sondern sich gerade als ein abstraktes Verhältnis über den
Subjekten konstituierte, das sich aber nur im konkreten subjektiven Handeln
auszudrücken vermochte. Zum anderen wurde nicht begriffen, dass Finanzmarkt und
Produktionsstätte zwei aufeinander bezogene Ausdrucksweisen eines selben
Verhältnisses sind: Des Kapitalismus. 
In den Krisen des Spätkapitalismus artikulierte sich ein Antisemitismus, der
den Juden eine unmittelbare Verantwortung für den wirtschaftlichen
Zusammenbruch zuschrieb. Sie seien raffgierig und würden als Parasiten den
„Volkskörper“, das nationale Kollektiv der ehrlich Schaffenden, aussaugen.
Insofern erschien die nationalsozialistische „Endlösung der
Judenfrage“ unter dem Motto „Arbeit macht Frei“ als durchaus
konsequent.

„Der Schlüssel zur Gesellschaft liegt im Tausch“! T.W. Adorno

Alles, was der Kapitalismus an Gütern hervorbringt, sind Waren – und
somit käuflich. Selbst die Arbeitskraft ist eine Ware. Wesentlich ist hier,
dass alle Besonderheiten von Waren und Arbeiten unter einem allgemeinen Wert
eingeebnet werden. Geld ist dabei die Form, in welcher der Wert
unterschiedlicher Waren ausgedrückt wird. Dies ist ein allgemeines Tauschäquivalent, welches
zunächst nur die simplen Beziehungen von Arbeit und Ware in ihrer
gemeinsamen Wertförmigkeit ausdrückt, allerdings in seiner abstraktesten Form zunächst
als Geld, und später als Kapital erscheint. 
Diese Art der Wirtschaftsform – Kapitalismus - vermag es somit, alles
einem allgemeinen Äquivalent des Tauschprinzips zu unterwerfen und die
Wertförmigkeit zum einzig gültigen Prinzip der Gesellschaft zu erheben. Daraus
ergibt sich die Allumfasstheit dieses Verhältnisses, denn es ist nichts mehr
denkbar, was außerhalb dieses Prinzips stehen könnte. Dieses System ist vom
Menschen selbst gemacht, doch es spiegelt ihm seine eigene geschaffene Welt als
angebliche Naturgesetzlichkeit wider. So ist es nicht verwunderlich, dass eine
solche Gesellschaft in ihrer Philosophie behauptet, dass der Mensch dem
Menschen ein Wolf sei. Die faktisch vorherrschenden, aber doch duch den Menschen
produzierten Grundsätze wirken regel- und prinzipiensetzend: In allen
Bereichen des eigenen Lebens wie auch in allen Bereichen der 
Gesellschaft. 

Menschen zählen somit nur als Ware Arbeitskraft, die das gesamte System sich
zu seiner Erhaltung und Ausweitung aneignen muß. Dieser Zwang, sich im
Verwertungsprozess eingliedern und unterordnen zu müssen, erzeugt notwendigerweise
den Glauben, dass dies zum eigenen Wohl geschehe. Was ja zuächst auch
stimmt: Schließlich weiß ein Jeder, dass, wer nicht arbeitet, auch nichts zu essen
bekommt. Der Zwang der Arbeit ist somit keine aus der Luft gegriffene
Phantasie. Er offenbart sich allgegenwärtig, in der Gesellschaft, in der wir leben.
Diese ist weder von einem Gott gegeben noch natürlich noch für ewig. Sie ist
Produkt von Menschen und den Verhältnissen, in denen sie sich aufeinander als
Eigentümer verschiedener Waren beziehen. Ein wesentliches Resultat aus
diesem Zustand ist ein Verhältnis zum notwendigen Übel der Arbeit, wie es
verdrehter, verkehrter kaum sein könnte. Arbeit gilt Allerwelt als notwendig und gut
zugleich. Dieser Arbeitswahn entfaltet sich dort, wo nicht nur ohne Arbeit
angeblich nichts mehr funktioniert, sondern wo sie mystifizierend, als
notwendig und gut zugleich, verklärt wird. Den Arbeitsfetisch gilt es zu bekämpfen
und als das zu denunzieren, was er ist: Ideologie, falsches Bewusstsein. 

Mit dem rapiden Fortschreiten der technischen Möglichkeiten, menschliche
Bedürfnisse mit stets weniger Verzicht von Müßiggang quantitativ und qualitativ
immer besser befriedigen zu können, kündigt sich eine Vorstellung davon an,
wie ein Leben vollständig ohne Versagung durch Arbeit denn sein könnte - und
es gereift zumindest die Einsicht, dass Arbeit keine Sache ist, der auch nur
irgendetwas abzugewinnen sein kann, sondern dass sie, um es einmal im Klartext
zu sagen, an und für sich Scheiße ist. 

Konkret zeigt uns gerade die Konfrontation von gesellschaftlicher
Wirklichkeit mit ihrer zu verwirklichenden Möglichkeit die Fähigkeit der Menschheit
auf, die Wirklichkeit selbst vernünftig gestalten sowie eine Welt ohne
Arbeitszwang und Herrschaft schaffen zu können. Diese eröffnet uns den Blick auf
dasjenige, was bei der Abschaffung von Staat, Nation und Kapital dem Menschen zu
seiner individuellen Entfaltung an die Hand gegeben werden könnte. Auf
dasjenige, was dem alltäglichen Zwang, sich einem System zu fügen, welches den
eigenen Vorstellungen des Lebens diametral widerspricht, zu sprengen vermöchte.
Auf dasjenige, was die Abschaffung des Übels der Arbeit mit seinen
gesellschaftlichen Verklärungen zustande bringen dürfte, und endlich auf die Möglichkeit
der Hervorbringung einer Realität, deren einzig anerkannte Regeln der Genuss
ohne Schranken und Leben ohne tote Zeit sein werden.

JEDE REVOLUTION HAT IHREN VORABEND!
WE CAN WORK IT OUT!

ARBEIT // DEUTSCHLAND // KAPITALISMUS ABSCHAFFEN!

FÜR DEN KOMMUNISMUS!

30. April 2003 // 18:00 Uhr // Düsseldorf // Oberbilker Markt

1. Mai 2003 // 18:00 Uhr // Berlin // Rosa-Luxemburg-Platz


Unterstützende Gruppen:

Offene Antifa Münster (OAM), Autonome Antifa Moers, Antifa [X]
Recklinghausen, Antifajugend Dorsten, RAI Duisburg, Antifa Essen Z, Antifaforum Rheinberg,
Kritik & Praxis Berlin, Gruppe Sinistra Frankfurt/Main




 


 
  

 

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