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Re: [ox-de] keimform.de: Produktive Schweine und unproduktive Kinder



On 2010-07-21 17:47, Hans-Gert Gräbe wrote:
spannende Zahlen, allein die Systematik bleibt mir verschlossen, was
denn nun genau "unbezahlte Arbeit" ist.

Da musst du, wenn dich das interessiert, in die ausführlicheren 
Dokumente und Artikel gucken. Diese Agitprop-Broschüre leistet das 
nicht. Der Artikel von Dieter Schäfer ist in dieser Hinsicht ganz 
interessant (unter den Quellen).

Zweitens, und das habe ich angemerkt, gibt es tatsächlich ein 
strukturelles Problem, was eigentlich hier "Arbeit" ist, und was nicht.

Was bedeutet es, wenn doppelt so viele gesellschaftlich notwendige
Tätigkeiten unbezahlt wie bezahlt erledigt werden?

Nun, zunächst ist in der Aufstellung die Proportion unbezahlt:bezahlt
bei 15% vs. 13%. Die Leute verwenden also durchschnittlich
*insgesamt* 28% = 6.72 h pro Tag auf bezahlte *und* unbezahlte
Arbeit, auf die Woche hochgerechnet 47 h.  Für eine
40-h-Arbeitswoche doch eine recht spannende Zahl.

Aus diesen Zahlen kannst du den Vergleich bezahlt vs. unbezahlt nicht 
nehmen, weil hier noch verschiedene Tätigkeiten vermischt vorliegen. 
Keine Ahnung, warum die das so missverständlich bezeichnen.

Auf S. 7 (internationaler Vergleich) taucht der Begriff "unbezahlte
Arbeit" gar nicht mehr auf, sondern es heißt
"Haushaltführung/Betreuung der Familie/Ehrenamt" (spannende
Zusammenfassung).

Aber erst ab S. 9 unterscheiden sie systematisch zwischen bezahlter und 
unbezahlter Arbeit, und auf Seite 11 findest du die Statistik, die ich 
verwendet habe.

Ich weiß nicht, ob die Studie wirklich so weit trägt, wie du daraus
argumentierst. Mal abgesehen davon, dass sie eher auf verschiedene
Arten von "Tätigkeiten" denn auf "Arbeit" in einem
ökonomietheoretisch fassbaren Sinn abstellt, die in einem komplexen
Prozess gesellschaftlicher Reproduktion anfallen, in dem ja auch in
dieser Gesellschaft die speziell über Geld vermittelten nur einen Teil
ausmachen.

Das war genau Ziel meines Artikels: Die Studie ist völlig in 
"ökonomietheoretisch fassbarem Sinn" abgefasst und interpretiert worden 
(bis hin zur ziemlich willkürlichen Rückrechnung in BIP-kompatible 
Größen). Dabei sollte eigentlich klar werden, dass der größte Teil der 
gesellschaftlichen Reproduktion nicht über "Arbeit", also nicht 
ökonomisch, sondern über andere "Tätigkeiten", also nicht-ökonomisch, 
läuft, was gemeinhin ausgeblendet wird. Die Studie macht die Abspaltung 
der Nicht-Wertsphäre sichtbar -- und die Dominanz der Ökonomie, beides.

Ciao,
Stefan

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