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Re: [ox] Gibt es ein Macht-Vakuum?



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Hallo Hans -Gert,

Am 13.07.06 schrieb Hans-Gert Gr=E4be <graebe informatik.uni-leipzig.de>:

Hallo Ingo,

Ingo Heer wrote:
>> >> Was ist "richtig"? "Richtig" kann ich nur als subjektive Kategorie
>> >> denken.
>> >

Wir sind unversehens wieder bei einer Thematik gelandet, die hier vor
etwa einem Jahr einen ziemlichen Flame zwischen mir auf der einen Seite
und Stefan Merten sowie Stephan Eissler auf der anderen Seite ausgel=F6st
hatte - =FCber den Begriff von Information, den du hier verwendest.


Damals war ich leider durch Krankheit verhindert, die Debatte zu verfolgen.
Mich w=FCrde aber interessieren, woraus du schlie=DFt, dass ich den von den
beiden anderen verwendeten Informationsbegriff verwende.

Ich
sage noch immer, mit der Autorit=E4t von Janich, Capurro und
Fuchs-Kittowski im R=FCcken: intersubjektive Feststellung von
Sachverhalten ist nur als ERGEBNIS eines intersubjektiven
Kommunikationsprozesses zu verstehen, als Ergebnis "gelingender
menschlicher Kommunikation".


Dem will ich doch gar nicht widersprechen und nach gelungener menschlicher
Kommunikation ist das "richtig"  doch intersubjektiv und meinem Verst=E4ndn=
is
nach dann eben objektiv. Die Frage stellt sich doch, bei welchen
Sachverhalten intersubjektive Kommunikation gelingt und bei welchen sie
nicht gelingt. Ich denke, auch hier werden wir uns soweit einig sein, dass
es immer schwieriger wird, je komplexer der Sachverhalt ist.
Ich habe nicht verstanden, wieso du die Autorit=E4t der drei oben genannten
Autoren ins Gespr=E4ch bringst.

Insofern gibt es f=FCr mich in der Tat keine intersubjektive Feststellung
von Sachverhalten, der nicht ein intersubjektiver Kommunikationsprozess
mit Koh=E4renz bildendem Charakter VORAUSGEGANGEN ist.


Was =E4ndert das an der Tatsache von richtig oder falsch, wenn dem ein
intersubjektiver Kommunikationsprozess vorausgeht. Wichtig ist, dass dieser
Prozess ein Ende hat und am  Ende eine gemeinsame Feststellung steht, dass
der Sachverhalt richtig ist und damit objektiv ist.

Hier meine ich, dass bei objektiven (das hei=DFt intersubjektiv
> feststellbaren) Sachverhalten "Auffassungen" keine Rolle spielen. Ich
will
> das am Beispiel der Quantenmechanik deutlich machen.

Die Aussage "intersubjektiv feststellbar" ist aber doch schon Ergebnis
einer solchen Koh=E4renz stiftenden Kommunikation, oder? Wie kommt es zur
Abgrenzung und Zuschreibung von Ph=E4nomenen als "intersubjektiv
feststellbar" ?


Eben in Kommunikationsprozessen =FCber die entsprechenden Sachverhalte.
Mein Beispiel aus der Physik zeigt, dass es dort am ehesten gelingt, diesen
intersubjektiven Kommunikationsprozess zum gelingen zu bringen.
Ganz anders sieht es beim Verst=E4ndnis der menschlichen Gesellschaft aus. =
Da
gibt es ein breites Spektrum. Dass das Verst=E4ndnis der menschlichen
Gesellschaft nicht ohne wissenschaftliche Erforschung zu erhalten ist, das
zeigt der Artikel von Peter Janich "Kultur des Wissens - nat=FCrlich
begrenzt?" (Erschienen in: W. Hogrebe, Grenzen und Grenz=FCberschreitungen.
19. Deutscher Kongress f=FCr Philosophie 2002, Bonn).

Allerdings kann ich mich dem folgenden Satz aus diesem Artikel in keiner
Weise anschlie=DFen:"Der naive naturhistorische Realismus, der irgendwie vom
Urknall bis zum Sozialstaat kommen m=F6chte, verkennt, da=DF es im Kontext =
von
Forschungsfragen selbst eine Behauptung (und zwar eine nicht eben leicht zu
explizierende und zu best=E4tigende) ist, =FCber vergangene, nicht beobacht=
ete
und nicht beschriebene Verh=E4ltnisse etwas zu wissen. Tats=E4chlich ist die
gesamte naturgeschichtliche Forschung sowohl in der Biologie wie in der
Kosmologie nur eine Retrodiktion, ein narratives Schreiben einer Geschichte.
Diese betrifft aber immer im Ausgang von einem Explanandum als abgeschlossen
betrachtete und im Resultat bekannte Entwicklungen. Pointiert formuliert, es
ist nicht zuerst die Materie da, die dann Leben hervorbringt, welches
seinerseits den Geist emergieren l=E4=DFt. Wer dies behauptet, hat die
Geltungsbedingungen eben dieser Behauptung nicht reflektiert. Es ist prim=
=E4r
=BBder Geist=AB, der den Zweck erfindet und setzt, zum Vorfindlichen eine
kausale Vorgeschichte zu schreiben. Und es ist der Geist in seiner
kult=FCrlichen Auspr=E4gung, der die lebendigen Maschine unter der Sch=E4de=
ldecke
erforschen m=F6chte und sich dabei ganz bestimmte Vorbilder an
Begrifflichkeit, Erkl=E4rungstypen und Labortechniken w=E4hlt." (S. 16)
Ich gehe einmal davon aus, dass du hier Janich nicht folgst. Von daher w=E4=
re
eine Pr=E4zisierung angebracht, was du meinst, wenn du davon sprichst, mit
Janich im R=FCcken.


Bei allen mir bekannten reproduzierbaren Experimenten gibt es
> innerhalb der Physikergemeinschaft keinen Dissenz. ...

Hier ist der Kommunikationsprozess ja mit H=E4nden zu greifen. Wie in
Holloway Buch f=FCr andere gesellschaftliche Ph=E4nomene ausgef=FChrt gib=
t es
gute Gr=FCnde, das Ergebnis dieses Kommunikationsprozesses nicht losgel=
=F6st
vom Prozess selbst zu betrachten, weil wir sonst Gefahr laufen, den in
dieser gesellschaft allgegenw=E4rtigen Fetischisierungstendenzen
aufzusitzen.

> Aber erst in der Interpretation der Ergebnisse entstehen die
> Differenzen.

Die aber eine Basis haben; den darunter liegenden Konsens. Machen wir
den unsichtbar, dann wird er auch unhinterfragbar.

> Fazit: in Wissenschaften, welche das =3DE4u=3DDFere des Menschen
> erforschen, ist "richtig" bei isolierten Sachverhalten (Versuche,
> welche eine eindeutige Fokussierung der Aufmerksamkeit zulassen)
> intersubjektiv, ich bezeichne dies als objektiv, m=3DF6glich.

Das gilt erstens nur f=FCr eine ganz eng begrenzte Form von Wissen und ist
zweitens, wie oben ausgef=FChrt, nicht voraussetzungslos. Bereits f=FCr
Erfahrungswissen, wie es etwa in der Soziologie eine breitere Rolle
spielt, ist das l=E4ngst nicht mehr so eindeutig.


Dar=FCber besteht sicher Konsens.

Ob "richtig" als Kategorie oder nicht gef=3DFChrt wird, ist jetzt
> gerade nicht mein Problem. Insofern haben wir denke ich auch hier
> keine  Differenzen. Anders ist es mit dem Problem, vier Augen sehen
> mehr als zwei. Das ist richtig, wenn es um die Integration des
> Erkannten geht. Mir ging es in meiner Argumentation darum zu zeigen,
> dass wenn auf denselben Sachverhalt fokusiert  wird,  nur in
> besonderen F=3DE4llen  Dissens besteht.


Das gilt nat=FCrlich nur, solange Konsens =FCber den Sachverhalt besteht. D=
as
hatte ich vorausgesetzt .

Damit habe ich kategorial Probleme. Die je zwei Augen schauen auf
dieselbe Realit=E4t, das "Erkannte" ist aber doch ein je individuelles
Abbild derselben Realit=E4t, das ganz stark durch den Filter der je
eigenen historischen Erfahrung gefiltert ist. Dass kein Dissens besteht,
st=FCtzt sich doch bereits auf einen vergangenen Koh=E4renz bildenden
Kommunikationsprozess. Deine weiteren Beispiele zeigen doch nur, wie
stark die SUGGESTIVKRAFT dieses im Vergangenen wurzelnden Prozesses ist.


Ich vermute, dass ich deine Rede von "Vier Augen sehen mehr als zwei"
missverstanden habe. Ich habe Augen als Sinnesorgane verstanden. Als solche
stehen sie ganz am Anfang der Wahrnehmungskette, das Erkennen aber am Ende.
Damit  wir  unsere Umgebung, unsere gesellschaftlichen  Beziehungen und uns
selbst in gleicher Weise  erkennen,  setzt einen Konsens  =FCber den
Erkenntnisvorgang voraus. Insofern l=E4sst sich eine Diskussion =FCber eine
freie Gesellschaft nicht von der Diskussion =FCber das Erkennen  l=F6sen.


Oder die Frage, ob das hier on oder off topic ist. Sage ich mal aus
Erfahrung.


Und da bin ich bei der Beantwortung dieser Frage, dass diese Diskussion on
topic ist.

Viele Gr=FC=DFe, Hans-Gert


Viele Gr=FC=DFe Ingo


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