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Re: Was ist Kompetenz? / Re: [ox] Empirie vs. Dogmen



Am Freitag, 2. Juni 2006 15:05 schrieb El Casi:

Am Mittwoch, 31. Mai 2006 23:42 schrieb El Casi:
Jac (2006-05-30 04:25 [PHONE NUMBER REMOVED]):
Das meint Kompetenz: Kompetenz, einen Song zu komponieren,
Kompetenz, ein natura- listisches Bild einer Landschaft zu
malen, Kompetenz, ein Auto zu reparieren, Kompetenz, sein
Empfinden abstrakt in einem Bild oder einer Skulptur
auszudrücken, Kompetenz, eine Jagd strategisch zu leiten,
Kompetenz, gut zu kochen, Kompetenz, mit anderen friedlich
umzugehen, Kompetenz, ein Schiff über den Ozean zu lenken etc.

Nein. Macht ist definiert als das Bestreben einzelner oder
vieler, andere zu etwas zu zwingen, was diese zu tun oder zu
unterlas- sen ablehnen.

Das Vermögen, andere zu etwas zu zwingen, ist dann für mich nur
eine Facette.  Dieses Vermögen kommt sicherlich nicht nur von
irgendwelchen individuellen oder kollektiven Bestrebungen! Oder
siehst Du das wirklich so?

Wesentlich ist die Erkenntnis, daß sich auch Sachzwänge in indi-
viduelle und kollektive Bestrebungen auflösen lassen - denn nur
dann sind sie veränderbar. Eine Institution kann nicht handeln -
es ist immer ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen, welche(r)
im Namen der Institution handeln bzw. handelt.

Das würde ich ganz anders formulieren:  Eine Institution kann
handeln, weil eine Institution sich immer (im umgangssprachlichen Sinn
von Institution) aus Menschen zusammensetzt.  Allgemeiner gesagt:
eine Institution ergibt sich aus dem Handeln von Menschen, aus
der Verfestigung bestimmter Handlungsweisen (unter anderem aus den
Handlungsweisen Überordnung und Unterordnung).

Du hast recht, meine Formulierung war unzureichend. Natürlich
muß in die Betrachtung einer Institution auch die gemeinsame Über-
zeugung oder Idee der Menschen, was die Institution sei, einbezogen 
werden.

Die Verfestigung von Handlungen korrespondiert mit der Verfestigung
von Ideen und Überzeugungen, was die Institution sei. Diese Ideen ge-
hen den Handlungen voraus. Und diese Ideen und Überzeugungen ent-
stammen einem Pool an Überzeugungen, die alle dem entsprechen, was 
als normal und mit der Ordnung der Dinge übereinstimmend angesehen 
wird, mit der sich zu identifizieren man erlernt hat. 

Allerdings können auch Institutionen ohne Über- und Unterordnung
gebildet werden.

Strukturelle Gewalt kann uns nur solange beherrschen, wie wir in
unserer erzwungenen Persönlichkeitsentwicklung der äußeren
Ordnung die Macht dazu einräumen.

-- Oder solange wir ohne Unterordnung unter diese strukturelle
Gewalt nicht in der Lage sind, uns als Menschen zu reproduzieren.
Dieser Aspekt spielt in Deiner Darstellung des Über-Ichs bislang
keine Rolle oder?  Für mich aber ist die Tatsache, daß Menschen
sich nicht außerhalb des gegebenen gesellschaftlichen und
natürlichen Rahmens ernähren können, einer der Gründe für die
Entstehung und die (jeweils) konkrete Gestalt des Über-Ichs (wie
auch des Menschen überhaupt).

Was ist ein "natürlicher Rahmen"?! Ist es Jagen&Sammeln? Oder
der Ackerbau, der außer bei der Spezie Mensch nicht in der Natur
anzutreffen ist? Oder die industrielle Produktion?

Du behauptest, ohne Unterwerfung unter die strukturelle Gewalt
wäre eine Reproduktion des Menschen nicht möglich. Mein Stand-
punkt ist dagegen, daß die im frühkindlichen Alter erzwungene
Persönlichkeitsentwicklung uns die Fähigkeit nimmt, uns als
menschlich bzw. als Menschen zu reproduzieren - nicht im bio-
logischen Sinne, sondern im psychologischen Sinne, indem ein
Keil zwischen uns und unsere emotionale Menschlichkeit getrie-
ben wird. Die Ansicht S. Freuds, man müsse sich Bedürfnisse
versagen, um die Kultur zu erhalten, ist falsch.

Diese "Psycho-Macke" - um deine Worte zu gebrauchen - führt
direkt zu ganz realen gesellschaftlichen Machtstrukturen, die 
ohne die "Psycho-Macke" nicht vorstellbar wären, zu einer Ge-
sellschaft, in der die einzelnen Menschen zutiefst davon über-
zeugt sind, keine Wahl zu haben, gar nicht anders handeln zu
können, Sklaven struktureller Gewalten und Sachzwänge zu
sein. In dieser Gesellschaft wird Macht gern soweit trivialisiert,
daß jedes individuelle und gesellschaftliche Verhältnis eine
Machtbeziehung sei, um die eigene, nicht in der eigenen Le-
bendigkeit verankerte Persönlichkeit zu schützen und um am
Machtmodell sozialer Beziehungen festhalten zu können.

Die Kritik einer engen Machtdefinition trivialisiert die Macht,
indem auch ein Umgang mit anderen Menschen, der diesen
eine Wahl lässt, sich im gewünschten Sinne zu verhalten oder
nicht, Macht und damit ein Gewaltverhältnis sei. Macht, die
Menschen gegen ihren Willen zwingt, in einer bestimmten er-
warteten Art und Weise sich zu verhalten, kann nicht mehr 
von  der Macht, die anderen eine Wahl  läßt, unterschieden
werden. Statt einen anderen Begriff zu definieren,  der jene
Macht bezeichnet, andere durch das eigene gute Beispiel zu 
bewegen, sich in der gewünschten Weise zu geben oder es  
bleiben zu lassen, redet man lieber von positiver im Unter-
schied zur negativen Macht.

Gruss,
Jacob
________________________________
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Kontakt: projekt oekonux.de



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