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Re: [ox] Konkreteres zur Freien Gesellschaft?



Hallo Karl, hallo alle,

Karl Dietz wrote:
coole mail. danke!

Danke für dein Feedback!

1. unangenehme Arbeiten: was macht man mit unangenehmen Arbeiten, die
  nun wirklich gar keineR machen will, wie z.B. (vermutlich) Müllabfuhr,
  Kloputzen u.ä.?

spez. dazu hat annette einen text geschrieben:
http://coforum.de/index.php4?Das%20Utopische%20Klo

Denn kannte ich schon, empfinde ihn aber als absolute Anti-Utopie! Wenn
ich mir in einer Freien Gesellschaft echt stundenlang darüber Gedanken
machen müsste, wie mein Klo beschaffen sein soll, dann .... ja dann
erscheint mir im Vergleich zu dieser Horrorvorstellung der Kapitalismus
plötzlich _richtig_ attraktiv ;-)

Ich glaube, Texte wie dieser sind schuld daran dass das Nachdenken für
Alternativen heute bei vielen Leuten so unpopulär ist...

Grundsätzlich in die richtige Richtung geht darin aber wohl vor allem die
Einrichtung, die auch heute schon jede WG kennt, nämlich der "Putzplan":

"Das ganze Bad gehört zur Reinigungsaufgabe für alle, bei der sie sich
abwechseln. Eine Frau ist nie dran, soviel ich weiß, macht sie irgend
etwas anderes, was die anderen auch nicht machen wollen. Sie haben sich
das halt abgesprochen."

Das könnte durchaus auch für größere Gruppen (lokale Gemeinden o.ä.) ein
Weg zum Erledigung der unangenehmen Dinge, die niemand freiwillig macht
(wie der Müllabfuhr) sein. JedeR muss von Zeit zu Zeit mal ran, aber
niemand wird dadurch allzu sehr belastet, weil sich alle im gleichen
Umfang beteiligt sind.

Stallman scheint übrigens etwas derartiges schon 1985 vorausgesehen da
haben, als er im GNU Manifesto schrieb: "People will be free to devote
themselves to activities that are fun, such as programming, after spending
the necessary ten hours a week on required tasks such as legislation,
family counseling, robot repair and asteroid prospecting."
[http://www.gnu.org/gnu/manifesto.html]

Wobei ich vermute, dass sich für Dinge wie Familienberatung (soweit man
das in einer weniger dysfunktionalen Gesellschaft überhaupt noch
professionell machen müsste), den Bau und die Reparatur von Robotern und
die Erkundung von Asteroiden durchaus Freiwillige finden lassen, die das
gerne und enthusiastisch machen würden, so dass Stallmans Einschätzung,
was den Umfang der besonders unangenehmen Aufgaben betrifft, wohl unnötig
pessimistisch ausfällt. Legislation, das Treffen von alle betreffenden
Entscheidungen, ist natürlich ein besonderer Aspekt, auf den wir nochmal
zurück kommen sollten.

Stallman kennt natürlich die Kraft der Automatisierung, und es ist wohl kein
Zufall, dass in seiner Liste gerade Dinge, die sich schwer oder gar nicht
automatisieren lassen, auftauchen. Jedoch scheinen sich gerade die besonders
unangenehmen Aufgaben, die nun wirklich gar niemand gefallen, dadurch
auszuzeichnen scheinen, dass sie besonders dröge sind und genuin menschliche
Fähigkeiten (wie Denken oder Intuition) in besonders geringem Maße erfordern.
Gerade solche Aktivitäten sollten sich besonders gut automatisieren lassen.

Heute geht der Trend dahin, eher die angeseheren und attraktiveren
Aktivitäten zu automatisen, weil die besser bezahlt sind, so dass höhere
Einsparungen nötig sind. Wenn aber nicht mehr die Kosten, sondern der Wunsch
nach Reduzierung (ungeliebter) Arbeiten im Vordergrund steht, würde sich das
ändern und sich wahrscheinlich ein ungeahntes Rationalisierungspotenzial eröffnen.

Entsprechende Entwicklungen könnte eine Gemeinde, wenn sie will, auch noch
zusätzlich honorieren, indem sie die ErfinderInnen einer Einrichtung, die
die unangenehmen Arbeiten in der Gemeinde um X Stunden pro Jahr reduziert,
für z.B. 2X Stunden von unangenehmen Arbeiten freistellt. Wobei ich vermute,
dass die intrinsische Motivation ("ich will die Scheiße nicht mehr machen!")
allein durchaus schon ausreichen würde...

hi christian, auch der text "freie menschen in freien vereinbarungen"
geht wohl in die richtung. der ist zB auf opentheory zu lesen.

-> http://www.opentheory.org/gegenbilder/text.phtml

Den hab ich vor einiger Zeit mal gelesen. Schöner Text, aber ich hatte nicht
den Eindruck dass er Antworten auf die von mir gestellten Fragen gibt. Werd
ihn mir aber nochmal genauer angucken.

Ciao
	Christian

PS. Gibt es hier außer Karl eigentlich niemand, die/den das Thema
interessiert? :-(

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Was darf die Satire?
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