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OT: Formalien Re: [ox] Potsdamer Denkschrift 2005



Beobachtungen eines Formalisten:

Christoph Reuss (2005-11-25 16:59 [PHONE NUMBER REMOVED]):
Stefan Seefeld schrieb:
ich wollte eigentlich nur darauf hinaus, wie unproduktiv ich
Dichotomien in solchen Diskussionen finde, was nat"urlich klar
im Widerspruch zum Anspruch des Autors liegt, ein 'Produzent'
zu ein.
 
... Der Ansatz, Dichotomien seien grundsätzlich schlecht, ist so
falsch wie...

Aus ``unproduktiv ... in solchen Diskussionen...'' wird
``grundsätzlich schlecht''.  Die folgenden Äußerungen beziehen
sich sämtlichst auf ``grundsätzlich schlecht'', nicht auf das, was
der Adressat auszudrücken beliebte.

Ist Marx' Einteilung in ruling/working class etwa keine
Dichotomie?

Ruling und working passen nicht zusammen und somit auch nicht
gegeneinander.  Selbst nach simplistischster marxistischer
Ideologie sollte die working class ruling class werden müssen, um
die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß classes absterben
(aufgehoben werden) könnten.

Ein Gegensatzpaar wäre working class -- non-working class (oder
leisure class, wie T. Veblen das trefflich formulierte, was zum
Leitbild des ganzen ihm folgenden Jahrhunderts geworden war), aber
das trifft auch nicht den marxschen Klassenbegriff, denn das ist
nur eine soziologische Widerspiegelung der ökonomischen Struktur,
mit der Marx sich vornehmlich befaßt hat.  

Es gibt doch einige Marxisten hier -- zählt sich davon auch nur
einer zur ruling class?

Unter formalen Gesichtspunkten läßt sich die Relevanz dieser Frage
für die vorgeblich behandelte Frage nicht erkennen.

Der Ansatz, Dichotomien seien grundsätzlich schlecht, ist so
falsch wie der Ansatz, Fett sei grundsätzlich ungesund.  Es
kommt nur drauf an, die _richtige_ Dichotomie bzw. Fette zu
verwenden -- die falschen Fettsorten sind ungesund, aber die
richtigen Fettsorten (essentielle FS) sind gesund und
lebensnotwendig.  Würde ein Mediziner behaupten, die Einteilung
der Fette in Sorten sei "unproduktiv", so müsste man ihn als
kontraproduktiven Mediziner bezeichnen.

Hier wird ``falsch'' zum Synonym von ``unproduktiv''.  Weiterhin
wird die Unterscheidung zwischen Dichothomie und Einteilen
aufgehoben.

Ob die erste Gleichsetzung formalen Schlußkriterien genügt, läßt
sich offenbar nur mit Kenntnis der chemischen Definitionen der
Termini ``richtige Fettsorte'' und ``falsche Fettsorte''
beurteilen, welche dem Autor nicht zugänglich sind. (Verweise,
sofern sie dem Thema Oekonux zuträglich sind, sind erwünscht. Eine
Bereicherung des Diskurses stellt dieser Absatz aber schon deshalb
dar, weil das hier übliche Kürzel FS (Free Software) um die
Dimension Fett-Säure erweitert und nebenher in nahezu poetischer
Form das Nachdenken über ``essentielle Freie Software'' und
ähnliche Analogien angeregt wird.)

Wichtiger ist natürlich die Einführung des Terminus ``die
_richtige_ Dichothomie'', welche bescheiden und ohne es an die
große Glocke zu hängen an die lange Tradition der menschlichen
Suche nach dem Stein der Weisen anknüpft.  Hierdurch erhält der
Oekonux-Diskurs endlich auch (fast) explizit eine bisher kaum
derart profund wahrnehmbare historische und spirituelle Tiefe und
gewinnt dadurch entscheidend an Gewicht für die Betrachtung der
gesellschaftlichen Perspektiven.

Dichotomien grundsätzlich als schlecht zu verwerfen, ist eine
Ausrede von Leuten, die keine wirklichen Argumente gegen die
richtige Dichotomie vorbringen können, ein Interesse am
Weiterbestehen der falschen Dichotomie haben, oder schlichtweg
die Auswirkungen nicht überblicken...

Es handelt sich hier offenbar um eine Reflektion des Autors seiner
eigenen Gedanken zu den von ihm selbst eben eingeführten Begriffen
der richtigen und falschen Dichothomie und zum grundsätzlichen
Verwerfen selbiger.  Formal läßt sich aus dieser Aussage kein
anderer Adressat als er selbst ableiten. 

All das sind ur-alte Stereotype. Die Frage nach dem Primat
Produzent/Predator vs. gesellschaftliche Strukturen ist so alt
wie die ganze Idealismus /
Materialismus Diskussion, und auch das Problem der Dichotomien
haben wir hier schon in den verschiedensten Varianten
durchgekaut (z.B. 'konkurrieren' vs.  'kooperieren').

In sofern ist es also schon etwas frustrierend, wenn dieselben
Fragen immer wieder auftauchen.

Wahrscheinlich tauchen dieselben Fragen immer wieder auf, weil
sie hier bisher noch nicht befriedigend beantwortet wurden.

Hier werden erstens der Adressat (diesmal wieder nicht der Autor
selbst) und das Publikum darüber aufgeklärt, daß Fragen nur die
Erscheinungsform von Versäumnissen des Dogmatikministeriums sind,
und nicht etwa, wie jene zu vermuten scheinen, Ursache und
Wirkung, Antrieb und Ergebnis des Erkenntnisprozesses, und
zweitens wird hier der freundlicherweise nicht namtlich genannte
Dogmatiker (Beantworter) auf sein Versäumnis hingewiesen, in einer
Deutlichkeit, die hoffen läßt, daß er den Wink trotzdem versteht
und seinen Pflichten nachkommt.


Soviel dazu.  
El Casi.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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