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[ox] Copyleft vs. Public Domain - ein Beitrag zur peer2peer-Debatte



Hallo Franz,

Franz Nahrada schrieb:
Das Thema Urheberrecht versus Copyright Fragezeichen haben wir in der
Liste schon oft gehabt aber ich empfinde es als noch nicht wirklich
ausdiskutiert

Ich würde es eher so formulieren: Copyleft vs. Public Domain – auch wenn
offenbar derzeit fraglich ist (siehe [ox-en]) , ob Oekonux 3.0 auf der
Basis der GPL 3.0 stehen wird :-)

Gerade habe ich den in vieler Hinsicht sehr lehrreichen Vortrag von
Wolfgang Pircher “Die elektronische Gabe” von der 3. Oekonux-Konferenz
nach der Audio-Aufzeichnung niedergeschrieben (haben wir davon
eigentlich ein Manuskript?). Ich gebe hier mal den Abschluß wieder:

“Es geht weniger um die Aneigung bzw. Enteignung von Produkten, sondern
vielmehr um die Erhaltung einer bestimmten Arbeitssphäre. Es handelt
sich also um einen Kampf um die Bedingungen der Möglichkeit von Arbeit.
Hier sind in der Produktion äußerliche Rechtsverhältnisse seit Alters
her entscheidend. Sie sind das Machtmittel der Aneignung und Enteignung.
Wenn auch die Rechtsverhältnisse das Privateigentum schützen, so ist es
doch nicht egal, ob (Zitat) 'die Privatleute die Arbeiter oder die
Nichtarbeiter sind.' (Das ist aus dem Kapital von diesem in Highgate
Begrabenen) 'Besitzt der Arbeiter seine Produktionsmittel in der Form
des Kleinbetriebes, dann ist er freier Privateigentümer seiner von ihm
selbst gehandhabten Arbeitsbedingungen. Er ist der Handwerker des
Instruments, worauf er als Virtuose spielt' (also ein
Handwerker-Künstler). 'Die engen naturwüchsigen Schranken einer solchen
Produktion und Gesellschaft werden gesprengt durch die Verwandlung der
individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in gesellschaftlich
konzentrierte, was die Enteignung der großen Volksmasse zur Bedingung
hat. Das ist die gewaltsame Vorgeschichte des Kapitals, auf deren
Grundlage die kapitalistische Produktionsweisae auf eigenen Füßen steht,
ohne aber die weitere Vergesellschaftung zu beenden. Nun aber erlangt
die Enteignung eine neue Form. Was jetzt zu expropiieren ist' sagt
dieser Karl 'ist nicht länger der selbst wirtschaftende Arbeiter,
sondern der viele Arbeiter exploitierende - ausbeutende - Kapitalist.Der
Konzentrationsprozeß des Kapitals, wo ein Kapitalist den anderen
totschlägt, befördert neben anderen aber auch die Empörung der durch den
Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten,
vereinten und organisierten Arbeiterklasse. In deren Revolution wird die
erste Negation des durch seine Enteignung begründeten Arbeitertums durch
eine zweite überboten, und diese stellt nicht das Privateigentum wieder
her, wohl aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der
Errungenschaften der kapitalistischen Ära, der Kooperation und des
Gemeinbesitzes der Erde, der durch die Arbeit selbst produzierten
Produktionsmittel.'

Es geht also tatsächlich um einen Eigentumskrieg, um wieder zur
Erlangung des enteigneten Eigentums als individuelles Eigentum
zurückzukehren. Die Zukunft wird also nicht gewonnen in einer
Geschichtsvergessenheit, aber auch nicht in der bloßen Wiederherstellung
des Alten, also nicht die Rückkehr zu den alten Handwerkern.

Um nun zum Abschluß noch einmal auf die Gabenökonomie zurückzukommen:
behalten, nämlich die Verfügung über die eigene Arbeit, um geben zu
können, nämlich die Produkte dieser Arbeit, um die Erweiterung der
eigenen Arbeitsmöglichkeiten wieder als Gegengabe wieder zu erhalten.
Dankeschön.” (soweit Pircher:)

Was das mit Copyleft zu tun haben soll? Sehr viel, wie ich meine. Auch
bei der Autorenschaft handelt es sich um nichts anderes als um die
Verfügung über die eigene Arbeit, und das Copyleft-Prinzip, so wie es
von Oekonux vertreten wird, beinhaltet genau dies: “behalten, um geben
zu können, um die Erweiterung der eigenen Arbeitsmöglichkeiten als
Gegengabe wieder zu erhalten”.

Weiters: in der peer2peer-Debatte spielt m.E. ebenfalls dieser Umstand,
nämlich die *Wiedererlangung* der Verfügung über die eigene Arbeit die
entscheidende Rolle. Es gibt in der Freifunk-Bewegung ein
bemerkenswertes Dokument, welches gewissermaßen deklariert, wie das
Zusammenspiel der Produktionsmittel in p2p (oder e2e, wie das Phänomen
in der Schule von Lawrence Lessig bezeichnet wird)-Systemen organisiert
werden kann:

“Mittlerweile gibt es viele Community-Netzwerke, diese sind jedoch
geographisch und sozial voneinander getrennt und bilden kein
zusammenhängendes Netzwerk. Dieses Dokument ist ein Ansatz (Versuch),
diese Netzwerkinseln miteinander zu verbinden, indem es die minimale,
grundsätzliche Vorlage für ein 'Peering'-Abkommen (Verbindungsabkommen,
Bündnisabkommen) zwischen den Eigentümern individueller Netzwerkknoten
liefert: das PicoPeeringAgreement (PPA).
Das PPA ist eine formalisierte Beschreibung der Verbindung zwischen zwei
Netzwerk-Instanzen (peers). Eigentümer einer Netzwerkinfrastruktur
machen von ihrem Eigentumsrecht Gebrauch, indem sie ihr Einverständnis
dafür geben, einen Teil ihrer Infrastruktur für den freien
Datenaustausch über ihr Netzwerk bereitzustellen.
Das PPA [...] soll als Vorlage für weitere Kleinst-Verbindungsabkommen
und Verträge dienen. “

(Der ganze Text steht unter http://www.picopeer.net/PPA-de.html )

Das Entscheidende beim PicoPeering-Agreement ist die Art und Weise, wie
das Zusammenspiel vieler Kleineigentümer zu einem großen
Produktionsnetzwerk geregelt wird – in dieser Hinsicht könnte es meiner
Meinung nach Modellcharakter erlangen - etwa für die Organisation
nichtkapitalistischer Lieferketten. Diese Art der Organisation dürfte
eine Möglichkeit darstellen, das zu bewirken, was oben vom guten alten
Marx zitiert wurde: nicht das Privateigentum wieder herzustellen, “wohl
aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der Errungenschaften der
kapitalistischen Ära, der Kooperation und des Gemeinbesitzes der Erde,
der durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel.”

Ich könnte das jetzt noch weiterführen, z.B. mit dem in Chemnitz
vorgestellten Askemos-Ansatz, der ebenfalls in diese Richtung weist;
aber dieser Beitrag ist ohnehin schon viel zu lang, das bringe ich
später irgendwann. Als Konklusion nur so viel: die Public Domain leistet
in meinen Augen bestenfalls so viel, wie das “Volkseigentum”, und das
ist mir zu wenig, um wirklich eine dauerhafte neue Produktionsgrundlage
aus “reflexiver Aneignung des Produktionspotentials des Kapitals”
(Postone) herstellen zu können.


Viele Grüße

Stefan



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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