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Re: [ox] kreative vs. instrumentelle Macht



Hi Christoph,

Christoph Reuss wrote:
In diesem Sinne:  "Beware of predators!" ;-)

Und das bezeichne ich schlicht als Stalinismus.

Nee, Stalin war ja selber ein Predator  (Zitat aus Wikipedia:
"Statt Priester wurde Stalin Berufsrevolutionär.").

Ich machs mal etwas deutlicher. Es ist nicht nur die phonetische Nähe zu
predatel (russ. = Verräter), die mich zu der Äußerung veranlasst hat. In
diesem "Beware of predators!" - und da kommt sicher ein Stück weit meine
Ost-Sozialisation durch - wird für mich immer der Schlachtruf der
Denunzianten mitklingen. Es gibt ein paar Schlüsselerlebnisse in meinem
Leben, wo ich Zeuge war, wie Leute mit diesem Schlachtruf auf den Lippen
 fertig gemacht wurden. Und zwar im Namen einer Vision, die sie
eigentlich selbst teilten. Nur war es eine abstrakte Vision geworden und
die Menschen dahinter nicht mehr zu fühlen.

Es ist dabei nie "Blut gespritzt" im wörtlichen Sinne - die Zeiten waren
gottlob bereits zivilisierter - aber ich halte es für eine *arge*
Verkürzung, wenn du "Stalinismus" schlicht und nur an Stalin festmachst.

Dass ich hier nicht über Vergangenes rede, sondern über virulente linke
Alltäglichkeit, das hat Stefan Meretz in seinem Beißreflex-Paper
http://www.opentheory.org/utopie_im_alltag
noch einmal schön beschrieben.

Du verstehst also vielleicht jetzt besser, wieso bei mir alle
Alarmglocken klingeln, wenn du genau ein solches Spielchen hier mit
Lessig abziehst.

Und das gleich hinterher: Wir sind alle nicht gegen so was gefeit, denn
es geht um Dinge, die ganz tief mit der Muttermilch eingesogen sind. Es
ist die Befindlichkeit der Warenmonade, die in allem, was nicht *genau*
in ihr Bild passt, Konkurrenz wittert und darauf reflexartig reagiert.
Und es sind diese Reflexe, die sie hindern, sich auf andere
Gestaltungsansprüche *positiv* einzulassen. Es ist ein allererster
Schritt zu merken, *dass* es in uns wirkt, aber noch schwerer zu merken,
*wie* es in uns wirkt. Mindestens bis dahin werden wir in uns selbst
graben müssen, wenn wir einer Freien Gesellschaft nicht nur in Worten
näher kommen wollen.

Viele Grüße, Hans-Gert

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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