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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi El et al!

2 weeks (14 days) ago El Casi wrote:
Stefan Merten (2005-06-06 18:27 [PHONE NUMBER REMOVED]) in Antwort auf Stefan
Eissler:
Stefan Merten schrieb (02.02. 20.00 Uhr): "Bei dem Begriff
Informationen muss genau genommen angegeben werden, in welchem
Zusammenhang die Daten einen Unterschied machen." Genau der
Meinung bin ich auch. Anders gesagt: Ob und inwiefern eine
Entität Information ist, ist "Systemabhängig": "Informationen
sind immer Eigenleistungen einer unterscheidenden Einheit, d.h.
niemals von außen gegeben; draußen oder in der Umwelt des
Systems gibt es für das System zunächst ein unspezifisches
Rauschen, das nur potentiell informativ ist." (aus dem
Luhmann-Lexikon von Detlef Krause S. 109).

Darüber, dass Information auf jeden Fall etwas mit der
"unterscheidenden Einheit" zu tun hat, scheint hier ja eine
gewisse Einigkeit zu bestehen.

Wahrscheinlich aber nicht darüber, was überhaupt ein Unterschied
ist, und was es bedeutet zu unterscheiden.

Nun, eine Unterscheidung kann eine Entscheidung zur Folge haben.
Spätestens wenn wir eine Entscheidung vorliegen haben, können wir also
davon ausgehen, dass eine Unterscheidung vorgelegen haben muss. Hätte
es keine Unterscheidung gegeben, wäre eine Entscheidung nämlich gar
nicht erst notwendig gewesen.

Für eine Entscheidung bedarf es einer irgendwie gearteten Freiheit,
oder besser vielleicht verschiedener / unterschiedlicher
Handlungsmöglichkeiten. Ob ein Spektrum von Handlungsmöglichkeiten
besteht ist also letztlich ein Kriterium dafür, ob es Entscheidungen
zu unterschiedlichen Handlungen führen können. Wenn ich mal die ganz
esoterischen Lesarten weglasse (s.u. ein Beispiel) dann können wir
also annehmen, dass eine Unterscheidung nur von Systemen mit
Handlungsmöglichkeiten im weitesten Sinne ausgestattet sind.
Informationen sind für diese Systeme handlungsleitend und deswegen
kann es Informationen also nur für solche Systeme geben.

Warum nicht? Unbelebte Natur ok, weil ich der auch keine
Informationsverarbeitung zuschreiben würde, aber ab belebter
Natur sind allen Systemen bestimmte Problemklassen gemeinsam.
Dazu gehört in unserem Zusammenhang die Reaktion auf
Umweltereignisse, die zunächst gemessen werden müssen (Daten) um
dann interpretiert zu werden (Information / Bedeutung) und aus
denen Reaktionen folgen.

Nochmal meine vielleicht schon langweilige Infragestellung Deiner
(nicht-differenzierenden?) Anwendung von Begriffen auf verschiedene
Zusammenhänge (konstruiert):

Nein, nein, ist gar nicht langweilig. Es hilft mir selbst langsam
etwas heraus zu schälen.

- unterscheidet ein Stein? Wenn er von von links getreten wird,
  rollt er nach rechts, wenn er von rechts getreten wird, nach
  links.  Gibt es hier einen Unterschied, gibt es eine
  Unterscheidung? Wenn ja für wen bzw. aus welcher Perspektive?

Nein, es gibt hier keine Unterscheidung, denn der Stein entscheidet
mangels Handlungsmöglichkeiten nicht. Was du beschreibst ist eine
simple Wechselwirkung - worauf ich andernmails eingegangen bin.

Hier wäre übrigens der esoterische Einwand möglich, dass entweder der
Stein sehr wohl entscheidet aber leider über keine
Handlungsmöglichkeiten verfügt, oder dass der Stein immer so
entscheidet und handelt, wie wir es von ihm gewohnt sind. Beides würde
ich aber nicht ernsthaft diskutieren.

- unterscheidet eine Pflanze? Wenn sie von links bestrahlt wird,
  wächst sie nach links, kommt das Licht von rechts, dann nach
  rechts. (Gibt es hier einen Unterschied, gibt es eine
  Unterscheidung? Wenn ja für wen bzw. aus welcher Perspektive?)

- unterscheidet eine Katze?  Wenn ihr links was zu fressen
  angeboten wird, geht sie nach links, wenn von rechts mit ihr
  gespielt wird, geht sie nach rechts... (Gibt es hier einen
  Unterschied, gibt es eine Unterscheidung? Wenn ja für wen bzw.
  aus welcher Perspektive? ... was wird eigentlich unterschieden?)

- unterscheidet ein Mensch?  Wann können wir von einem Akt des
  Unterscheidens sprechen und was unterscheidet das Unterscheiden
  von einer 'bloßen' 'Reaktion', wie der des Steins oder der
  Pflanze?

- unterscheidet ein Computer? ...oder reagiert er nur?

Da alle diese Systeme über Handlungsmöglichkeiten verfügen,
entscheiden sie auch und wählen aus den möglichen
Handlungsmöglichkeiten aus.

Folgender Einwand kommt jetzt mit absoluter Sicherheit: "Ja, aber bei
Pflanze und Computer laufen so einfache Prozesse ab, so dass doch
eigentlich die Signale direkt in Reaktionen / Handlungen umgesetzt
werden. Von Entscheidung können wir hier doch nicht sprechen." M.E.
reduziert sich bei näherem Hinsehen dieses Argument auf folgendes:
"Bei Computer und Pflanze wissen wir, wie die Abläufe funktioniern.
Und weil wir den Prozess verstehen und ggf. sogar bauen können, nennen
wir es nicht mehr Entscheidung." Das ist eine Argumentation, die im
Bereich der Intelligenz z.B. absolut üblich ist. Schachspielen wurde
auch mal für eine Intelligenzleistung gehalten - bis es Computer
besser konnten als Menschen.

Solche Argumentationen halte ich für äußerst fatal. Letztlich heißt
das nämlich, dass wir nur die Prozesse Entscheidung /
Informationsverarbeitung nennen können, die wir auf dem jeweiligen
Stand der Forschung noch nicht verstanden haben bzw. nicht mehr[*]
verstehen.

[*] Neuronale Netze in Computern sind z.B. solche Dinge, von denen wir
wissen, dass sie funktionieren, aber nicht wirklich angeben können,
wie das genau geschieht.

Mir scheint vielmehr eine Begiffsbildung auf der Basis von
Handlungsmöglichkeiten viel tragfähiger. Abgesehen von esoterischen
Beispielen ändern die sich nämlich nicht mit dem Stand der Forschung.

sozusagen p.s.: ich habe den Eindruck, Du willst den
Wissensbegriff unbedingt so weit wie möglich fassen, um ihn
leichter verwerfen zu können: im Moment scheint mir, Du würdest
nicht davor zurückschrecken, auch eine Ameisenstaat, ja einen
Fischschwarm usw. als Wissensgesellschaft bezeichnen und damit
zumindest die Bedeutung, deretwegen es dieser Ausdruck in die
Medienlandschaft geschafft hat ad absurdum führen...

(Letzteres find ich nicht unbedingt schlecht, aber ich fürchte,
hier kommen wieder Kind und Bad durcheinander... Vielleicht täusch
ich mich aber auch einfach und Deine Position bzw. der Grund für
mein Unverständnis Deiner Position sind ganz andere?)

Du täuschst dich ganz sicher. Momentan verfolge ich kein vorgegebenes
Programm, sondern versuche - aus meiner Perspektive - wichtige Dinge
heraus zu schälen. Und ich freue mich, dass es - für mich zumindest -
gelingt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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