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Re: [ox] Re: Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi Liste!

Diesen Punkt würde ich gerne noch ergänzen.

Yesterday Stefan Merten wrote:
4 months (149 days) ago Stephan Eissler wrote:
Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> schrieb:
Zitiere Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>:
1) Ich stimme Stephan Eissler zu, dass der Begriff einer
XY-Gesellschaft unter formationstheoretischen Gesichtspunkten nur
sinnvoll ist, wenn bei der Ausprägung der Semantik dieses Begriffs
(und darum muss es dann auch gehen) das qualitativ Neue der
aufkommenden Gesellschaft sichtbar wird. Erst auf _dem_ Hintergrund
gewinnt auch die ganze Keimformdebatte neben ihrer phänomenologischen
dann auch _inhaltliche_ Substanz.

Auch das reicht IMHO noch nicht hin, denn die verlängerte Frage lautet:
Neue Qualität - in Bezug auf welche Dimension?

Lass mich mal sagen: Eine neue Qualität in Bezug auf das Soziale.

Für mich wäre die neue Qualität vor allem in der
Produktivkraftentwicklung. Diese wiederum hat dann mehr oder weniger
heftige Auswirkungen auf die Gesellschaftsform. Die GPL-Gesellschaft
wäre die heftigste.

Aber ist das nicht ein wenig zu allgemein?! Gut, dann nehmen wir eine
Dimension "D" durch die sich lediglich ein Teilaspekt des Sozialen (und damit
des gesellschaftlichen) bestimmt. Wenn es sich aber bei D um eine neue
Qualität handelt, und sich bei D um ein Teilaspekt des Sozialen handelt, dann
wird das qualitativ Neue doch zwangsläufig Auswirkungen auf andere Dimensionen
des Sozialen haben, die aufgrund dessen zwangsläufig nach und nach
rekonfiguriert werden müssen.
Um zu verdeutlichen was ich meine, stelle ich mal Folgende Frage: In Bezug auf
welche Dimension stellt der Kapitalismus etwas qualitativ Neues im Vergleich
zum Feudalismus dar? Kannst du das auf eine einzige Dimension einschränken?

Sicher nicht. Aber im hier verhandelten Zusammenhang ist z.B.
interessant, dass der Kapitalismus mit einer erheblichen
Kompetenzverlagerung bzw. -vernichtung einher geht. Das individuelle
Wissen der HandwerkerInnen wird in seiner gesellschaftlichen Form -
nämlich den Ingenieurwissenschaften - in die Maschinen hinein
konstruiert. Diese können dann - in etwas - das, was vorher die
HandwerkerIn konnte. Die Kompetenz die Maschinen zu bedienen ist
wesentlich weniger speziell und nur auf dieser Basis konnten überhaupt
ungelernte ArbeiterInnen eingesetzt werden.

Ähnliches dürfte für die Landwirtschaft gelten, wo durch die
Industrialisierung das Wissen über Naturzusammenhänge immer
unwichtiger wurde (weil mit industriellen Mitteln nachgeholfen werden
kann).

Individuelles Wissen und die daraus resultierende Kompetenz wurde also
tendenziell abgebaut.

Auch wenn ich mir deine Nachfrage ansehe, finde ich
Produktivkraftentwicklung immer noch einen wichtigen Punkt. In der
heraufziehenden Gesellschaftsform sind zwei wesentliche Parameter
hinsichtlich Information wesentlich verändert:

* Information ist von jeglicher Stofflichkeit abgelöst wie nie zuvor

  Das Internet ist dafür wohl die bekannteste Chiffre.

* Information kann in ihrer entstofflichten Form *direkt*
  operationalisiert werden

  Also insbesondere ohne Zwischenschalten von Menschen, die sich die
  Information erst aneignen müssten, also zu individuellem Wissen
  machen müssten, um die so gewonnene Kompetenz in Tätigkeit
  umzusetzen.

  Das ist historisch neu und ist auch eine Qualität, die über die
  Vergegenständlichung von Handwerks- / technischem Wissen in
  klassischen Maschinen hinaus geht.

Nun wäre halt die Frage, ob dieser Effekt der Macht der Agentien
dadurch überkompensiert wird, dass die immer größere Kompliziertheit
und Komplexität wiederum Wissen und Kompetenz zu ihrer Beherrschung
erfordert.

Nehmen wir z.B. den WordProcessor. Ein Programm, dass - wenn es was
taugt - viele Regeln aus dem Bereich des Drucksatzes beherrscht. Ich
kann mit diesem WordProcessor qualitativ hervorragenden Satz erzeugen
(zumindest wenn er mich nicht jede Dummheit machen lässt...). Diese
Kompetenz brauche ich also nicht. Nur noch die Kompetenz den
WordProcessor zu bedienen.

Hmm... Also ich würde über den Daumen sagen, da überkompensiert
nichts. Also nicht mehr (individuelles) Wissen als vorher. Jedenfalls
nicht mehr als vor dem Kapitalismus.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Kontakt: projekt oekonux.de



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