Message 09511 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT08868 Message: 53/151 L4 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi Hans-Gert et al!

Weil der jeweilige Kontext des Threads bereits schwer zu verfolgen
ist, zitiere ich mal ausführlicher als üblich.

2 weeks (19 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
SMn: Wissen ist für mich *vor allem* immer an ein Subjekt, i.A. also an
einen Menschen gebunden. Dem üblichen Sprachgebrauch folgend kann
nur ein Mensch etwas wissen - eine Maschine weiß nichts. Dieses
Wissen kann unglaublich viele Formen annehmen und die wenigsten
davon dürften explizit beigebracht werden - insbesondere
Handlungswissen.

SMz: Fragen:
Ist Wissen etwas genuin menschliches?
Kennen Tiere Wissen?
Kommt Wissen in der unbelebten Natur vor?
Existiert Wissen unabhängig davon, ob wir es feststellen?

Wissen ist an Menschen gebunden, Tiere kennen also offensichtlich kein
Wissen. Aber warum? IMHO deswegen, weil Wissen im Unterschied zu
Informationen historisch kumulierbar ist. (Höhere) Tiere können zwar
in ihrer Lebensspanne Informationen ansammeln und memorieren, diese
aber bestenfalls sozial tradieren, nicht aber historisch kumulieren. ...

Wie würdest du das Wissen bezeichnen, das mir z.B. das Heben meines
Arms ermöglicht? Also dieses sehr "verborgene" Wissen, dass i.d.R. in
frühen Lebensphasen bei der Beschäftigung mit dem eigenen Körper
bildet. Gesellschaftlich kumulierte Erfahrung ist das ja wohl nicht -
oder?

Die Wissensproblematik hat viele Facetten.

Zweifellos. Wie schon andernmails erwähnt zerlegt sich meine
Begrifflichkeit durch diesen Thread nach und nach. Zu einer neuen
Synthese sehe ich bisher nicht mal Ansatzpunkte. Das empfinde ich als
positiv, da ich solcherlei Verwirrung produktiv finde. Dies ist
vielleicht nicht immer leicht auszuhalten, aber für einen
Erkenntnisprozess - und gerade einen kollektiven wie diesen hier -
unabdingbar.

*Insofern* wir uns darüber
verständigen wollen, was das Mehr der "Macht der vereinten Individuen"
gegenüber der "Vereinigung der Macht der Individuen" ist

Ich kann dieser formelartigen Formulierung nichts entnehmen :-( .

(m.E. die
Kernfrage im Streit mit Karsten Weber in Chemnitz),

Wer war noch schnell Karsten Weber? Ist er hier auf der Liste?
Wenn ja: Kann er nicht für sich selbst sprechen? Wenn nein: Inwiefern
spielt dein Streit mit ihm hier eine Rolle?

würde ich deine
Frage (die Rolle der nicht verbalisierbaren eigenen Erfahrungen und die
Frage, ob auch die einem Sozialisierungsprozess unterliegen) *zunächst*
ausklammern wollen. Allerdings auch die Frage "Kennen Tiere Wissen?"

Wichtiges Stichwort scheint mir hier das Verbalisieren. Es gibt in der
aufklärerischen Tradition sicher eine starke Tendenz nur das als
Wissen zu bezeichnen, was verbalisierbar und damit letztlich
formalisierbar ist. Heute kommt hinzu, dass es mit der Hilfe von
Computern grundsätzlich auch technisierbar ist.

Diese Haltung halte ich aber für eine extrem ahistorische, kulturell
bornierte und noch dazu nicht hinreichende. Ahistorisch ist sie, weil
sie die Existenz von Wissen in vorschriftlichen Kulturen schlicht
leugnet. Kulturell borniert ist sie, weil sie Kulturen, die Wissen
z.B. auf anderem Weg als per Schrift vergesellschaften damit ebenfalls
als unwissend betrachtet werden. Mit anderen Worten: Eine extrem
eurozentrische Sichtweise, die sich in der Tradition der breitesten
Blutspur befindet, die die Menschheit auf diesem Planeten erlebt hat.

Noch dazu ist sie nicht hinreichend, da der Begriff des
gesellschaftlichen Wissens damit auf das formalisierbare reduziert
wird. Das ist analog zu der Reduktion der gesellschaftlich relevanten
Arbeit auf die bezahlte. In beiden Fällen ist aber der jeweilge Rest
vermutlich sogar vom Umfang her mindestens ebenso groß. Eine
Ausblendung des nicht-formalisierbaren Wissens aus dem Wissensbegriff
kann also nur zu in einem übergreifenden Sinne falschen Ergebnis
führen.

Davon abgesehen denke ich, dass die Grenzen zwischen sehr
individuellem "verborgenem" Wissen wie dem oben beschriebenen und
"verborgenem" Wissen wie etwa dem Wissen über soziale Verhaltensweisen
fließend sind. Das fängt schon sogar schon bei den Körperbewegungen
an: Wer z.B. einmal eine Balletausbildung genossen hat - mithin also
einen gesellschaftlichen Einfluss - wird sich anders bewegen als ohne.

2 weeks (18 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
SMz: Fragen:
Sind Daten etwas genuin menschliches?
Kennen Tiere Daten?
Kommen Daten in der unbelebten Natur vor?
Existieren Daten unabhängig davon, ob wir sie feststellen?

Daten, die bei einer Messung anfallen, müssen offensichtlich erstmal
festgestellt, eben gemessen werden. Ihre Existenz ist also Resultat
menschlicher Tätigkeit.


Nee, so meinte ich das nicht. StefanS hat wohl schon angedeutet was
ich auch sehen würde: Du brauchst für Messungen keine technische
Apparatur - einfache Sinnesorgane tun es völlig. Z.B. führt die Hand
auf der heißen Herdplatte - genauer: einige Sensoren in dieser Hand -
wohl sehr eindeutig eine Messung durch (die dann (u.U.) zu einer
Reaktion führt, aber dazu später).

Ich hatte in Chemnitz im Zusammenhang mit dem
Informationsfreiheitsbegriff nicht von Ungefähr die Frage der Datenspur
aufgerufen.

???

Ich vermute, dass andere ähnlich abgehängt sind wie ich.

Wem gehört diese Datenspur? Gibt es überhaupt so was wie
*meine* Datenspur? Wird sie von *meinem* Sein oder *unserem* Tun
hinterlassen?

Was ist eine Datenspur?

Alles Fragen, lange bevor irgendwelche Messgeräte oder
auch nur Sinnesorgane ins Spiel kommen. Und selbstverständlich weit ins
Tier- und auch Pflanzenreich hinein.

D.h. eine Datenspur kommt ohne Messgeräte/Sinnesorgane aus?

Und wenn du "Tun" durch "Werden"
ersetzt, dann sicher auch Phänomene der unbelebten Natur. Die hat sogar
so was wie ein Gedächtnis. Als Fähigkeit Erinnerung festzuhalten (eben
die Datenspur?).

Ich kann dir leider nicht folgen :-( .

Und Lebewesen sind offensichtlich in der Lage, diese
Erinnerung aufzunehmen. Individuell und - sicher graduell abgestuft -
auch kollektiv (jede Form von Herde hat so was). Da unsere Ideen was mit
unseren Erinnerungen zu tun haben und all das unser Wesen bestimmt - ist
das vielleicht unsere Seele?

Inwiefern spielt der historisch durchaus hochbeladene Begriff der
Seele hier eine Rolle? Oder diente das nur hierfür:

Heißt dann, geistiges Eigentum an Ideen
zulassen, unsere Seele zu verkaufen? Fragen über Fragen, die sich
Philospohen seit Jahrtausenden stellen.

SMz: Fragen:
Sind Informationen etwas genuin menschliches?
Kennen Tiere Informationen?
Kommen Informationen in der unbelebten Natur vor?
Existieren Informationen unabhängig davon, ob wir sie feststellen?

Da es IMHO für Tiere genauso Informationen gibt wie für Menschen -
nämlich Informationen, die sie für ihre Orientierung in der Umwelt
brauchen -, scheint mir die Definition von Informationen als
speziellen Daten nicht haltbar (Tiere kennen keine Daten).


Möglicherweise gibt es hier ein Missverständnis, aber Informationen
sind für mich keine irgendwie speziellen Daten. Informationen beruhen
auf Daten, ja, aber der Begriff der Information liegt auf einer
anderen kategorialen Ebene als der der Daten.

Bei Kuhlen waren Informationen diejenigen xy, die für uns
handlungsleitend sind.

Ist Kuhlen auf der Liste? Wenn ja: Kann er nicht für sich selbst
sprechen? Wenn nein: Inwiefern spielt er hier eine Rolle?

Oder mit Kant - dasjenige xy, welches den
privaten Gebrauch unserer Vernunft mit dem Tun verbindet. Da ist die
Datenspur aber schon zehnmal aufgenommen, gewendet, in Kontakt mit
unserer Erfahrung (ist das mehr als Erinnerung?) getreten etc.

Bist du sicher, dass du mit dieser Datenspur irgend etwas erhellst?
Mir vernebelt es bislang mehr :-( .

2 weeks (18 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
Für mich wäre halt der Themenkomplex dominant, der die
Gesellschaftsformation als Ganzes nachhaltig prägt. Oder m.a.W.: Wo
glaubhaft argumentiert werden kann, dass ein bestimmter Themenkomplex
Auswirkungen bis in die feinsten Verästelungen des gesellschaftlichen
Formation hat. Von Marx her kommend würde ich die Produktionsweise da
halt als eine Größe betrachten, die zumindest nicht vernachlässigt
werden darf.

Produktionsweise, was ist das?

Du stellst diese Frage nicht im Ernst, oder?

Da glaube ich mich mit dem Begriff der
Leitsozialisation weiter.

Was ist eine Leitsozialisation? Vielleicht die deutsche Lei[td]kultur?
Kann es sein, dass du hier von einem OHA-Phänomen redest? Das würde
ich aber dann der materialistischen Produktionsweise als
Überbauphänomen unterordnen.

Als wer oder was wähnst du dich weiter? Weiter in welche Richtung?

Ah, später kam noch was dazu.

Last week (12 days ago) Hans-Gert Gräbe wrote:
El Casi wrote:
HGG: Ich hatte in Chemnitz im Zusammenhang mit dem
Informationsfreiheitsbegriff nicht von Ungefähr die Frage der Datenspur
aufgerufen. ...

Gibt es bei Deinem Gebrauch von Datenspur einen Unterschied zum
Gebrauch von Spur?

Eigentlich nicht. Die Datenspur verstehe ich als etwas, das wir
unwillkürlich hinterlassen wie das Wärmebild unseres Körpers, Fuß- oder
Fingerabdrücke beim Anfassen etc.

Wupps, ah ja. Mir ist überhaupt nicht klar, wie das in den bisherigen
Thread passt, der ja doch bisher auf einer begrifflich sehr viel
allgemeineren Ebene war. Was übersehe ich?

Hieran so was wie Eigentumsrechte zu
binden halte ich für sehr inkommod.

Warum sollte mensch?

Im Gegenteil, diese Datenspur
freizügig aufnehmen zu können ("information wants to be free") ist etwas
Gesellschaft konstituierendes - "an ihren Taten werdet ihr sie erkennen".

Diesen Satz "information wants to be free" halte ich für eine
Ideologie. Hier werden Informationen andropomorphisiert
(vermenschlicht). Informationen sind aber nicht mal Lebewesen und
ihnen einen Willen ("want") zu unterstellen ist pure Esoterik (siehe
diesen absurden Meme-Diskurs...).

Nein, für eine theoriehaltige Debatte ist dieser Satz gänzlich
ungeeignet. Es muss vielmehr darum gehen, welcher Gebrauch von
Informationen für welche Menschen zu einem bestimmten historischen
Zeitpunkt für welche Ziele sinnvoll ist.

Damit wird aber Karsten Webers Begründung geistiger Eigentumsrechte auf
das zurückgeworfen, um was es wirklich gehen muss - die Begründung einer
Privatsphäre und deren begriffliche Abgrenzung.

Ah, der Karsten scheint es dir angetan zu haben. Wenn er nicht auf der
Liste ist, dann ist das hier allerdings vergebliche Liebesmüh.

*Das* halte ich für
extrem kompliziert - und es hat ja auch Philosophen über Jahrtausende
bewegt. Vor allem dann, wenn es um gemeinsames Tun geht, also die gerade
gewonnene Privatheit ein Stück weit kontrolliert aufzugeben ist. Dass
dies auch noch mit einer "narzistischen Kränkung" der Warenmonaden
verbunden ist, will ich nur in Parenthese bemerken.

???


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

--
Please note this message is written on an offline laptop
and send out in the evening of the day it is written. It
does not take any information into account which may have
reached my mailbox since yesterday evening.

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT08868 Message: 53/151 L4 [In index]
Message 09511 [Homepage] [Navigation]