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Re: [ox] Gerechte Welt - solidarische, soziale Menschen - 2 Axiome



Hi Rudolf!

Last week (12 days ago) Rudolf Sponsel wrote:
möchte mal 'meine' zwei "Axiome" vorstellen, die die Auseinandersetzung
der letzten Zeit berühren.

Ich will mit mal die Mühe machen, und auf deine "Axiome" antworten.
Ich denke, dass sie dein Grundverständnis gut dokumentieren und
vielleicht hilft es ja der Auseinandersetzung, hier mal die
Mißverständnisse zu dokumentieren. Inwieweit die auf der Liste geteilt
wird, kann ich nicht sagen, aber es steht ja jeder Frei sich zu
äußern.

Axiome halte ich allerdings schon für eine mindestens schlechte
Wortwahl, weil es sich um einen Begriff aus der Mathematik handelt und
eine unhinterfragbare Setzung bezeichnet. Wir verhandeln hier aber
soziale Phänomene, die in einem von Mathematik und
*Natur*wissenschaften grundverschiedenen, nämlich durch *Kultur*
geprägten Raum statt finden. Da gibt es keine unhinterfragbaren
Setzungen.

I.

Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die Grundlage der hier (überwiegend)
vertretenen Ideen eine gerechte Welt mit solidarischen und sozialen
Menschen ist.

Für mich ist das definitiv nicht so. Ansätze dieser Art beruhen auf
einer idealistischen Weltsicht ("wir müssen nur richtig denken") und
sind deswegen als erkenntnisleitend nicht zu gebrauchen. M.E. ist es
viel sinnvoller, eine materialistische Weltsicht zur Hilfe zu nehmen
und die Interessen der Menschen zur Grundlage von Analyse und
letztlich Theorie zu machen. Das ist dann auch nicht mehr so ekelhaft
moralinsauer.

Das tun die Oekonux-Thesen aus meiner Sicht, da sie auf die Interessen
der vorfindlichen Menschen unter spätkapitalistischen Bedingungen
eingehen. Die Oekonux-Thesen brauchen in keiner Weise idealistische
Annahmen wie du sie schilderst.

Zu den Begriffen, die du aufzählst, ist aber auch noch etwas zu sagen.
Da die GPL-Gesellschaft - im Gegensatz zum Kapitalismus - nicht als
Verwaltung des Mangels, sondern als Verwaltung von Überfluss gedacht
werden müsste, macht eine Kategorie wie Gerechtigkeit nur begrenzt
Sinn. Gerechtigkeit ist nur dann interessant wenn es um die Verteilung
von Mangel geht. Ist dagegen genug für alle (Bedürfnisse) da, so ist
Gerechtigkeit der Boden entzogen. Gerechtigkeit in der
GPL-Gesellschaft wäre also obsolet.

Ähnliches gilt vermutlich für Solidarität, die mir eine Bewegungsform
im Rahmen eines gerechtigkeitsbasierten Systems zu sein scheint. Da
bin ich aber noch nicht klar.

Na ja und zu sozial, was soll ich dazu sagen? Einen unsozialen, d.h.
ungesellschaftlichen Menschen auch nur zu denken will mir nicht
gelingen. Insofern ist ein sozialer Mensch ein weißer Schimmel.

Eine Mehrheit scheint scheint hier zu denken, daß das
geht, wenn man das Eigentum abschafft, was bedeutet auch neue Formen des
Wirtschaftsleben zu entwickelen, etwa nach dem Open Source Vorbild.

Ist das so?

Da die erste Annahme m.E. schon falsch ist, ist die Folgerung nicht
direkt von Interesse.

Allerdings lässt sich die Frage nach dem Begriff des Eigentums auch
unter materialistischen Gesichtspunkten betrachten. Ich habe das mal
länger zu Beginn von

	http://www.oekonux.de/texte/eigentum/inhalt.html

versucht. Ich würde daraus folgern, dass unter spätkapitalistischen
Bedingungen mindestens das "geistige Eigentum" gegen die Interessen
der Menschen verstößt, sich dieser Widerspruch mit Fortgang der
gesellschaftlichen Entwicklung weiter zuspitzt und in Summe das
Potential hat, letztlich für die gesamte Gesellschaft einen neuen
Rahmen zu setzen.

Wenn das die tragende Idee ist, dann handelt es um eine bestimmte
ethische Orientierung, was die Worte "gerecht", "solidarisch", "sozial"
ja andeuten.

Ist es m.E. nicht. Ganz im Gegenteil. Wäre es so, könnten wir auf die
Analyse real existierender Phänomene wie z.B. Freier Software
verzichten und einfach vor uns hin träumen.

*A1: Damit beruhten ökonmoisch-politische Systeme auf
Ethik*, wie es ein Brodbeck z.B. ja auch ausführt.

Ich sehe nicht, dass dies als Schlussfolgerung logisch wäre -
unabhängig davon, ob die Voraussetzung gilt.

Besteht hierüber Konsens, daß die Grundlage *aller*
ökonomisch-politischen Systeme normativ, also ethisch ist? Wird hier A1
anerkannt?

Das lässt sich aus deinen Bemerkungen nicht folgern, wäre aber ohnehin
eine eigene Diskussion.

II.

Was mir an den meisten IdeologInnen nicht gefällt, ist ihre
absolutistische Orientierung. Die meisten führen sich auf, als wüßten
sie, was für die Menschen gut ist.

Ich greife mal zwei ältere Zitate raus:

  12 months (365 days) ago Rudolf Sponsel wrote:
  > Dann ist von diesen Leuten wenig Konstruktives zu erwarten, die scheinen
  > das 1x1 der Wissenschaft und hier speziell der Definition nicht gelernt
  > zu haben: http://de.wikipedia.org/wiki/Ist

  6 months (205 days) ago Rudolf Sponsel wrote:
  > bi0 wrote:
  >> Ok, wenn du mir deine tieferen Erkenntnisse vorenthälst, ist die
  >> Diskussion wohl damit beendet.
  >> Das Ich-weiss-mehr-als-du-deswegen-muss-ich-mich-nicht-herablassen-mit-dir-zu-reden Argument, halte ich jedoch nicht für sonderlich stark.
  >
  > Das ist richtig, spart aber viel unfruchtbare Zeit. Daher finde ich den
  > Vorschlag, die "Diskussion" zu beenden sehr gut.

Um mal nur zwei deftige zu nennen. Vorsicht: Selbsthass ist auf die
Dauer nicht gesundheitsfördernd.

Demgegenüber möchte ich A2 setzen: Ob ein oekonomisch-politisches System
die grundlegenden ethischen Zielvorstellungen tatsächlich erfüllt, kann
nur experimentell-empirisch festgestellt werden.

Nun, jede Theorie muss sich an der Praxis messen - ansonsten ist sie
bestenfalls ein Glaube.

Was "grundlegende ethische Zielvorstellungen" sind, kann ich mir nicht
vorstellen und du gibst auch keine an. Ich würde behaupten, dass es
diese überhistorisch und überkulturell nicht gibt und damit ist der
Begriff hinfällig.

Daraus ergibt sich
sofort die Folgerung, daß Experimente und empirischen Vorgehen
unabdingbar sind.

Wie gesagt: Jede Theorie bedarf empirischer Überprüfung um sie zu
belegen oder zu verwerfen.

Damit es nicht so abstrakt bleibt: Man könnte z.B.
Wahlen als eine solche experimentell-empirische Realisation begreifen.

Realisation für was?

Wir hier A2, die experimentell-empirische Norm anerkannt?

Ich habe dazu zu wenig verstanden, um was es eigentlich gehen soll.

So viel erst mal.

Yep.

Bessere Zeiten - nicht nur zur Weihnachtszeit ...

Oder vielmehr: Sogar zur Weihnachtszeit.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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