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Re: [ox] Geistiges Eigentum. aus Streifzuege 31



Hallo Stefan,
ein hervorragender Beitrag! Kompliment und Dank!

p&l, Helmuth
________________
Die dissoziierende Gesellschaft

Am Mittwoch, 15. Dezember 2004 09:18 schrieb smatteikat web.de:
Hallo,

Am 12 Dec 2004 um 12:35 hat Rudolf Sponsel geschrieben:
Ziel muss es sein, den Begriff "Geistiges Eigentum" zu destruieren und
entwertete Freiräume zu verteidigen.

Warum? Wenn einer eine geistige Arbeit verrichtet, warum soll er denn
dann davon nichts haben, aber alle andern, die sich das einfach so
aneignen?

Aber: Es kann ja wohl nicht angehen, daß jemand z.B. in 5 Jahren ein
Programm entwickelt, das dann beliebig von anderen kopiert und genutzt
wird, ohne daß der Entwickler etwas davon hat  - außer Schaden.

Vielleicht sollten wir noch einmal klären, was - im Unterschied zu Eigentum
an "knappen" Gütern - mit geistigem Eigentum gemeint sein kann. Könnte es
nicht sein, daß selbst Grundwerte liberaler bürgerlicher Gesellschaften
durch die Institutionalisierung "geistigen Eigentums" in Frage gestellt
werden?

Rudolf Sponsel wiederholt im Grunde genommen die "anthropologische
Gewißheit", daß die Arbeit das Recht auf Eigentum begründe; jeder habe das
Recht, über die Früchte seiner Arbeit als sein Eigentum zu verfügen. Aber:
für die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung einer geistigen Schöpfung
stellt deren schöpferischer Akt lediglich eine notwendige Bedingung dar.
Selbst hierbei handelt es sich um einen Prozeß, der im wesentlichen
sozialer Natur ist und weniger die Leistung eines einzelnen
Schöpfers/Erfinders widerspiegelt - den Programmierer möchte ich sehen, der
fünf Jahre lang im stillen Kämmerlein vor sich hin wurstelt und dabei
tatsächlich etwas _Marktfähiges_ zuwege bringt - hinreichende Bedingung für
die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung einer geistigen Schöpfung ist
nämlich deren gesellschaftliche Aneignung und Akzeptanz. Die Möglichkeit
der
wirtschaftlichen Nutzung geistiger "Eigentümer" setzt immer auch Arbeit
und Investitionen auf Seiten Dritter voraus.

Anders gesagt: die naturrechtliche Eigentumstheorie läßt sich selbst für
ein scheinbar so einleuchtendes Beispiel, wie den genialischen
Programmierer, der 5 Jahre lang vor sich hin arbeitet, nicht begründen:
sowohl die Entstehung einer geistigen Schöpfung an sich, als auch die
Schaffung der Voraussetzungen dafür, daß aus dieser ein wirtschaftlicher
Nutzen geschöpft werden kann, was wiederum Voraussetzung ihrer Vergütung
wäre, verdankt sich vor allem sozialen Prozessen.

(Naja, meine soziale Leistung in diesem Beitrag beschränkt sich eigentlich
darauf, daß ich mir die Argumentation, die Stephan Eissler auf der
3. Oekonux-Konferenz vorbrachte, angeeignet habe:-)

Aber es geht noch weiter: Nur bei materiellen Gütern besteht die
Möglichkeit  oder Gefahr einer _Fehlallokation_ und damit die
Notwendigkeit, ein Regulativ wie den Markt einzusetzen. Und nur ein knappes
Gut muß vor opportunistischem Verhalten Dritter geschützt werden, um die
Möglichkeit seiner Nutzung zu gewährleisten.
Mehr noch: in dem Maße, in welchem Wissen und Information als nicht knappe
Güter künstlich verknappt werden, wird das Potential wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft verringert und allenfalls
ein suboptimales Wachstumsniveau erreicht.

Wenn es hier überhaupt in einem Zusammenhang angebracht erscheint, die
realsozialistischen Länder zu erwähnen, dann in diesem: an deren
Volkswirtschaften läßt sich die Richtigkeit dieser These nämlich
schlagend nachweisen - die Planwirtschaft, so wie sie dort betrieben wurde,
ging einher mit künstlicher Verknappung der Informationen -
Produktionsdaten etwa waren Staatsgeheimnisse und nicht einmal
den Wirtschaftswissenschaftlern zugänglich.

Aber auch der Markt ist - gemessen an der Definition idealer Märkte  bei
vollständiger Konkurrenz, bei Berücksichtigung spezifischer Eigenschaften
von Informationen sowie eingedenk der Tatsache, daß Informationen auf
Märkten nur dank künstlicher Verknappung als Ware gehandelt werden können -
ein ineffizientes und ineffektives Regime zur Allokation von Informationen.

Es ergibt sich nämlich beim "Tausch von Informationsprodukten über Märkte"
ein Informationsdilemma: die beim Tausch als wesentliche Produktinformation
dienenden Preise funktionieren - grob gesagt - als "Knappheitssignale".
Bei naturgemäß _nicht knappen_ Informationsgütern spiegeln die Preise eben
keine tatsächliche Knappheit wider, sondern allenfalls eine willkürlich
gesetzte; sie liefern deshalb weder Informationen über den tatsächlichen
Nutzen, noch über die Knappheit eines Informationsgutes(Was sich im Übrigen
empirisch an der Preispolitik gewisser Software-Verwertungsgesellschaften
nachvollziehen läßt).
Märkte funktionieren - der Theorie nach - dann am besten, wenn sie sich dem
Modell eines Marktes unter vollständiger Konkurrenz annähern. Wie nahe
kommen Märkte, auf denen die durch die Institution des Eigentums künstlich
verknappten Informationsprodukte gehandelt werden, diesem Modell?

1. Bedingung: Polypol; viele Anbieter müssen auf viele Nachfrager treffen.
Die Institutionen zum Schutz geistigen Eigentums sprechen jedoch das
Verfügungsrecht an einem bestimmten Informationsprodukt exklusiv einem
bestimmten Eigentümer zu (und das ist im Normalfall nicht der Urheber,
sondern die Verwertungsgesellschaft oder der Patentinhaber). Fällt also
schon einmal flach.

2. Bedingung: Homogenität der Güter
Ist wegen (1) von vornherein nicht gegeben. Es konkurrieren also nur
unterschiedliche Informationsgüter miteinander - und das bei ohnehin schon
gegebenem Informationsdilemma!

3. Bedingung: Markttransparenz
Aus (1) und (2) folgt, daß ausgeschlossen werden kann, daß alle
Marktteilnehmer jederzeit und vollständig über alle relevanten
Informationen für eine Kaufentscheidung verfügen _können_.

4. Bedingung: Präferenzlosigkeit der Marktteilnehmer
Wirkliche Konkurrenz ist nur gegeben, wenn keine persönlichen Vorlieben
oder Abneigungen den Wettbewerb durch irrationale Faktoren verzerren. Hier
schlägt das Markenrecht zu: "Der Markenartikel ist ein Produkt, das eine
stets gleichbleibende oder verbesserte Qualität und Ausstattung bietet":)

5. Bedingung: Rationales Verhalten aller Marktteilnehmer
Aus (1)-(4) folgt, daß gerade auf Märkten künstlich verknappter
Informationsgüter die Rahmenbedingungen dafür äußerst schlecht sind.

6. Bedingung: Punktförmigkeit des Marktes
Diese könnte - als einzige - durch das Internet gegeben sein. Aber selbst
die klassische e2e-Funktionalität des Internets ist heute mehr und mehr
Einschränkungen unterworfen.

Fazit: es besteht nicht nur eine schlichte Abweichung des Marktes künstlich
verknappter Informationen vom Ideal eines Marktes unter vollständiger
Konkurrenz, sondern dieser Markt negiert nahezu alle Bedingungen, die
für ein Optimum an allokativer Effizienz und Effektivität notwendig wären.
Das heißt: die künstliche Verknappung von Informationsgütern durch die
Institution des geistigen Eigentums führt dazu, daß die Allokation
künstlich verknappter Informationen über Märkte weniger effizient und
effektiv sein _muß_, als die Allokation von Informationen _ohne_ die
künstliche Verknappung durch den "Schutz" des sogenannten "geistigen
Eigentums".

Kurz und gut: bevor ich daran gehen kann, das "geistige Eigentum" zu
destruieren, muß es mir erst einmal _innerhalb_ des bürgerlich-liberalen
Axiomensystem hinreichend konsistent konstruiert werden.


 Viele Grüße

    Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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