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[ox] Wieder mal Neues zum Kernthema und OHA



Angesichts der Eröffnung des ersten Elements (Kultur- und Businesshaus KB5
mit Linux-Akademie) im angedachten "Open Source Village" Kirchbach
(Österreich:Steiermark) entspann sich folgender Dialog:


Helmut Leitner

Die Idee des "Open Source Village" ist großartig, aber problematisch,
weil Open Source - so wie es in der Software ursprünglich ist - nicht
verstanden wird. Die Proponenten wollen es wohl nicht verstehen,
weil dies einige ideologische Positionen in Frage stellen würde.
Hier steht sich die Open-Source-Bewegung (oder Oekonux-Bewegung)
möglicherweise selbst im Weg. Das könnte für dich in der Betreuung
des Oekonux-Wiki eine zentrale Hürde werden.


Franz Nahrada:

Ich bitte Dich mir diese Sachen näher zu erläutern. Wir haben das ja
vielerorts als "Transformationsproblem" bezeichnet und viele
verschiedene
Standpunkte existieren zum "Open Source Hardware" Problem. Bitte schalte
Dich ein, wenn Du möchtest.


Helmut Leitner:

Ich zögere, weil es mir grausam erscheint, den Idealismus der
OS-Transformation
zu bremsen. Andererseits scheint es noch grausamer, Freunde auf
labyrinthischen
Wegen gehen zu lassen.


Also: die meisten OS-Enthusiasten sind selbst keine Software-Entwickler und
verstehen die wirkenden psychologischen Mechanismen nicht. Was man nicht
versteht, kann man aber auch nicht so leicht übertragen.


Es ist ein desillusionierendes Merkmal unserer Gesellschaft, dass sie den
Spalt zwischen dem Verfolgen von Eigeninteressen und der Verkauf dieser
Handlungen als gesellschaftliches Gutes, die Kluft zwischen Egoismus und
altruistischer Illusion marketingmäßig perfektioniert hat. 


Die OS-Mechanismen bilden keine Ausnahme. OS entsteht, weil die Beteiligten
unmittelbare egoistische Vorteile lukrieren, nicht weil daraus ein gesamt-
wirtschaftlicher Nutzen entsteht. 

Die Vorteile für den OS-Projektbetreiber sind:
  - die Maximierung von Marktanteilen durch Gratisvergabe, die zur
Fokussierung
    vno Feedback und Kunden-Innovationen führt und Gewinne aus Nachnutzung,
    und Dienstleistung verspricht. Kommerzielle Phantasie bleibt immer.
  - der Machtzuwachs als unkontrollierter "Maintainer" einer Software, an
den
    sich alle für Neuerungszulasssungen halten müssen.
  - der Zuwachs an Reputation als "Center" eines erfolgreichen
OS-Projekten,
    der sich auch wieder in Kapitalien umwandeln lässt.

Nichts davon ist Altruismus. 

Im OS-Bereich ergibt sich Macht und Fokussierung durch die Natur der
Software.
Das "Forken" ist ein so schwieriger Prozess, dass er nur selten
unternommen 
wird und gelingt.

In anderen wirtschaftlichen Bereichen ergeben sich Fokussierung, Macht und
Reputation nicht annähernd im selben Ausmaß. Z. B. beim Know-How.


Beispiele:
   (1) Berater geizen mit ihren Ideen, weil sie davon leben, Ideen 
       von A nach B zu tragen, die allbekannte Maus als Innovations-
       Elefant zu verkaufen. 


   (2) Nirgendwo kommt OpenContent schlechter an, als bei jenen, die 
       davon leben, Content zu produzieren und zu verkaufen. 
       Z. B. Journalisten.


Ich bin nicht grundsätzlich pessimistisch bezüglich der OS-Transformation,
aber ihre Theorie müsste auf den "natürlichen" Egoismus und eine
realistische
Psychologie der Akteure aufsetzen. Die scheint mir im gegebenen
ideologischen
Umfeld jedoch schwer möglich.


Herzliche Grüße,
Helmut


-- 
Helmut Leitner    leitner(AT..)hls.via.at
Graz, Austria   www.hls-software.com


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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