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Re: [ox] Geistiges Eigentum. aus Streifzuege 31



Hallo,

Am 12 Dec 2004 um 12:35 hat Rudolf Sponsel geschrieben:
Ziel muss es sein, den Begriff "Geistiges Eigentum" zu destruieren und
entwertete Freiräume zu verteidigen.

Warum? Wenn einer eine geistige Arbeit verrichtet, warum soll er denn 
dann davon nichts haben, aber alle andern, die sich das einfach so aneignen?

Aber: Es kann ja wohl nicht angehen, daß jemand z.B. in 5 Jahren ein 
Programm entwickelt, das dann beliebig von anderen kopiert und genutzt 
wird, ohne daß der Entwickler etwas davon hat  - außer Schaden.


Vielleicht sollten wir noch einmal klären, was - im Unterschied zu Eigentum an 
"knappen" Gütern - mit geistigem Eigentum gemeint sein kann. Könnte es nicht 
sein, daß selbst Grundwerte liberaler bürgerlicher Gesellschaften durch 
die Institutionalisierung "geistigen Eigentums" in Frage gestellt werden?

Rudolf Sponsel wiederholt im Grunde genommen die "anthropologische 
Gewißheit", daß die Arbeit das Recht auf Eigentum begründe; jeder habe das 
Recht, über die Früchte seiner Arbeit als sein Eigentum zu verfügen. Aber: 
für die Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung einer geistigen Schöpfung 
stellt deren schöpferischer Akt lediglich eine notwendige Bedingung dar. 
Selbst hierbei handelt es sich um einen Prozeß, der im wesentlichen sozialer 
Natur ist und weniger die Leistung eines einzelnen Schöpfers/Erfinders 
widerspiegelt - den Programmierer möchte ich sehen, der fünf Jahre lang im 
stillen Kämmerlein vor sich hin wurstelt und dabei tatsächlich etwas 
_Marktfähiges_ zuwege bringt - hinreichende Bedingung für die Möglichkeit 
der wirtschaftlichen Nutzung einer geistigen Schöpfung ist nämlich deren 
gesellschaftliche Aneignung und Akzeptanz. Die Möglichkeit der 
wirtschaftlichen Nutzung geistiger "Eigentümer" setzt immer auch Arbeit 
und Investitionen auf Seiten Dritter voraus.

Anders gesagt: die naturrechtliche Eigentumstheorie läßt sich selbst für 
ein scheinbar so einleuchtendes Beispiel, wie den genialischen Programmierer, 
der 5 Jahre lang vor sich hin arbeitet, nicht begründen: sowohl die Entstehung
einer geistigen Schöpfung an sich, als auch die Schaffung der Voraussetzungen 
dafür, daß aus dieser ein wirtschaftlicher Nutzen geschöpft werden kann, was 
wiederum Voraussetzung ihrer Vergütung wäre, verdankt sich vor allem sozialen 
Prozessen. 

(Naja, meine soziale Leistung in diesem Beitrag beschränkt sich eigentlich 
darauf, daß ich mir die Argumentation, die Stephan Eissler auf der 
3. Oekonux-Konferenz vorbrachte, angeeignet habe:-)

Aber es geht noch weiter: Nur bei materiellen Gütern besteht die 
Möglichkeit  oder Gefahr einer _Fehlallokation_ und damit die 
Notwendigkeit, ein Regulativ wie den Markt einzusetzen. Und nur ein knappes 
Gut muß vor opportunistischem Verhalten Dritter geschützt werden, um die
Möglichkeit seiner Nutzung zu gewährleisten.
Mehr noch: in dem Maße, in welchem Wissen und Information als nicht knappe
Güter künstlich verknappt werden, wird das Potential wirtschaftlicher 
Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft verringert und allenfalls
ein suboptimales Wachstumsniveau erreicht.

Wenn es hier überhaupt in einem Zusammenhang angebracht erscheint, die 
realsozialistischen Länder zu erwähnen, dann in diesem: an deren 
Volkswirtschaften läßt sich die Richtigkeit dieser These nämlich 
schlagend nachweisen - die Planwirtschaft, so wie sie dort betrieben wurde, 
ging einher mit künstlicher Verknappung der Informationen - 
Produktionsdaten etwa waren Staatsgeheimnisse und nicht einmal
den Wirtschaftswissenschaftlern zugänglich.
 
Aber auch der Markt ist - gemessen an der Definition idealer Märkte  bei 
vollständiger Konkurrenz, bei Berücksichtigung spezifischer Eigenschaften 
von Informationen sowie eingedenk der Tatsache, daß Informationen auf Märkten 
nur dank künstlicher Verknappung als Ware gehandelt werden können - ein 
ineffizientes und ineffektives Regime zur Allokation von Informationen.
 
Es ergibt sich nämlich beim "Tausch von Informationsprodukten über Märkte"
ein Informationsdilemma: die beim Tausch als wesentliche Produktinformation
dienenden Preise funktionieren - grob gesagt - als "Knappheitssignale". 
Bei naturgemäß _nicht knappen_ Informationsgütern spiegeln die Preise eben 
keine tatsächliche Knappheit wider, sondern allenfalls eine willkürlich 
gesetzte; sie liefern deshalb weder Informationen über den tatsächlichen 
Nutzen, noch über die Knappheit eines Informationsgutes(Was sich im Übrigen 
empirisch an der Preispolitik gewisser Software-Verwertungsgesellschaften
nachvollziehen läßt).
Märkte funktionieren - der Theorie nach - dann am besten, wenn sie sich dem 
Modell eines Marktes unter vollständiger Konkurrenz annähern. Wie nahe
kommen Märkte, auf denen die durch die Institution des Eigentums künstlich 
verknappten Informationsprodukte gehandelt werden, diesem Modell?
 
1. Bedingung: Polypol; viele Anbieter müssen auf viele Nachfrager treffen.
Die Institutionen zum Schutz geistigen Eigentums sprechen jedoch das 
Verfügungsrecht an einem bestimmten Informationsprodukt exklusiv einem 
bestimmten Eigentümer zu (und das ist im Normalfall nicht der Urheber, 
sondern die Verwertungsgesellschaft oder der Patentinhaber). Fällt also schon
einmal flach.
 
2. Bedingung: Homogenität der Güter
Ist wegen (1) von vornherein nicht gegeben. Es konkurrieren also nur 
unterschiedliche Informationsgüter miteinander - und das bei ohnehin schon
gegebenem Informationsdilemma!

3. Bedingung: Markttransparenz
Aus (1) und (2) folgt, daß ausgeschlossen werden kann, daß alle 
Marktteilnehmer jederzeit und vollständig über alle relevanten Informationen 
für eine Kaufentscheidung verfügen _können_.

4. Bedingung: Präferenzlosigkeit der Marktteilnehmer
Wirkliche Konkurrenz ist nur gegeben, wenn keine persönlichen Vorlieben oder 
Abneigungen den Wettbewerb durch irrationale Faktoren verzerren. Hier schlägt
das Markenrecht zu: "Der Markenartikel ist ein Produkt, das eine stets 
gleichbleibende oder verbesserte Qualität und Ausstattung bietet":) 
 
5. Bedingung: Rationales Verhalten aller Marktteilnehmer
Aus (1)-(4) folgt, daß gerade auf Märkten künstlich verknappter 
Informationsgüter die Rahmenbedingungen dafür äußerst schlecht sind.

6. Bedingung: Punktförmigkeit des Marktes
Diese könnte - als einzige - durch das Internet gegeben sein. Aber selbst
die klassische e2e-Funktionalität des Internets ist heute mehr und mehr
Einschränkungen unterworfen.

Fazit: es besteht nicht nur eine schlichte Abweichung des Marktes künstlich 
verknappter Informationen vom Ideal eines Marktes unter vollständiger
Konkurrenz, sondern dieser Markt negiert nahezu alle Bedingungen, die 
für ein Optimum an allokativer Effizienz und Effektivität notwendig wären. 
Das heißt: die künstliche Verknappung von Informationsgütern durch die 
Institution des geistigen Eigentums führt dazu, daß die Allokation künstlich 
verknappter Informationen über Märkte weniger effizient und effektiv sein 
_muß_, als die Allokation von Informationen _ohne_ die künstliche Verknappung 
durch den "Schutz" des sogenannten "geistigen Eigentums". 

Kurz und gut: bevor ich daran gehen kann, das "geistige Eigentum" zu 
destruieren, muß es mir erst einmal _innerhalb_ des bürgerlich-liberalen 
Axiomensystem hinreichend konsistent konstruiert werden.


 Viele Grüße

    Stefan
















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