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Re: [ox] Freies Irgendwas und Commons-Problematik



Hi Michael!

5 days ago Michael Hoennig wrote:
immerhin haben Allmenden ja auch
jahrhundertelang funktioniert

das ist leider ein Irrtum,

Nun, dann fragen wir doch mal, was gewöhnlich gut informierte Leute
meinen, die Oekonux'scher Umtriebe sicher nicht verdächtig sind:

  Aus dtv Brockhaus Lexikon (1989):

  Allmende [mittelhochdeutsch "was allen gemein ist"], in Westfalen
  und Niedersachsen *Mark*; der Teil der Gemeindeflur, der sich im
  Gemeineigentum der Dorfgenossen befand, für gewöhnlich Weide, Wald
  und Ödland, von den Markgenossen zur Viehweide, Schweinemast,
  Holznutzung, Jagd und Fischerei genutzt. In West- und
  Süd-Deutschland umfasste die Allmende einen wesentlichen Teil der
  Dorfgemarkung, in Ost-Deutschland hatte sie geringere Bedeutung.

  Die Allmende-Verfassung und die rechtliche Regelung der
  Allmende-Nutzung gehen z.T. bis ins 10. Jahrhundert zurück. Seit dem
  18. Jahrhundert begann die Auflösung der Allmende; doch haben Reste
  in Süd-Deutschland und der Schweiz (*Realgemeinde*) bis heute
  Bestand. Die Allmenden bildeten früher eine wertvolle Einnahmequelle
  der Gemeinden und waren ein Mittel zur Unterstützung ärmerer
  Dorfbewohner.

Interessanter Beitrag. Da steht z.B., dass Allmenden mindestens 800
Jahre lang existiert haben. Das ist erheblich länger, als selbst
gewagte Interpretationen dem Kapitalismus an Alter zugestehen. Ich
würde also nicht sagen, dass ich mich geirrt habe.

Da steht auch, dass es für die Allmenden formalisierte Regelungen gab.
Es war also nicht so, dass hier einfach alles von selbst funktioniert
hat, sondern die Dorfgenossen durchaus explizite Regeln aufgestellt
haben. An dieser Stelle passt übrigens der Vergleich mit Freier
Software m.E. nicht mehr so richtig - oder? Na ja, die Lizenzen bilden
natürlich schon einen rechtlichen Regelungsrahmen, in dem sich das
Ganze bewegt. Ok, passt auch.

Wir lernen hier auch, dass Allmenden einen Beitrag zum - wie wir es
heute nennen würden - Sozialsystem leisteten.

Ebenfalls steht dort, dass sich die Allmenden zu der Zeit aufzulösen
begannen, als der Kapitalismus in den dritten Keimformschritt eintrat.
Übertragen würde dies bedeuten, dass sich der kapitalistische
Eigentumsbegriff aufzulösen beginnt, wenn Keimformen der
GPL-Gesellschaft in den dritten Schritt treten. Sehen wir m.E. bei
digitalen Gütern.

Das Bild ist tatsächlich gar nicht so schlecht. Auf jeden Fall taugt
es dazu, Auswirkungen eines Keimformschritts zu zeigen. Zu Beginn des
fünften Keimformschritts der GPL-Gesellschaft wird dann also jemensch
ein Papier zum Eigentumsilemma verfassen ;-) . Hoffen wir, dass es
weniger ideologisch ist, als das zum Allmendendilemma.

wie auch euer Irrtum über die Motiviation,
freie Software zu erstellen, den ihr gar nicht korrigieren wollt, weil er
eure Phantasie zerstören würde.

Ok, wenn ich's recht verstehe, dann meinst du ja so gerne, dass
AutorInnen Freier Software es vor allem für's Geld machen. Dann kann
ich dir (privat) gerne meine Kontonummer schicken und dich bitten, sie
für meine acht Doppelt Freien Software-Projekte bei diesen Geldquellen
einzutragen. Ich hatte ja bisher immer geglaubt, ich hätte bei den
meisten einfach nur das, was für mich nützlich war, der Welt zur
Verfügung gestellt, manches auch nur gemacht, weil's mich in den
Fingern gejuckt hat, aber da wähnst du mich ja im Irrtum. Ich lasse
mich gerne eines Besseren belehren, aber erwarte dann, dass du auch
mal Butter bei die Fische / Geld auf mein Konto tust. Gib mir ein Go
und meine Kontonummer kommt.

Allmenden wurden meistens ausgelaugt, übernutzt statt genutzt, keiner hat
sich dafür wirklich eingesetzt, weil je niemand zuständig war.

Nun, wäre es so gewesen, hätten sie wohl kaum 800 Jahre Bestand
gehabt. Bei Allmenden handelt es sich also keineswegs um eine
sozialromantische Träumerei, sondern um ein Faktum, dass für viele
Menschen über lange Zeit selbstverständlich zu ihrem Alltag gehörte.

Ich fände es klasse, wenn solche Systeme funktionieren.

Tun sie sogar länger als der Kapitalismus :-) .

Und es gibt
Beispiele im kleinen, wo sie funktionieren (allerdings dann oft durch
sozialen Druck, was wieder etwas anderes ist als das von euch hier
propagierte System).

Sozialer Druck ist nichts anderes als eine bestimmte Form von (schwach
formalisiertem) OHA-System. Ich weiß nicht, wen du genau mit ihr/euch
meinst, ich habe aber nicht behauptet, dass es ohne OHA-System gehen
wird. Die Frage ist nur, wie es aussieht und ob es der
Selbstentfaltung und nicht entfremdeten Zielen dient.

Aber die ganze Welt so betreiben zu können, halte ich
für nicht mehr als eine nette Phantasie.

Ist natürlich allen unbenommen. Ich halte andere Modelle für eine
nette, manchmal auch gefährliche Phantasie.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Organisation: projekt oekonux.de



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