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Re: Selbstentfaltung und Plackerei (was: Re: [ox] interessantes Interwiev)



Hallo Stefan,

ich rede von physikalischen Gegenständen. Die gibt es immer nur
stückweise und sie müssen bedient und gewartet werden.

Das gilt auch für Software - oder? In dieser Hinsicht sehe ich gar
keinen kategorialen Unterschied zwischen materiellen und virtuellen
Artefakten.

Software verfällt aber nicht von alleine. Sie veraltet auf gewisse weise,
aber wenn ich eine Kopie aktualisiere (z.B. an neue Techniken oder Gesetze
anpasse), dann gilt das für alle Kopieren. Bei physikalischen Gegenständen
muss man die Arbeit in jede einzelne Kopie investieren. Siehst du den
Unterschied wirklich nicht?

Staatseigentum wiederum ist ja auch nur eine andere Form von
Eigentum.

Wer, wenn nicht der Staat und nicht Unternehmen und nicht
Gesellscahften, sollen sich denn um die Wartung kümmern? Wer darf sie
bedienen? Wer verwaltet die Erlaubnisse?

Wie läuft denn das in Freien-Software-Projekten? Da sind es auch weder
Staat noch Unternehmen, die sich um all diese Fragen kümmern. Vielmehr
sind es genau Commons.

Ja, ich weiß, dass du der Meinung bist, der Zugang zu OOo wird von Sun
kontrolliert. Ich denke, du unterschätzt die Rolle der
Freie-Software-Commons, die eben unabhängig von Staat und Unternehmen
agieren.

Ich rede nicht von "Zugangskontrolle" sondern davon, dass die
kommerziellen Unternehmen, die an freier Software mitarbeiten, diese für
Normalanwender überhaupt erst anwenbar machen. OOo ist bei Collab.Net
gehostet, auch das CVS, also nicht unter der Kontrolle von Sun. 

Wenn du wirklich glaubst, die Menschen würden
freiwillig und ohne jeden persönlichen Vorteil Arbeiten ausführen, die
ihnen keinen Spaß machen (und auch die muss jemand machen), dann bist
du ein Träumer.

Du fasst den persönlichen Vorteil vielleicht ein bisschen eng. In
Freie-Software- oder ähnlichen Projekten machen auch Leute die
Drecksarbeiten, ohne dass sie einen *unmittelbaren* persönlichen
Vorteil davon haben. Wenn ich z.B. hier täglich den Spam-Filter
reinige, dann habe ich persönlich davon überhaupt keinen Vorteil.
Dennoch tue ich es - und kriege kein Geld oder sonst einen
entfremdeten Lohn dafür.

Ich sagte nicht, dass KEINER sowas macht. Ich stelbst mache ja viel
solcher Arbeiten. Ich sehe nur, dass mich mein halbes Umfeld dafür auch
für verrückt erklärt. Inkl. einiger Arbeitsloser, die eigentlich genug
Zeit hätten.

Diese Plackerei ist eben Teil der Selbstentfaltung - na ja, eigentlich
alles Oekonux-Standards. Würdest du dem widersprechen.

Nein, ich widerspreche nur, dass wir jetzt schon die gesamte Gesellschaft
darauf aubauen könnten.

Und wenn nicht, dann mag so eine Gesellschaft zwar funktionieren,
aber
nicht auf einem technischen Level, der auch nur annhähernd dem
heutigen entspricht, dann erübrigt es sich auch vom materiellen
Wohlstand zu reden. Und von der vollautomatischen Produktion sind wir
noch sehr weit entfernt.

Kannst du das näher begründen? Aus der Oekonux-Argumentation würde ich
gerade gegenteilig argumentieren. Die Technisierung bringt Chancen für
Selbstentfaltung, da sie nützliche Tätigkeiten in den Bereich der
Kreativität verschiebt.

Zu einem Computer gehört aber mehr als Software, er muss produziert
werden, ebenso die Materialien, die Grundstoffen müssen gewonnen werden,
verhüttet, transportiert etc. Da sind Unmengen von Arbeitsleistung drin,
die kaum jemand nur aus Spaß an der Sache machen wird und die man auch
kaum nebenbei neben Sachen machen kann, die Spaß machen. Auch die
Stromversorgung gehört dazu, Wasserversorgung, Klärwärke,
Schienen- und Straßenbau etc.

Vor allem konnte mir noch keiner von euch Freiwirtschafts-Gegnern
aufzeigen, wie eurer Meinung nach der Umbau der Gesellscahft erfolgen
sollte. Und wie Macht der Konzerne eingschränkt werden könnte. Alles
was ich sehe, sind Träumereien vom Ziel und ein paar vage Ideen.

Du würdest also die Argumentation mit der Produktivkraftentwicklung,
die ich für eine Kernargumentation der Oekonux-Theorie halte, für eine
vage Idee halten? Nun, wie sehr hast du dich denn mit dem
entsprechenden Background auseinander gesetzt, dass du dazu kommst?

Hast du eine Text-Empfehlung, die mich vom Gegenteil überzeugen könnte?
Ich habe mir einige eurer Texte auf der Website etc. durchgelesen, aber
eine Lösung, wie wir dahinkommen könnten, habe ich noch nicht gesehen. 

Dass ich die Träume teilweise teile, ändert nichts daran, dass mir das
träumen nicht reicht, sondern ich nach realistischen Wegen suche.

Dann würde ich die Freiwirtschaft *ganz schnell* fallen lassen. Hier
handelt es sich um ein typisches Endzeitmodell, dass versucht am
Ancient Regime noch ein paar Korrekturen anzubringen um es
lebensfähig zu halten. Nichts könnte in Bezug auf den Kapitalismus
mehr daneben liegen.

Ich sehe in der Freiwirtschaft kein Endzeitmodell, sondern einen Weg.

Alles Gute wünscht
	Michael

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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